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Re: [InetBib] Weiterleitung persönlicher Korrespondenz und weitere Fragen / uebrigens...



Hm, uebrigens... 

...bedeutet "uebrigens" landlaeufig auch "ueberfluessig" und leitet meistens 
vom eigentlichen Thema abschweifende Gedankengaenge ein - das sollte man sich 
auch mal vergegenwaertigen. Zumal, wenn es uebermaessigen Gebrauch in einem 
Posting findet...

Uebrigens, wurde gestern in der New Yorker U-Bahn ein toter Hai gefunden und in 
China ist doch tatsaechlich ein Sack Reis umgefallen! ;-)

Mit pythonesken Gruessen
Jens Lill


-----Original Message-----
From: Inetbib [mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] On Behalf Of
Naomi Kubota
Sent: Thursday, August 08, 2013 8:50 AM
To: Internet in Bibliotheken
Subject: [InetBib] Weiterleitung persönlicher Korrespondenz und weitere
Fragen

Sehr geehrte Damen und Herren,


was die Weiterleitung von persönlicher Korrespondenz betrifft:

Sicherlich kann ich mir vornehmen, in Zukunft etwas "privater"
vorzugehen, jedenfalls hat sich bisher noch keines meiner "Opfer" bei
mir oder sonst irgendjemandem beschwert. Ich beschäftige mich übrigens
auch nicht damit, irgendwelche Photos im Internet zu veröffentlichen,
noch nicht mal solche, die keineswegs kompromittierend wären und mit
Einverständnis der aufgenommenen Personen entstanden sind.

Bekannterweise dürfte spätestens seit Edward Snowden die
Rechtswirklichkeit so aussehen, daß meine Verschwiegenheitssignatur vor
allem die Möglichkeiten betrifft, eine Weiterleitung oder ein Mitlesen
rechtskräftig belangen zu können, falls einmal konkrete Probleme
entstehen sollten.
Bisher war ich jedenfalls noch nie Angeklagte in einem Strafverfahren
oder im Zivilrecht, was ich wirklich nicht von allen Personen sagen
kann, die theoretisch meine Mails mitlesen könnten.

Übrigens:

Wenn sich BibliothekarInnen oder Studierende, die an Abschlußarbeiten
schreiben, Sorgen machen sollten, daß eine Festplatte, auf der z.B. eine
Datenbank mit Texten oder Bildern gespeichert ist, abstürzt und
unwiderbringlich verloren geht - immer mit der Ruhe, keine Panik. Rufen
Sie einfach bei der NSA-Zentrale in den USA an und bitten Sie um ein
backup.
Wahlweise jeden anderen Geheimdienst der Welt. Irgendjemand ist
vielleicht so gnädig, den Wissensverlust zu kompensieren. Für Belege bei
gerichtlichen Auseinandersetzungen, z.B. im Bereich von Bildrechten,
kann das durchaus entscheidend sein.

Was den Beitrag aus Chile betrifft: Ich kann den Sinn und Unsinn meiner
Mails in Bezug auf "Internet und Bibliotheken" gerne erläutern, da ich
das Verständnisproblem aber eher für einen Individualfall halte, der
nicht die Mehrheit der Listenmitglieder betrifft, schlage ich vor, diese
Nachfrage off-list zu beantworten. Gerne können Sie mich bei konkreten
Postings noch mal fragen, welche Frage oder welches Problem ich dabei
jeweils diskutieren wollte.

Übrigens findet am 30.3.2014 in Frankfurt am Main eine Veranstaltung zu
Franz Oppenheimer statt, dem (jüdischen) Begründer der sozialen
Marktwirtschaft. Über das Zentrum für Jüdische Studien in Berlin können
Sie die Details erfragen, sie haben auch eine Mailingliste mit den
aktuellen Veranstaltungshinweisen. Ich nehme an, daß das ZJS auch im
Sommer zur Urlaubszeit eine Notbesetzung hat, die auf E-Mails antworten
kann.

Bertha Pappenheim, deren soziale Fürsorgeeinrichtungen vor allem den
ärmsten und schwächsten Menschen dieser Gesellschaft geholfen haben,
wurde von den NationalsozialistInnen gezwungen, die Türen nur für
jüdischen Menschen offen zu halten und anderen den Zutritt zu verbieten.
Alles eine Frage der Ökonomie und Logistik.

Zu guter Letzt: Manchen Personen in dieser Welt scheint nicht klar zu
sein, daß zumindest in der BRD die Sachverhalte der "Verleumdung" und
der "üblen Nachrede" Straftatbestände sind, die nicht nur
strafrechtlich, sondern auch zivilrechtlich im Bereich von
Schadensersatzforderungen verfolgt werden können. Dabei spricht das
Gesetz von "Verbreitung" von verleumderischen oder rufschädigenden
Inhalten, dort ist nicht festgehalten, daß der Name der gemeinten Person
explizit erwähnt werden muß. Es reicht, daß ein Gericht es als erwiesen
betrachtet, daß eine Person verleumdet wurde oder rufschädigend geredet
oder geschrieben wurde.

