---- Original Message ----
From: Annette Kustos <Annette.Kustos@xxxxxxxxxxxxxxxx>
To: "Internet in Bibliotheken" <inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Sent: Mo, Sep 22, 2014, 1:48 PM
Subject: Re: [InetBib] Fwd: Onleihe nun auch krass unethisch
Und hier mit richtigem Betreff :-)
Liebe Liste,
die Position eines Kaufbuttons bei Nichtverfügbarkeit eines Werkes durch die
Verknappung von Zugriffen auf eine (Zwangs)1-SIM-User Lizenz ist schwierig.
Aber ich erlaube mir darauf hinzuweisen, dass Schwierigkeiten teilweise auch
unfreiwillige Schwierigkeiten sind.
Manchmal kommt es mir vor, einem Hängenden werden hier Reden über die
Gemeinheit der Todesstrafe vorgetragen.
Im Übrigen: die Nähe des Buttons bei technisch unsinniger (daher dem Nutzer
auch unverständlicher) Verknappung (exakt!, Herr Prof. Umstätter) macht nur
sehr prägnant, was in anderen E-Book-Performanzen auch nicht weit weg ist: die
wenigsten E-Book-Umgebungen von Verlagen enthalten nur das von der Bibliothek
lizensierte, vielmehr auch das was nicht lizensiert wurde oder werden konnte,
weil es z. B. durch Bibliotheken nicht in geeigneter Weise oder gar nicht
lizensierbar ist. Ganz schnell gelangt man aus dem Bibliotheksdatenpool in den
allgemeinen des Verlages.
Da hat man als WB häufig die Freude, mitzuteilen, was geht und was nicht, was
eine Hochschullizenz und was eine Einzellizenz ist. Im Grunde fungieren
Bibliotheken hier, wie auch in Argumentationen über digitale Angebote und Open
Access von Bibliotheken öfter vorgekommen, als Kolporteur und erhöhen das
Interesse an Titeln. Die Werbung, die jedes Portal darstellt landet direkt
beim Wissenschaftler o. a. und die Bibliothek hat hier liebe Mühe, das Prinzip
von Sammlung, Gemeinschaftsnutzung und Wirtschaftlichkeit aufzubröseln.
Auch Pay-per-View-Buttons von Verlagen für Zeitschriftenartikel sind lange
schon Alltag - wenn sie nicht schon in Datenbanken oder Portalen selbst
auftauchen, dann häufig einen Schritt später auf einer Verlags-Site.
Was machen wir nun damit:
- abschalten.. ich fürchte das wäre angesichts der Vielfalt der Plattformen
technisch mittlerweile undurchführbar, liegt nicht in unserer Handlungsmacht,
stellte auch irgendwie einen Eingriff in die Nutzerfreiheit dar und offerierte
insbesondere kleineren Bibliotheken auch ein Verhandlungsproblem mit den
konkreten Anbietern.
- Aufklären: in der Tat ist auch das ein Thema für eine Schulung zur
Informationskompetenz: Informationen finden und auch wirtschaftlich-politisch
einordnen lernen. Werbung oder Kaufverleitung erkennen, eigenes Verhalten
nicht auf das bloße Konsumieren ("Kauf ich") reduzieren.
-Wach bleiben, aber mit Realismus: Wir müssen in allen Sachfragen des
Bibliothekswesens immer neu versuchen, Abhängigkeiten von Firmen und
systemfremden Stakeholdern so stark zu reduzieren wie möglich, wir sind aber
nicht allmächtig. Es gibt Situationen, in denen wir immer wieder Grenzen der
Handlungsmacht ertragen müssen. Im Bibliothekswesen gehen wir ständig und
meistens sehr unfreiwillig mit Verlusten um.
Daher fachliche Auseinandersetzung ja, aber eine Ethik ohne Solidarität in der
Fachcommunity hilft hier nicht so recht weiter. Aus meiner Sicht sind diese
Wutausbrüche Externalisierungen von negativen Erfahrungen, die wir alle machen.
