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[InetBib] LIBREAS Call for Paper #25: Bibliothekarin sein – Nutzerin sein. Frauen und Bibliotheken
- Date: Mon, 18 Nov 2013 18:09:12 +0100 (CET)
- From: Karsten.Schuldt@xxxxxxx
- Subject: [InetBib] LIBREAS Call for Paper #25: Bibliothekarin sein – Nutzerin sein. Frauen und Bibliotheken
Werte Kolleginnen und Kollegen,
werte Damen und Herren,
im Namen der LIBREAS-Redaktion freue ich mich, Sie mit dieser Mail auf den neu
erschienenen Call for Paper der LIBREAS. Library Ideas zum Schwerpunkt
"Bibliothekarin sein – Nutzerin sein. Frauen und Bibliotheken"
(http://libreas.wordpress.com/2013/11/18/4384/ und im Anhang) hinweisen zu
können. Wir würden uns über zahlreiche, engagierte und gerne auch provokative
Beiträge freuen.
Ich möchte die Möglichkeit nutzen und sie zudem darauf hinweisen, dass wir
weiterhin an Beiträgen für die Ausgabe #24 zum Schwerpunkt "Zukünfte"
interessiert sind. (Die Deadline für diese Ausgabe ist der 31.01.2013,
http://libreas.wordpress.com/2013/07/01/libreas-call-for-papers-libreas-24-zukunfte/)
m.f.G.
Karsten Schuldt
LIBREAS Call for Paper #25: Bibliothekarin sein – Nutzerin sein. Frauen und
Bibliotheken
Einst waren Bibliotheken eine männliche Domäne, heute sind sie eine weibliche.
(kontinuierlich festgestellt, siehe zum Beispiel Schiller 1974) Thomas Adametz
bezeichnet in seinen 1987 und 1992 publizierten Aufsätzen Bona Peiser als
„erste Volksbibliothekarin“. (Adametz 1987; 1992) Für Frauke Mahrt-Thomsen
(Mahrt-Thomsen 1985) war Bona Peiser bereits 1985 „Deutschlands erste
Bibliothekarin“. Sie unterstrich dies unlängst in der ersten Monografie über
Bona Peiser, wobei sie bei der Gelegenheit das „Volk“ im Titel strich. Bona
Peiser ist nun „die erste deutsche Bibliothekarin“. (Marth-Thomsen 2013) Was
macht den kleinen Unterschied zwischen Volksbibliothekarin und Bibliothekarin
aus? Oder stellt sich diese Frage im Nachhinein gar nicht? Spielt es eine
Rolle, dass sie eine öffentliche Bücherhalle in Kreuzberg (betrieben von der
Deutschen Gesellschaft für ethische Kultur, die sich dafür wiederum von Public
Library-Prinzipien aus den USA anregen ließ) leitete und nicht etwa die
Büchersammlung eines Wissenschaftskollegs? Beachtet man den historischen
Kontext, darf man nicht vergessen, dass es nach Bona Peisers
Bibliotheksleitungsposition noch fast 20 Jahre dauern sollte, bis Rahel Hirsch
als erste Professorin der Medizin in Deutschland berufen wurde.
Bibliothekarinnen waren zu diesem Zeitpunkt schon fast zum Alltag geworden. Die
Deutsche Monatsschrift für Russland meldete im Jahr 1912: „Mehr als 400 Frauen
sind jetzt in diesem Berufe tätig […].“ (Sprengel 1912, 320)
Bona Peiser wurde am 26. April 1864 in Berlin geboren. Folglich jährt sich ihr
Geburtstag 2014 zum 150sten Mal. Für LIBREAS ist dies der Anlass, die Ausgabe
#25 den Frauen im Bibliothekswesen zu widmen. Wie haben sie dieses hierzulande
geprägt, wie in anderen europäischen beziehungsweise weiteren Ländern? Welche
Namen sollten aus welchen Gründen präsent sein, bleiben oder werden? Wer sind
die Heldinnen des Bibliothekswesens? Oder benötigen Bibliotheken keine
Heldinnen? Wie gestalten Frauen die Gegenwart, wie die Zukunft der
Bibliotheken? Warum ist die Bibliothek heute ein weiblicher Ort? Sicherlich
gibt es ein Zusammenspiel zwischen Status, Einkommen, Berufsperspektiven und
Geschlecht, aber wie genau findet dieses Zusammenspiel im Bibliothekswesen
statt? Wird die Bibliothek in Zukunft ein weiblicher Ort bleiben?
Mehrere feministische Texte haben darauf hingewiesen, dass im US-amerikanischen
Bibliothekswesen Frauen durch Melvil Dewey als Personal eingeführt wurden, weil
er ihnen zuschrieb, genau und sozial arbeiten zu können, dabei aber weniger zu
kosten, als Männer. Diese zwiespältige Haltung, welche „weibliche Tugenden“
betonte, Frauen einen Arbeitsmarkt eröffnet, aber gleichzeitig nicht nur
kostenbewusst, sondern eben auch sexistisch war (zuerst Vann 1977), finden sich
auch in der deutschen Bibliotheksgeschichte.