Nicht umsonst sehen das jüdische, das christliche und das islamische
Recht vor, daß Rufschädigung grundsätzlich verwerflich ist - und zwar
umso mehr, wenn es dabei nicht nur um "üble Nachrede" geht, bei der ein
problematischer Sachverhalt deutlich gemacht wird, der z.B. den
Charakter oder eine Handlung einer Person betreffen kann, sondern
insbesondere dann, wenn es um "Verleumdung" geht, d.h. wenn Sachverhalte
nahegelegt werden, die jeder empirischen Grundlage entbehren und reine
Fiktion sind. Im Judentum gibt es im Bereich der Sprechethik ein sehr
großes Bewußtsein dafür, daß kumulative Effekte von Rufschädigung und
Verleumdung sogar "mörderisch" sein können, weil sie die praktische
Konsequenz haben können, daß eine Person Beruf, Freundschaften, Lebens-
/Ehepartner bis hin zu Wohnung und alle Möglichkeiten des
Lebensunterhalts verliert. Im schlimmsten Fall, wo kein Sozialstaat
vorhanden ist, kann dies zum Verhungern führen, Beispiele in dieser Welt
bis heute gibt es genug, auch in der BRD wegen Bürokratiekriegen des
JobCenters, die teilweise (gezielt?) zu Wohnungsverlust und Verhungern
aufgrund von Bargeldmangel geführt haben, auch zahlreiche Selbstmorde
sind belegt. Im Falle der Dreyfus-Affäre hätte auch ein Todesurteil
gefällt werden können - eine kumulative Folge von Verleumdungen, deren
Opfer nicht zufälligerweise ein Jude war.

ForscherInnen im Bereich des Antisemitismus sagen meistens, der
Unterschied zwischen Vorurteilen (darunter fällt auch Islamophobie) und
Antisemitismus hat vor allem damit zu tun, daß Antisemitismus fast immer
mit reiner Fiktion operiert. Es gibt keinen einzigen belegten Fall einer
Brunnenvergiftung oder eines Ritualmordes an christlichen Kindern für
Pessach, Juden sind nicht reicher oder ärmer als andere vergleichbare
Ethnien auch (ich nehme an, daß die Sinti und Roma deutlich ärmer sind,
aber z.B. ChristInnen und MuslimInnen haben auch ihre Armen und
Reichen), die "Protokolle der Weisen von Zion" sind nachweislich eine
Erfindung des zaristischen Geheimdienstes in Rußland, die dann fröhlich
vom KGB und arabischen Organisationen weiterverbreitet wurde. Übrigens
beruht der Antisemitismus in der arabischen Welt zum großen Teil auf
kommunikativem "Import" von deutschen NationalsozialistInnen, die sich
durch Emigration in arabische Länder der erwartbaren strafrechtlichen
Verfolgung gegen Ende des Zweiten Weltkrieges entziehen wollten, von
Lateinamerika ganz zu schweigen.
Wer sich mit der Frage beschäftigen möchte, warum bis zuletzt z.B. die
USA keine jüdischen Flüchtlinge aufnehmen wollten und Großbritannien
sich geweigert hat, Bomben auf die Zuggleise nach Auschwitz abzuwerfen,
damit gegen Ende wenigstens keine weiteren Todestransporte mehr
stattfinden - sie waren kaum fünf Meilen entfernt - sei auf die
einschlägige Forschungsliteratur verwiesen. Möglichkeiten des
Widerstandes gab es genug, und sie wurden von vielen jüdischen,
christlichen und anderen Menschen genutzt, auch von Deutschen, die
teilweise Mitglied der SS oder Wehrmacht waren. Kleine Formen der
Redlichkeit und Menschenachtung waren auch ohne ethischen Heroismus
möglich, für fast jedeN.

Die historisch gut belegten Progrome, z.B. in Rußland und im Polen nach
Ende des Zweiten Weltkrieges, die jahrhundertelang zahlreiche jüdische
Menschenleben gefordert haben, scheinen glücklicherweise der
Vergangenheit anzugehören, auch wenn im Nahen Osten auch in jüngerer
Vergangenheit immer noch viele ZivilistInnen gestorben sind, nicht
zuletzt durch Raketen aus Gaza, bei denen jede einzelne eine
Transgression des Völkerrechts darstellt. Einzelne Gewalttaten auch in
"zivilisierten" Ländern kommen leider immer noch vor, auch in Europa -
und auch sie sind das Ergebnis von
(systematischer?) Verleumdung und übler Nachrede und treffen auch
jüdische Menschen, bei denen die TäterInnen später zugeben, daß sie das
nicht gemacht hätten, wenn sie genauer gewußt hätten, wer denn da
eigentlich das Opfer der Prügelattacke oder des Messerangriffs war.
Systematisches Verschweigen des Positiven, das hätte gesagt werden
können, trägt so zu Körperverletzung bis hin zum Mord bei.

Die christlichen KollegInnen unter Uns können sich ja mal im Bereich des
Kirchenrechtes erkundigen, wenn ich mich richtig erinnere, lautet der
sprechethische Fachbegriff zu dieser Frage "detractio", die als Sünde
gewertet wird.

Warum die Juden? Mögliche Antworten darauf gibt es viele, mir persönlich
gefällt die Aussage des russischen Schriftstellers Wassili Semjonowitsch
Grossman in "Leben und Schicksal": Er schreibt, die Juden würden gehaßt,
weil sie innerlich frei seien. Sicherlich trifft das nicht auf jeden
Juden zu (siehe die Theorie von Karl Krauss zum jüdischen Selbsthaß).

Ich versenke mich jetzt lieber wieder in meine nonnenhafte Arbeit an
meiner Doktorarbeit über persönliche Ethik im antiken Griechenland - und
was das Ganze mit Politik zu tun hat, siehe Sokrates, Platons Politeia
und die Nomoi. Übrigens ist Alkibiades im Laufe der Zeit sehr in Verruf
gekommen, und das scheint nun wirklich keine Verleumdung zu sein,
sondern ließ sich wohl empirisch gut belegen. Sein politisches Schicksal
und sein tragischer Tod dürfen auch als Folge seiner mangelnden
persönlichen Ethik gewertet werden, da sind sich HistorikerInnen relativ
einig. Bei Sokrates sehe ich die Sache anders.


Mit freundlichen Grüßen


Naomi Anne Kubota
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