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Re: [InetBib] Bitte zurück zum Thema



Lieber Herr Schaarwächter,

Ich will mich gar nicht über den Verweis beschweren, aber das
Interesse, die Beteiligung allein schon zeigt doch, wie wichtig dies
Thema ist, und offenbar nicht nur Frauen!

Gut, Frauen vermutlich am Ende mehr als Männern, und diese Dinge sind
nicht bibliotheksspezifisch, aber das Betriebsklima ist m.E. ein
wichtiger Bestandteil der Arbeit, diese Dinge haben doch mit jedem
Arbeitsalltag, auch dem bibliothekarischen, auch dem von Männern, und
der Qualität von Leben und Arbeit zu tun!
Diese Debatte betrifft m.E. wirklich alle Menschen in diesem Land,
auch die in den Bibliotheken tätigen - ist so wichtig!
Auch im Angesicht all der Veränderungen in Berufsbild und -bereich.

Ich habe eine Weile nachgedacht, und mit meinen Ängsten gekämpft, und
dann beschlossen, dass ich diesmal meine Einlassungen jedenfalls zu
Ende bringen möchte und gegen Ihre freundliche und völlig
gerechtfertigte Aufforderung gleich an mehreren Stellen verstoßen
werde, wie ich hoffe, zum letzten Mal (in dieser Sache...).
Ich habe mir diese Mail nicht leicht gemacht und mehrfach drüber geschlafen.

Aber die Frauenfrage ist nicht, wie es die Marxisten gerne hatten, der
Nebenwiderspruch.
Diese Sache ist mir zu wichtig.

Die ganz verschiedenen Arbeitsstile und Ziele von Frauen werden bis
heute kaum irgendwo berücksichtigt - immerhin gibt es Untersuchungen:
viele Managerinnen steigen irgendwann aus, nicht so sehr wegen der
Glasdecke als vielmehr, weil sie die ewige Konkurrenz statt
Kooperation, den Sinn von Status und Karriere, von diesem Berufssystem
nicht mehr so recht erfassen können, und "Me-Time", Freunde, Familie,
Kultur wichtiger werden.

Das kann aber nicht Kerle dazu berechtigen, zu sagen: "na siehst du,
so isses eben, dann soll sie's lassen", oder "das muss so sein, sonst
wird es ja langweilig", sondern es muss zu viel weiter gehenden
Veränderungen der Arbeitsbedingungen führen als bisher!

Sonst sind die Männer wieder unter sich und können ihre Kleinkriege
weiterführen, von denen leider so viele weit reichende Auswirkungen
haben.

An den Arbeitsbedingungen, auch und gerade an Ideen von Karriere und
Einsatz - in welchem Umfang wofür - hängt fast alles.

Ich behaupte z.B., dass diese Debatte Bibliothekare und
Bibliothekarinnen schon deswegen betrifft, weil sie sich Titelbilder
von Zeitschriften angucken und diese Blätter auch anfassen müssen -
z.B. den aktuellen "Focus": Fetter Titel "Was darf Mann noch?",
daneben in schickem Schwarz-Weiß eine hübsche Blondine mit
aufgespritzten, aufnahmebereiten Lippen.

Nun ist ein Blatt wie der Focus nicht eins, von dem ich in diesen
Fragen auch nur minimalen An- oder Verstand erwarte; natürlich ist es
dümmliche Provokation und der Wunsch, sich vom Konkurrenzblatt
abzusetzen, koste es was es wolle -, und es war wohl Tucholsky, der
sinngemäß sagte, dass mensch nie so viel essen kann, wie mensch kotzen
möchte, aber vor allem bleibt eine ziemlich resignierte, müde, große
Trauer: wozu diese Provokation? wen hoffen sie damit zu bedienen,
welches Marktsegment? Warum sind die so blöd?

Die Frage, was "Mann noch darf", impliziert die, was Mann nötig hat - und warum.

Implizit wird da doch gesagt, dass, wenn Mann Frauen nicht mehr
beglotzen, begrabschen und herabsetzten darf, er rein gar nichts mehr
darf, und ohne solche Machtspielchen nun schon gar nichts mehr hat,
was Spaß macht.