„Dieses Persönlich-Geistige des bibliothekarischen Berufs zieht die Frauen
erfahrungsgemäß stark an, und es ist keine Frage, daß die Frau für dieses
Gebiet gute Eigenschaften mitbringt. Ist es ihr nicht von Natur gegeben, auf
andere einzugehen, besitzt sie nicht Schmiegsamkeit des Geistes und die
Elastizität, die es allein ermöglichen, Menschen mit den verschiedensten
geistigen Bedürfnisssen zu verstehen? Fühlt sie nicht und sieht, wonach gesucht
wird, während der Mann noch des erklärenden Wortes bedarf? Und ist es nicht
gerade ihre ‘Liebe zu den Büchern’, die sie in die Bibliothek führt? Das alles
ist, obwohl auch hier nicht verallgemeinert werden darf, richtig, und das alles
sind wichtige Voraussetzungen für erfolgreiches Wirken.“ (Hoffmann-Bosse 1915,
11)
Im Dokumentarfilm „Geschlecht – (k)eine Frage in Bibliotheken?“ von Danilo
Vetter kommt neben Margit Hauser, Elisabeth Wiesbaum und Monika Bargmann auch
Helga Lüdtke zu Wort (Vetter 2013). Sie selbst versteht sich primär nicht mehr
als Bibliothekarin, „sondern als freiberuflich tätige, an Bibliotheken
weiterhin interessierte Frau“. Vetter greift in seinem Film vier Themen auf:
Feminisierungen, Feministische Kritik, Gender Mainstreaming und Stereotype und
Image. Damit liefert er vier sogenannte Momentaufnahmen, die zu der
Selbstreflexion einladen, die wir gern auch in LIBREAS spiegeln möchten.
Und natürlich geht es nicht nur um das Bibliothekspersonal. In vielen
Bibliotheken übersteigt die Zahl der Nutzerinnen die der Nutzer. Gerade
Öffentliche Bibliotheken erscheinen teilweise als weibliche Domäne. Aber stimmt
das? Und wenn ja, was bedeutet das? Ist das gut oder muss das verändert werden?
Schließlich ergibt sich daraus auch die Frage, ob beziehungsweise wie sich das
mit Bibliotheken assoziierte feminine Rollenbild auf die Männer auswirkt, die
in diesen als Mitarbeiter oder Nutzer aktiv sind. So versucht beispielsweise
der Onleihe-Kinospot ausdrücklich das Erwartungsbild zu brechen, in dem es
einen betont viril wirkenden Bibliothekar ans Regal stellt, der, ganz
rollentypisch, die Nutzerin darüber aufklärt, dass man auch E-Books ausleihen
kann. (ekzLibraryServices 2013)
Bespricht man Frauen in Bibliotheken, muss man natürlich auch
Geschlechterverhältnisse berücksichtigen. Und schließlich kann man auch danach
fragen, weshalb seit Jahrzehnten Frauenbibliotheken bestehen und nach wie vor
betrieben werden.
LIBREAS freut sich auf Beiträge, die über den Moment hinausgehen. Auf Beiträge
über Frauen von Frauen und/oder Männern, die nicht nur stets wiederkehrende
Klischees beinhalten, sondern vor allem die früheren Diskussionen zum Thema,
die zum Teil eingeschlafen erscheinen, wieder beleben. Oder die Klischees
einfach durchleuchten und bei Bedarf zerpflücken. Formal ist wie immer alles
erwünscht und möglich, von der wissenschaftlichen Analyse über das Essay bis
hin zu künstlerischen Zugängen. Gerne steht die Redaktion für Diskussionen zu
Textideen bereit. Deadline ist der 16.05.2014.
LIBREAS-Redaktion
(Berlin, Bielefeld, Chur, Mannheim, Potsdam)
Literatur:
Adametz, Thomas: Bona Peiser – Berlins erste Volksbibliothekarin. In: Der
Bibliothekar 41(1987), S. 111-113.
Adametz, Thomas: Bona Peiser (1864-1929) : Wegbegleiterin der
Bücherhallenbewegung und Deutschlands erste Volksbibliothekarin. In:
Leidenschaft und Bildung, Berlin 1992, S. 133-141.
ekzLibraryServices: Onleihe - Der Kinospot.
http://www.youtube.com/watch?v=G6TOOclDBps [17.11.2013].
Hoffmann-Bosse, Elise: Die Frau im Dienste der volkstümlichen Bibliothek: Eine
Auskunft für weitere Kreise über den Beruf der Bibliothekarin an der
volkstümlichen Bibliothek (Schriften der Zentralstelle für volkstümliches
Büchereiwesen ; 2). Leipzig : Theid. Thomas Verlag, 1915.
Mahr-Thomsen, Frauke: „Die öffentliche Bücherei muß jederzeit für jedermann
unentgeltlich offenstehen“ : Bona Peiser – Deutschlands erste Bibliothekarin.
In: BuB 47 (1985) 1, 56-60.
Mahr-Thomsen, Frauke: Bona Peiser : die erste deutsche Bibliothekarin. Berlin:
BibSpider, 2013.
Schiller, Anita R.: Women in Librarianship. In: Advances in Librarianship 4
(1974), 103-147.
Sprengel, Auguste: Die Berliner Ausstellung “Die Frau in Haus und Beruf” und
der deutsche Frauenkongreß. In: Deutsche Monatsschrift für Rußland 1 (1912) 4,
307-312 ; 1 (1912) 5, 385-397 ; 1 (1912) 6, 502-512.
Vann, Sarah K.: Melvil Dewey: His Enduring Presence in Librarianship (The
Heritage of librarianship series ; 4). Littleton, Co : Libraries unlimited,
1977.
Vetter, Danilo: Geschlecht – (k)eine Frage in Bibliotheken?
http://www.youtube.com/watch?v=uWR-YQz2Pp8 [08.03.2013].
--
http://www.inetbib.de
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.