Liebe DiskussionsteilnehmerInnen,die Diskussion, die hier unter wechselndem Betreff immer wieder geführt wird, krankt m.E. stets am gleichen Problem: der mangelnden gesamtgesellschaftlichen Perspektive seitens derer, die sie reflexartig vom Zaun brechen. Die Gesetzgebung zur Gleichstellung der Geschlechter, die ja, was niemand leugnen wird, zunächst auf eine allgemeine Gleichstellung von Frauen gegenüber Männern zielen musste und muss, hat eine Geschichte. Dass es die entsprechenden Gesetze gibt, ist doch nichts schlechtes, oder? Dass sie auch im Informationssektor zur Anwendung kommen, ebenfalls nicht. Warum sollte jedes einzelne Berufsfeld, je nach aktuellem Geschlechtergemenge, mit eigenen Gesetzen bedacht werden? Die Formulierungen in den Stellenausschreibungen rühren von einer konsequenten Anwendung des Landesgleichstellungsgesetzes her, und es ist gut, dass es so ist. Zudem lässt die fein ausgefeilte Formulierung des Gesetztes doch erahnen, dass nicht per se Frauen eingestellt werden, sondern dass die persönliche Eignung eine ebenfalls große Rolle spielt und dass es Ermessensfrage des/der für die Einstellung Zuständigen ist, wer für die Stelle qualifiziert ist. Auch wenn andere Ungleichverhältnisse in der Gesellschaft bzw. in der Berufswelt noch nicht in (Landes-)Gesetzen geronnen sein mögen, die sie auszugleichen versuchen, ist es doch gut, dass es bei anderen schon lange der Fall ist. Konsequent zuende gedacht, sind einige Wortmeldungen nichts anderes, als der verkappte oder auch offene Wunsch, die entsprechenden Formulierungen aus Stellenausschreibungen zu entfernen oder in Zukunft ganz einzusparen und damit einen Schritt vor und zwölf zurück zu gehen. Wozu soll das gut sein? Ich erinnere an die InetBib-Diskussion zur Stellenausschreibung des FrauenMediaTurm in Köln Ende März letzten Jahres. Dort ging es zwar konkret um eine Stellenanzeige, die nur in der weiblichen Form ausgeschrieben war (was vom Gesetz ebenfalls gedeckt war, was aber auch seinerzeit bei der Diskussion mit großem Pathos ignoriert wurde), am Ende geht es ja aber doch immer um das gleiche, damals wie heute: gefühlte Ungleichberechtigung. Man könnte fast auf die Idee kommen, einige der Herren hätten sich bei ihrer Berufswahl nur deshalb für die Informationsbranche entschieden, damit sie, dort angekommen, etwas für die Gleichberechtigung aus Männersicht in einem der letzten "Frauenberufe" unternehmen könnten. Gut so. Wenn sie fertig sind, machen Sie dann eine Umschulung zum Erzieher? Meine Interpretation der Diskussion ist, dass es vielen Diskutanten nicht um z.B. die sachlich richtige Anwendung des Landesgleichstellungsgesetz in der jeweiligen Stellenausschreibung geht. Stattdessen melden sich stets gern Männer als erste zu Wort, die sich auch mal benachteiligt fühlen möchten und für jeden Aufhänger dankbar sind, bei denen sich die Gelegenheit bietet, ein bisschen empört zu sein. Dass Herr Knoch, welcher sich eigentlich nur genervt geben wollte (er muss aufmerksam mitgelesen haben), durch sein abschätziges Vokabular wie nebenbei selbst recht eindeutig Stellung bezieht, ist m.E. symptomatisch. Immerhin kommt das "Psssst!" von einem stellvertretenden Bibliotheksdirektor, gestört gefühlt haben muss er sich wohl unter anderem von den ausführlichen Beiträgen einer arbeitslosen Bibliothekarin(?). Die Diskussion muss also offensichtlich regelmäßig geführt werden, auch und gerade hier. Nur würde es der Diskussion gut tun, wenn einige der Diskutanten sich mal klar machen würden, warum sie selbst daran teilnehmen (oder warum sie genervt um Ruhe bitten).
