Zunächst stimme ich dem Kollegen Kuhlen zu, dass diese Wissenstreppe wenig hilfreich ist. Sie stiftet, wie so vieles auf diesem Gebiet, nur zusätzliche Verwirrung. Ich kann auch verstehen, dass diejenigen, die die IT, aus welchen Gründen auch immer, ablehnen, es "begrüßen" würden, sie in Vergessenheit geraten zu lassen. Nur genau das ist unser Hauptproblem, in der mangelhaften Terminologie, dass sie eine zu geringe "significance in information science" hat. Kein Informationswissenschaftler kann ohne sie Datenkompression, Datensicherheit, Archivsicherheit, breitbandige Datenübertragung, den Informationsgewinn aus einer verrauschten Nachricht, etc. verstehen. Wie ich schon andeutete, auch nicht den Erwerb und die Speicherung von Wissen in der Evolutionsstrategie, durch ausreichend Redundanz. Die IT ist und bleibt die Basis der Informationswissenschaft, und es wäre tödlich für die IW, das zu vergessen. Eine jede Wissenschaft ist nur so gut, wie ihre definitorische Grundlage. Sobald sich Informationswissenschaftler auf den common sense des Informationsbegriffs stützen, laufen sie Gefahr, nicht mehr Expertise auf diesem Gebiet zu haben, wie Laien. Insofern ist Kuhlen zuzustimmen, wenn er schreibt: "niemand wird behaupten wollen, dass sich eine wissenschaftliche Disziplin durch ein alltagssprachliches Verständnis über ihre Objekte und Vorgänge begründen lässt.". Aber genau das geschieht immer wieder. Wenn Kuhlen, leider berechtigt, schreibt: "Die Diskussion im Hin und Her um Wissen und Information scheint einem intellektuellen Eiertanz nahezukommen.", kann sich jeder Leser dessen überlegen, welche Wirkung das, auf das Ansehen unserer Zunft hat.
Mit freundlichen Grüßen Walther Umstätter Am 2013-10-14 11:40, schrieb Rainer Kuhlen:
Lieber Herr Koch, ich bin auch Pragmatiker, aber nicht so, wie Sie das jetzt verwendet haben. Vielmehr sollte "pragmatisch" in diesem Kontext im Sinne der Semiotik verstanden werden, also "kontextbezogen" und "handlungsrelevant". Ich möchte dringend von solchen Treppen oder Hierarchien abraten - die Informationen sind es ja, die handlungsrelevant werden, und das nicht zuletzt deshalb, weil Information natürlich Wissen enthält. Wie könnte Information die "Grundlage von Entscheidungen" (so aus der Treppe) sein, wenn nicht durch sie Wissen transportiert wird!! Ich übrigen würde ich es sehr begrüßen, wenn uns in der Informationswissenschaft (und auch hier in den beiden Listen) die immer wieder erneuerten Versuche erspart blieben, die Theorie der IW aus der Informationstheorie abzuleiten bzw. die IT sogar als DIE Theorie der IW anzusehen. Natürlich kann diese für Teilgebiete der IW wie Info-/Biblio metrie etc. sehr nützlich sein, aber das sollte es dann schon sein. Da bin ich mir auch mit Stock/Stock in seinem aktuellen "Handbook of Information Science" einig. Dort schreibt er nach einer Zusammenfassung der Informationstheorie mit einem Hinweis auf Belkin 1978: "Shannon´s information theory is of historical interest for us but it has only little significance in information science" (p. 22). Und so gut wie alle InformationswissenschaftlerInnen in D., aber auch in der Welt, sehen das genauso. Wer mehr über die (pragmatische) Begründung von I. lesen will, hier der Link zu meinen I/IW-Artikel in KSS-6: http://www.kuhlen.name/MATERIALIEN/Publikationen2013/RK_A1-Information.pdf - Kurz-URL: http://bit.ly/GWN7lB <http://bit.ly/GWN7lB> - ansonsten