Mit freundlichen Grüßen
A. Kustos
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Inetbib [mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von
h0228kdm
Gesendet: Montag, 22. September 2014 11:54
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: [InetBib] Sind Frauen in Führungspositionen von Bibliotheken so gut
wie nicht existent?
Obwohl ich in dieser Mail nicht angesprochen bin und mich auch nicht näher zu
all den Punkten äußern will, die nichts mit der Onleihe zu tun haben, muss ich
doch eines richtig stellen.
Ich halte es für diskriminierend die Frauen in bibliothekarischen
Führungspositionen als nicht existent zu bezeichnen. Da ich selbst schon vor
knapp vierzig Jahren unter der Leitenden Bibliotheksdirektorin der
Universitätsbibliothek Ulm Frau Dr. Margarete Rehm gearbeitet habe, die
immerhin die erste Onlinedokumentation in einer deutschen Bibliothek
eingerichtet hat. Auch wenn ihr Vorgänger Dr. Richard Polacsek das schon
initiiert hatte, sie besaß den Mut und die Ausdauer es zu realisieren.
Die damaligen Widerstände gegen das, was wir heute die Digitale Bibliothek
nennen, waren noch immens größer als heute, und mussten überwunden werden. Wer
seit dem im Bibliothekswesen aktiv ist, weiß wie viele Frauen (insbesondere in
leitenden Funktionen) sehr aktiv und entscheidend waren und sind. Das
ignorieren zu wollen ist eher kontraproduktiv.
MfG
W. Umstätter
Am 2014-09-21 15:05, schrieb Stefanie Günther:
Sehr geehrter Herr Graf
Ihre Argumentation, warum der Verkaufsbutton der Onleihe unethisch
ist, kann ich in ganz vielen Punkten nachvollziehen.
Eines muss ich jedoch kritisch sagen: Auch Bibliotheken und
Informationseinrichtungen beachten den Gleichstellungsgrundsatz nicht
immer. Einige Beispiele hierzu:
1. Zahlreiche Bibliotheken in Deutschland und der Schweiz haben noch
immer keine Rampe für Rollstuhlfahrer, so dass diese schlicht draussen
bleiben müssen.
2. Obwohl in den meisten Bibliotheken wesentlich mehr Frauen als
Männer arbeiten, sind Frauen in Führungspositionen von Bibliotheken so
gut wie nicht existent.
3. Unzählige Bibliotheken berücksichtigen in ihren Beständen die
Literaturbedürfnisse von Homosexuellen und Transsexuellen nicht (ja
sie kennen sie nicht einmal). Haben Sie mal ein Buch zum Thema, dann
verschlagworten sie es unter heute völlig veralteten Begriffen wie
Lesbierinnen oder Tribadie.
4. Zahlreiche Bibliotheken in der Schweiz vernachlässigen die
Ausbildung des Nachwuchses, obwohl sie sich im Rahmen ihrer
Sorgfaltspflichten als Arbeitgeber hierzu eigentlich verpflichtet
fühlen sollten.
5. Zahlreiche Bibliotheken in Deutschland zahlen ihren Bibliothekaren
einen Hungerlohn, so dass diese in immer grösserer Zahl ins Ausland
abwandern (brain drain).
Es gibt ein Sprichwort das heisst: "Wer im Glashaus sitzt sollte nicht
mit Steinen werfen". Dies würde ich auch Ihnen, Herr Graf,
gelegentlich gerne raten: insbesondere dann, wenn Sie sich mal wieder
einer Mitarbeiterin der HTW Chur gegenüber im Ton vergreifen. Im
übrigen gibt es auch Menschen wie mich, die das Angebot der Onleihe
Schweiz durchaus zu schätzen wissen. Und dies obwohl ich es ebenfalls
für einen Fehler halte dort einen Verkaufsbutton zu installieren.