Viele Grüße, C. Schmidt Am 06.02.2013 10:05, schrieb Martin Spieler:
Ohne Zweifel fehlen noch ganz andere Hinweise in solchen Stellenanzeigen: "Bei gleicher Eignung und Qualifikation.... (etc., etc.) werden angehörige folgender Personengruppen bevorzugt eingestellt: - Bewerber, die auf Grund ihres Alters einer unterrepräsentierten Personengruppe angehören z.B. 60 J und älter (gegen Altersdiskriminierung) z.B. 30 J und jünger (gegen Jugenddiskriminierung) - Bewerber mit einem Migrationshintergrund, der in der Beschäftigungsstruktur des Arbeitgebers unterrepärsentiert ist gegenüber dem örtlichen Migrantenanteil z.B. Migrationshintergrund "Italien", weil im Gegensatz zu 15% Bevölkerungsanteil Italiener noch nicht 15% der städt. Beschäftigten einen ital. Hintergrund haben (gegen Diskriminierung auf Grund der Herkunft) - Bewerber mit Kindern (wahlweise: ohne Kinder), wenn der Beschäftigungsanteil solcher Personen nicht dem Durchschnitt in der Kommune (wahlweise: Betrieb oder sonst. Teilbereich) (gegen Diskriminierung von Familien / gegen Diskriminierung von Kinderlosen) - Bewerber mit einer bestimmten Mindest-Anzahl von Kindern, wenn solche Personen in der Beschäftigungsstruktur des Arbeitgebers bisher unterrepräsentiert sind (gegen Diskriminierung wg. Kinderreichtum) - Bewerber einer bestimmten Hautfarbe (immer den Proporz im vgl. zur Bevölkerungsstruktur beachten! "Nein sorry, wir können Sie nicht einstellen, wir haben einen gleich qualifizierten Bewerber der statt 'schwarz' 'südländisch' aussieht, davon brauchen wir für die Quotenerfüllung noch ein paar...) ;-) (gegen Diskriminierung wegen Erscheinungsbild) - Bewerber, die wenig lachen und/oder auffällig traurig sind, sofern die Quote der zufriedenen und fröhlichen Mitarbeiter erreicht oder bereits überschritten ist (gegen Diskriminierung von Traurigen/Depresiven). Sie können die Liste gerne beliebig erweitern. Am Ende haben Sie folgende Ausschreibung: "Bei gleicher Eignung und Qualifikation (und was sonst noch gleich sein muss...) wird eine lettische, irakische oder westfälische Frau, verheiratet, mit mind. 3 Kindern, unscheinbarem Äußeren (BMI unter- oder überdurchschnittlich), mit homo- oder transsexueller Neigung in einem Alter zwischen 55 und 60 mit einem Behinderungsgrad von min. 30% bevorzugt eingestellt. Die Stadt Musterburg tritt konsequent für die Gleichstellung benachteiligter und in der Verwaltung unterrepräsentierter Menschen und Menschinnen mit dem beschriebenen Hintergrund ein und freut sich über entsprechende Bewerbungen." Viel Spaß und Grüße, Martin Spieler Am 04.02.2013 09:00, schrieb markus schnalke:[2013-02-01 10:17] Schwarck <schwarck@xxxxxxxxxxxxxxxx>Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, an der Universitätsbibliothek Wuppertal ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Stelle einer / eines Fachreferentin oder Fachreferenten (Stellenwert A 13 oder E 13 TV-L) zu besetzen. http://www.uni-wuppertal.de/universitaet/verwaltung/dez4/stellen/13011.htmlIn der Ausschreibung ist folgender Satz zu finden: Frauen werden bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt berücksichtigt, sofern sie in der Organisationseinheit unterrepräsentiert sind und sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Wenn man das schon so schreibt, dann muss man konsequenterweise auch folgenden Satz aufnehmen: Maenner werden bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt berücksichtigt, sofern sie in der Organisationseinheit unterrepräsentiert sind und sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Es waere schoen, wenn Ausschreibungen kein Geschlecht benachteiligen wuerden. markus
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