der Verweis auf das erwähnte Stock/Stock-Buch (dafür muss man nicht alle 901 Seiten lesen, es reicht das Kap. A.2 Knowledge and Information", p. 20-49) RK Am 14.10.2013 11:58, schrieb Walter Koch:Dazu die Frage eines Pragmatikers (der Herrn Ohly beipflichtet): sind Modelle wie die "Wissenstreppe" vgl. http://qib.f-bb.de/wissensmanagement/thema/wissen/wissenstreppe.rsysnicht mehr brauchbar (oder einfach nicht bekannt) ? W.Koch Am 12.10.2013 16:12, schrieb Peter Ohly:der Einfachheit halber hier als Kopie meine Replik, die ich in die liste InetBib gesendet habe.Mit freundlichen Gruessen, With kind regards, Sincères salutations, Con saludos cordiales, H. Peter OHLY ------------------------------------- http://www.isko.org/people.html Fax: 0049 - 3212 - 1402705Gesendet: Samstag, 12. Oktober 2013 um 16:06 Uhr Von: "Peter Ohly" <peter.ohly@xxxxxxxxxxxxxx> An: "Internet in Bibliotheken" <inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx> Betreff: Re: [InetBib] „Was sind eigentlich Daten?“ Lieber Herr Umstätter,zunächst vielen Dank für den Hinweis auf die interessante Darstellung von Jakob Voß, worin Ballsun-Stantons Punkt der “data as communications” wohl für die Informationswissenschaft am treffendsten zu sein scheint. Ansonsten kann nur beigepflichtet werden, dass das jeweilige Verständnis in unserermultidisziplinären Welt ggf. erst eruiert werden muss.Leider gibt es keinen Bezug zu Wersig oder Kuhlen, die Information alsetwas mehr als Daten ansehen, nämlich als interpretierbare,handlungsrelevante Daten. Auch Sie führen leider den Informationsbegriff nur auf Shannon-Weaver zurück, wo es sich in der Tat nur um formale Bits handelt. Hier könnte man vielleicht sagen, dass diese schon den Begriff ‚Information‘ vielleicht irreführend verwendet haben. Selbst der Begriff ‚Nachricht‘ setzt eigentlich eine Interpretationsfähigkeit dieser voraus,denn sie ist ja an einen (als verstehend vorausgesetzten) Empfängergerichtet. Gravierender ist meines Erachtens die Abgrenzung gegenüber ‚Wissen‘. Dies sollte mehr als ‚Information‘ sein: umfangmäßig, in der wissenschaftlichen Absicherung, in der kausalen Vernetzung. Hier liegt derzeit wohl die größte Problematik, dass ständig von ‚Wissen‘ gesprochen wird, obwohl nur ‚Information‘ geliefert, verarbeitet etc. wird – von Erkenntnis ganz zu schweigen, die zusätzlich eine transzendentale Qualitätaufweist.Am 12. Oktober 2013 13:14 schrieb h0228kdm <h0228kdm@xxxxxxxxxxxxxxxx>:Jakob Voss hat in LIBREAS http://libreas.eu/ausgabe23/**02voss/<http://libreas.eu/ausgabe23/02voss/>einen, wie ich meine interessanten Beitrag zur Frage „Was sind eigentlich Daten?“ geschrieben, der aufzeigt, wie chaotisch man in diesem Bereich mitfundamentalen Begriffen wie Information oder Daten umgeht.Seit dem das Internet mit immer mehr Daten von Laien zugeschüttet wird, ist es nicht verwunderlich, dass wir dort fast jeden Unsinn finden können, den sich Menschen (insbesondere unter Pseudonymen) ausdenken und ins Netz bringen. Hier jede Nachricht auf Evidenz zu prüfen ist nicht immer einfach. Darum finden wir in den letzten Jahrzehnten immer häufiger unsinnige Definitionen für Begriffe wie Daten, Information, Wissen etc. Dazu kommt,dass mit einer wachsenden Wissenschaft und einer zunehmendenSpezialisierung der Wissenschaftler immer mehr Spezialisten auf einemGebiet, die Laien auf vielen anderen Gebieten sind.Obwohl es also legitim und wichtig ist, bei der Frage „Was sind eigentlich Daten?