Mal ganz im Ernst, und angenommen, es wäre so:
Ist es denn wirklich ein so tolles und begehrenswertes Recht und
Privileg für anscheinend ja eine größere Zahl Männer, ihre Mitmenschen
ohne deren Zustimmung und gegen deren Willen zu betatschen und
beglotzen oder ihnen Gewalt anzutun?
Sie zu beleidigen, in Worten und Taten abzuwerten, und sie bei Bedarf
zu ignorieren, nur um irgendeine Art von Vorherrschaft zu etablieren,
die der Zusammenarbeit nicht zuträglich sein kann, auch nicht unter
Männern -
und sich dann über (wie gesagt noch wesentlich zu leise!) Klagen
lustig zu machen, oder einfach die Fakten rundheraus abzustreiten,
weil man selber nichts dergleichen bemerkt hat -  wie auch, als
Nicht-Frau?
Was aber deren Erleben nicht angenehmer, unwahrer oder weniger gültig macht!

Was ist offenbar für manche Männer so schwierig oder unangenehm daran,
andere Menschen mit Respekt und Offenheit zu behandeln, ihnen
freundlich und mit Anstand und Distanz zu begegnen, mit ihnen zusammen
zu arbeiten anstatt gegen sie, ihnen nicht mit Gesten der Drohung
entgegenzutreten, sondern sie stattdessen (auch gegen solche) zu
unterstützen?
Und vielleicht ab und an mal das mehr oder weniger Unterschwellige des
eigenen Verhaltens zu betrachten?
Klar, wer die Macht  oder eine Zeitung hat, der muss das nicht, hat so
was offenbar und bequemerweise nicht nötig, und kann tun und lassen
was er will - das, und nicht etwa Verantwortlichkeit, ist traditionell
der echte Inhalt der Macht, nicht wahr?

Sexismus als männliche Hauptbeschäftigung und größter Wunsch?!
Noch vor dem eigentlichen Sex, und statt echter Macht, um ein paar
Punkte in der Hackordnung zu sammeln?
Wie arm wäre das denn?!
Also wenn ich Mann wäre, würde ich diesem Blatt einen SEHR bösen Brief
schreiben - die sollen da mal nicht von sich auf andere schließen!

Sexismus als einzigen Lebensinhalt, das nehme ich dem Focus sofort ab,
aber nicht "den Männern"!

Sehr viele von denen "dürfen", und können auch meiner Erfahrung nach
ganz selbstbestimmt noch ganz viel anderes, und längst nicht alles
davon hat - weder auf diese bitterarme Weise, die die Focus-Titelseite
vorschlägt, noch überhaupt - was mit Frauen zu tun - und auch nicht
mit einem (beim Focus offenbar nicht nur implizit vorhandenen)
Bedürfnis nach deren Herabsetzung!

Es gibt genug Männer, die den traditionellen Wirtschafts-, Berufs- und
Karrierestil irgendwann ablehnen - und wie zerstörerisch, ja tödlich
die Glücksspiel- und Gewinnmentalität, Gewinnsucht sich auf
Gesellschaften und Umwelt insgesamt auswirken, hat wohl nicht nur der
Börsencrash von 2008 gezeigt, das zeigen ungezählte ökologische
Katastrophen in aller Welt, die Vernichtung von  mindestens 50% der
Lebensmittel in den Industrienationen, und die vielen "kleinen" Kriege
in aller Welt, die meist nicht ohne Waffenlieferung u.a. Unterstützung
von außen entstehen.

Es müßte möglich sein, den Männern den spannenden Kampf und die
Leistung zu ermöglichen, ohne dass das Soziale und Kooperative der
Frauen immer wieder plattgemacht wird - inzwischen wird dieser Planet
so eng, dass diese Sandkastenkämpfe nicht mehr gehen, genau so wenig
wie die richtigen Kriege.

...Also, ich wüßte ja gerne, ob jetzt ich oder weiland der Herr Graf
mehr Beschwerden an Sie gezogen haben - und ob Sie mich wirklich aus
der Liste schmeißen werden, obwohl ich niemanden persönlich angreife,
wenn ich das, was ich noch zu sagen habe, noch sage.
Ich hoffe nicht.

Damit ich es aber wenigstens noch vorher loswerde, schicke ich es so
schnell hintereinander ab wie möglich.

So, Schluss jetzt. Ich erhoffe und erbitte Ihre Geduld.

Silke Ecks

-- 
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