Sehr geehrter Herr Graf,
Sehr geehrte Leserinnen und Leser des Blogs,
ich moechte kurz einige Fakten und Gesichtspunkte zusammentragen, die
meiner Sicht als Verantwortlicher an der HTWK Leipzig, Fakultaet
Informatik, Mathematik und Naturwissenschaften, entstammen. Ihre
Ausfuehrungen enthalten die eine Seite der Forderungen von
OEffentlichkeiten, es gibt noch einige andere nicht so offensichtliche
Aspekte, die Hochschulen beeinflussen koennten.
Zum einen ist es das Urheberrecht. Die Studentin und der Student
besitzt
grundsaetzlich das Urheberrecht an ihrer/seiner Graduierungsarbeit, und
nicht die Bildungseinrichtung. Er/sie darf ohne Angabe von Gruenden
z.B.
sein/ihr Werk mit einem Sperrvermerk belegen, der fuer die Hochschule
rechtsverbindlich ist. Dann kommen die Belegexemplare davon bei uns bis
zur Vernichtung in den Panzerschrank. Und die Gutachter sind durch
gesetzliche Vorschriften zur Wahrung des Dienstgeheimnisses gebunden.
Die Hochschulgesetze der Laender ermaechtigen meines Wissens nicht,
zwangsweise die UEbergabe einer Kopie der Graduierungsarbeiten an
Bibliotheken zu erzwingen. Dasselbe gilt fuer digitale
Veroeffentlichungen. Und Pruefungsunterlagen muessen einerseits
aufbewahrt werden, gewisse Fristen, andererseits duerfen Sie auch
spaeter nicht veroeffentlicht werden.
Persoenlich bin ich fuer die Wahrung der Buergerrechte.
Und die Partnerbetriebe, die wir haben, haben bisher keine Einsicht in
unsere Graduierungsarbeiten verlangt - seltsam. Auch
Nichtpartnerbetriebe nicht.
Bei Promotionen liegt der Fall etwas anders, da gibt es wenige Gesetze
dazu. Die Promotionsordnungen werden sich von den Fakultaeten und
Senaten der Universitaeten immer noch in freier Tradition gegeben, und
der Staat verzichtet auf eine vorschreibende Rechtsaufsicht. (Zumindest
ist mir kein staatlicher Einspruch je begegnet. Maximal die Justitiare
der Universitaeten und die Selbstzensur der Professoren als
Personengruppe verhindern Unzeitgemaesses. Weniges steht im
Hochschulgesetz des Bundeslandes. In den Gremien haben
Professoren meist die einfache Mehrheit.) Deshalb kann dort auch
drinstehen, dass nur die Abgabe von Pflichtexemplaren binnen X Wochen
nach der Verteidigung zum Erhalt der Doktorurkunde und zum Fuehren des
Doktortitels berechtigt, sonst wird er versagt. (Von den Kosten
schweigen wir.)
Frage: Sollen wir das auch bei Bachelor- und Masterarbeiten so machen?
Der Unterschied bei den Finanzaufwendungen ist z.B., das nur eine
Minderheit der Studierenden BAFoeG bekommt und etwa 30 Prozent der
Studierenden bei uns nur studieren koennen, weil sie nebenher arbeiten
gehen. Im Masterstadium steigt das auf ueber 70 Prozent im
Abschlussjahr.
Ich persoenlich bin dagegen, die Graduierung nochmals vom Geldbeutel
abhaengig zu machen.
Dann kommt noch der Druck der Gesellschaft dazu. Die geburtenschwachen
Jahrgaenge (zumindest im "Osten") fuehren dazu, dass die
Zulassungsbedingungen zum Studium immer mehr gelockert werden
(teilweise
durchaus demokratisch). Natuerlich sinkt die Qualitaet der
BewerberInnen
ab, ein Jahrgang 1. Semester Informatik Bachelor hatte z.B. den
Zugangsdurchschnitt 3,2 (das Dach liegt bei 4,0). Weiterhin, das neue
Saechsische Hochschulfreiheitsgesetz sieht z.B. das Schliessen von
Zielvereinbarungen des SMWK mit den Hochschulen vor, in denen bei
Androhung einer finanziellen Bestrafung gefordert werden soll, dass ein
gewisser Ratio von Immatrikulierten zu Absolventen eingehalten werden
soll (und bei Strafe des Untergangs dann auch eingehalten werden muss).
Das treibt bei uns erste Blueten. So wird versucht, Mathematiklehrenden
Pruefungen zu entziehen, in harten Ingenieurwissenschaften. (Ich
persoenlich
erwarte in Zukunft mehr "einstuerzende Neubauten".)