“ dies reviewartig zu hinterfragen, zeigt J. Voß, dass man bei den verschiedenen Autoren, immer wieder prüfen muss, was sie nun gerade gemeint haben. Was allerdings schwierig wird, wen die Autoren soelbst nur sehr diffuse Vorstellungen entwickeln. Andererseits ist es schon bedenklich, wenn R. L. Gray in seinem Rückblick auf die Entwicklung der Begriffe Daten und Information, die eindeutig wichtigste Quelle (Shannon und Weaver 1949) ignoriert. Denn das wurde im zweiten Weltkrieg bei der Chiffrierung undDechiffrierung von Nachrichten rasch klar, dass jede Nachricht ausgrundsätzlich drei Grundelementen besteht, der Information, dem Rauschen und der Redundanz. Das Wort Nachricht war damit der Oberbegriff dieser drei Unterbegriffe. Auch die Erkenntnis, dass man jede Nachricht grundsätzlich in binary digits zerlegen und damit in Bits messen kann, fand rasch Eingangin die ersten Computer, bei denen man aber weniger vonNachrichtenverarbeitung als vielmehr von Datenverarbeitung sprach. Damit konnte man Daten sammeln, speichern, verarbeiten, verschicken etc. Der Begriff Daten war also nach dem Weltkrieg, als diese Erkenntnisse nichtmehr geheim waren, eindeutig der Oberbegriff von Information, Rauschen und Redundanz, insbesondere in digitaler Form. Da aber alle Nachrichten, wie Zahlen, Texte, Bilder, Töne oder Metadaten digitalisierbar sind, wurde derBegriff Daten damit sozusagen zum Top Term. Die Fundamentale Erkenntnis von Shannon, der auf der Ebene derInformationstheorie „Aspekte der Bedeutung explizit ausklammert“ wie Vossrichtig schreibt, war gerade bei der anfänglichen Computerisierungbemerkenswert, weil man die Daten ohne jede Semiotik (die Wissenschaft von der Bedeutung von Zeichen) verarbeiten konnte. Dieser nächste Schritt, der Bedeutungsverarbeitung, und darauf aufsetzend der Wissensverarbeitung, ist erst eine Entwicklung unserer heutigen Zeit. Die Aussage W. Weavers, „information cannot be confused with meaning“ darf nicht als Nachteil derInformationstheorie verstanden werden, sondern zeigt eine tiefereErkenntnis über die Tatsache, dass Information nicht mit Interpretation verwechselt werden darf. Interpretation ist erst Gegenstand der sogenannten Pragmatik in der Semiotik. Auch die Semiotk hat drei Unterbegriffe, die Semantik (Zuordnung von Zeichen zu Gegenständen auf der Senderseite), dieSyntax (Zuordnung der Zeichen zueinander), und die Pragmatik(Rekonstruktion der Zeichen zu ihren Gegenständen auf der Empfängerseite). Das hat seine Entsprechung zu Shannons Kommunikationsmodell mit Sender, Übertragungskanal und Empfänger, aber auf der nächst höheren (semiotischen) Ebene. Während auf der Wissensebene noch die Begründung einer Information hinzu kommt. Sie ist eine a priori Redundanz, weil wir beim Wissen als Empfänger auch Informationen vorhersagen können, soweit sie sich aus demzuvor gesendeten logisch oder erfahrungsgemäß ableiten lassen. MfG Walther Umstätter -- http://www.inetbib.de-- http://www.inetbib.de-- Prof. Dr. Rainer Kuhlen Department of Computer and Information Science University of Konstanz, Germany Website: www.kuhlen.name Email: rainer.kuhlen@xxxxxxxxxxxxxxx Skype: rainer.kuhlen Blog: www.netethics.net Facebook: http://www.facebook.com/rainer.kuhlen Twitter: @rkinf ORCID author identity: 0000-0002-4497-6422
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