Freundliche Grüsse
Stefanie Günther
Ärztin
Studentin Informationswissenschaften
Burgfeldermattweg 36
4123 Allschwil
Tel 061/4215015
Natel 079/6402138
---- Original Message ----
From: h0228kdm <h0228kdm@xxxxxxxxxxxxxxxx>
To: inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
Sent: Sa, Sep 20, 2014, 12:34 PM
Subject: [InetBib] Fwd: Onleihe nun auch krass unethisch
1. Kann mir irgendjemand erklären, wie man bei Onleihe über einen
„Verkaufsbutton“ ein e-Book kaufen kann, wenn man bei e-Books
grundsätzlich nur begrenzte Nutzungsrechte bekommt. Korrekt nennt man
so etwas Etikettenschwindel.
2. Bibliotheken dafür zu schelten, dass man sie im digitalen Bereich
juristisch enteignet hat, erscheint mir ungerecht und abwegig.
3. Bei genauerem Hinsehen ist Onleihe darum auch keine
Bibliotheksausleihe, sondern eine privatwirschaftliche Ausleihe, die
von Öffentlichen Bibliotheken bezahlt wird, weil viele Verlage den
Bibliotheken dieses Recht entziehen.
4. Dass Bibliotheken im Prinzip seit Jahrhunderten Leseförderung
betreiben kann heute unmöglich zu Erstaunen führen. Ärgerlicher an
der durchaus berechtigten Onleihe-Kritik ist die immer offener
betriebene Verknappung von publizierter Information, um Menschen zu
zwingen, überzogene, da durch Verwertungsrechte monopolisierte Preise
zu zahlen.
Die Onleihe wird zum Teaser für einen Kauf, der gar keiner ist. Also
die juristisch sanktionierte Gegenrichtung, für die einst
Bibliotheken und Verlage eingetreten sind. Wir wissen doch alle, dass
das Vervielfältigen von Publikationen heute vernachlässigbar
preiswert erfolgen könnte, wenn sich das Verlagswesen nicht
ununterbrochen Tricks einfallen ließe, wie man die
Infomrationsverbreitung verknappen kann.
5. Es ist kein Zufall, dass Wissenschaft in ihrer Entstehung
finanziert wird, und nicht über den Gewinn aus Publikationen.
6. Auch Autoren und Verlage sollten dafür bezahlt werden, was sie
wirklich leisten, und nicht über irrationale und völlig veraltete
Vorstellungen von Auflagenhöhen und Druckkosten. Solange Juristen
nicht den Unterschied zwischen Information, Wissen und Redundanz
begreifen, werden sie weiter in ein abwegiges juristisches Fahrwasser
mit immer mehr Ungerechtigkeiten abgleiten. Die Folge dieser
Entwicklung ist in erster Näherung: Je größer der Unfug, desto höher
die Auflage und desto größer der Gewinn. Früher nannte man das die
Verdummung der Gesellschaft, die man mit Öffentlichen Bibliotheken zu
bekämpfen versuchte.
MfG
Walther Umstätter
-------- Originalnachricht --------
Betreff: [InetBib] Onleihe nun auch krass unethisch
Datum: 2014-09-19 18:53
Von: "Klaus Graf" <klaus.graf@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx>
An: "Internet in Bibliotheken" <inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx> Antwort
an: Internet in Bibliotheken <inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Der neue Verkaufsbutton der Onleihe empoert vermutlich nicht nur die
Blogger, die sich kritisch geaeussert haben:
http://ultrabiblioteka.de/?p=1410 (mit Anfrage an die
dbv-Ethik-Kommission)
http://archiv.twoday.net/stories/985930617/ (Weitere Links)
Aus meiner Sicht offenbart das Phaenomen Onleihe das ganze Versagen
der deutschsprachigen oeffentlichen Bibliotheken in Sachen digitale
Kultur.
Gern wuerde ich auch einige Worte zur rechtlichen Lage sagen, aber
eine der schlechtesten Nationalbibliotheken der Welt hat die auf
http://www.bibliotheksverband.de/fachgruppen/kommissionen/recht/publi
kationen/organisation.html
verlinkte Arbeit
Privatwirtschaftliche Betätigung kommunaler Bibliotheken Monika
Rasche
In: Bibliotheksdienst 27.(1993), S. 1346
unter der bisherigen Adresse aus dem Netz genommen.
Klaus Graf
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