Um nicht missverstanden zu werden - an der HTWK heisst Dienst als
HochschullehrerIn gewoehnlich, 12 Stunden Arbeit am Tag und Opferung
eines Tages des Wochenendes fuer Arbeit. "Bequem" ist hier keiner,
sonst
sagen ihm/ihr die Studierenden schon Bescheid, ggf. ueber die Gremien.
Und es ist sehr kreativer Dienst, auch didaktisch. Das
Betreuungsverhaeltnis liegt bei 1 zu 30 bis 1 zu 50. Studienrichtungen
mit schlechtem Schluessel muessen sich anhoeren, dass ihr weiteres
Betreiben unoekonomisch sei.
Insofern moechte ich den Ball einmal wieder in die Luft werfen und "die
Bibliotheken" fragen, ob sie nicht an den Fakultaeten um die
UEbertragung der Rechte an Graduierungsarbeiten werben, zumindest aber
ueber ein Einstellungsrecht bei ihnen informieren wollen. Und auch das
Bibliothekswesen, ja jede Bibliothek, koennte einen Verlag a la VDM
"gruenden" (muss sie ja gar nicht, Rechteuebertragung reicht,
gebuehrenpflichtige Fernleihe fuer Kopien deckt die Kosten), der
Graduierungsarbeiten 1-zu-1 vom Absolventen zum Druck annimmt.
Ob die Verlage sich nach Noten, Bewertungen, Gutachten erkundigen, sind
gute Fragen. Ich habe noch von keiner Anfrage an unsere Fakultaet
diesbezueglich gehoert, Auskuenfte wuerden aber auch unter den
Datenschutz
fallen. Man muesste es im Einzelfall mit Manuskripten einmal selbst
per Einreichung in Verlagen testen.
Also: Bibliotheken koennten durch Werbung und Einholung von Rechten
eine neue Zuverdienstquelle im Bereich der Graduierungsarbeiten unter
der Promotionsstufe erschliessen. Oder?
Die Betriebe wuerden in ihre Praktikumsvertraege dann aber auch
aufnehmen, dass Geheimhaltung pauschal Pflicht wird, was bei uns
80 Prozent etwa der Arbeiten betreffen wuerde.
Und unsere Hochschulbibliothek sammelt meines Wissens bereits
Graduierungsarbeiten und laesst sich die Rechte ueberschreiben, und
zwar von den AutorInnen.
Andererseits, nach der Causa "Gutenberg" werden immer mehr Studierende
von ihrem Recht auf Sperrklausel Gebrauch machen. Wer laesst sich im
Leben schon gern boese ueberraschen. Das wuerde ja auch ihre/seine
Kinder
dann oekonomisch betreffen. Bisher sind es nur vertraglich begruendete
Faelle, in denen es Sperrklauseln bei uns gibt, also ist Ehrlichkeit
der
AutorInnen vorhanden. Und wir verlangen die Arbeit als PDF-Datei.
(Ketzerisch koennte ich fragen: Haben eigentlich alle BibliothekarInnen
hier im Blog ihre Graduierungsarbeit veroeffentlicht? Wie viel Prozent?
Meine Diplomarbeit ist inhaltlich in einer wissenschaftlichen
Zeitschrift
nachzulesen.)
Mit dieser versoehnlichen Note moechte ich schliessen und bitte um
Nachsicht, wenn ich mit Ihnen, Herr Graf, nicht voll uebereinkommen
kann,
und wenn ich nicht alle guten Ideen Ihres Vortrags hier ausreichend
wuerdigen konnte.
Schoenes Wochenende und gute Erholung. Ich muss jetzt vier Manuskripte
von Graduierungsarbeiten schaffen, ueber 250 Seiten. Inhaltlich, nicht
nur lesetechnisch.
Mit freundlichen Gruessen
Michael Frank.
Studiendekan Medieninformatik, und ab 07.10.2013 auch
Bibliotheksinformatik
zusammen mit den KollegInnen vom Studiengang "Bibliotheks- und
Informationswissenschaften" natuerlich - ein echtes
Kooperationsprojekt.
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Klaus Graf <klaus.graf@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx> schrieb :
Da mein Vortrag auf der 34. Tagung der AG
sportwissenschaftlicher Bibliotheken am 4.9.2013 hier des
öfteren diskutierte Themen betrifft, dokumentiere ich ihn
im Volltext.
Klaus Graf
„...
Sorry, um die Einreichungsgrenze von 35 Kilobyte einhalten zu koennen,
muss ich fuer den eigentlichen Betrag auf den Original-Blog-Eintrag
verweisen.
M.F.
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