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Re: [InetBib] Klartext: Suppenküche Öffentliche Bibliothek



Lieber Herr Steinhauer,

wenn Sie dabei gewesen wären, dann wäre der Dialog hier so differenziert 
ausgefallen, wie es sonst Ihre Art ist. Und wenn der DBV die Gespräche zum 
Thema nicht abgebrochen hätte, dann würde man sich vielleicht auch mit dem 
Bemühen um Verständnis und nicht um maximale Aufregung über das Thema 
austauschen.

Ich habe heute nichts anderes gesagt wie schon bei anderen Gelegenheiten mit 
Bibliotheksvertretern:
Bibliotheken müssen ihren Nutzern E-Books anbieten können, das müssen Verlage 
kapieren. und Bibliotheken müssen kapieren, dass ihre E-Book Ausleihmodelle die 
Geschäftsmodelle der Verlage stark gefährden. Also kann es nur eine Lösung 
geben, bei der die Interessen beider Seiten gewahrt sind das sollte eigentlich 
klar sein. (Leider gibt es Bibliothekare, die meinen, man kann gegen den Willen 
der Rechteinhaber so etwas gesetzlich durchsetzen, genau so wie es Verleger 
gibt, die Bibliotheken gar nicht zu beliefern gedenken. Beides kann ich nicht 
ernst 
nehmen).

Bleibt also die Frage, wie eine Abgrenzung aussehen kann. Ich habe mich da an 
den Auftrag öffentlicher Bibliotheken gehalten, wie er vom Geldgeber, dem 
Steuerzahler bzw. seinem Vertreter formuliert wird. Da geht es dann zentral um 
Leseförderung und Bildung und um Teilhabe für die, die sonst von Information, 
Kultur und Bildung ausgeschlossen wären. Diese Formulierungen habe ich nicht 
erfunden, sondern gefunden. Das findet sich fast wörtlich auch bei den 
Statements der IFLA.

Dass ich das als denkbare Abgrenzung ausgesprochen habe, damit ziehe ich mir 
nun den Zorn aller zu. Wie blöd. Ich bin dankbar für jede bessere Lösung. Aber 
wie oben gesagt, wer keine Lösung anstrebt und das im Konflikt zu lösen 
gedenkt, den nehme ich nicht ernst.

Mein Vorschlag war: dicht am formulierten Auftrag wird der Kreis der Nutzer 
immer weiter gezogen und der Tarif für die Bibliothek entsprechend 
ausgerichtet. 
Das beginnt mit der Nutzung im Lesesaal, was praktisch keine Ausleihe ist und 
von den Verlagen quasi kostenlos angeboten werden könnte.
Dann folgen die Kinder und Jugendlichen in der Kommune sowie die sozial 
Schwachen in der Kommune. Hier sehe ich keine Konkurrenz zu Geschäftsmodellen 
von Verlagen und der Tarif könnte entsprechend sehr niedrig sein.
Danach kommen die normalen Bürger einer Kommune. Hier ist die Konkurrenz zu 
Verlagsangeboten direkt, die Vertriebsleistung der Bibliothek aber auch zu 
bewerten, der Tarif müsste irgendwo  in der Mitte liegen.
Und schließlich kommen Nutzer außerhalb der Kommune, hier wäre der Tarif etwa 
identisch mit dem aus einem kommerziellen Modell.
Es wäre nun Aufgabe der Kommune zu entscheiden, wie weit sie den 
Bildungsauftrag ihrer Bibliothek fassen wollen, was sie als originäre Aufgabe 
einer Kommune betrachten.

Es mag vielleicht eine ungewohnte Diskussion sein. Aber kommen wir gemeinsam 
wirklich drum herum?
Die Situation ist auch neu. Im Bereich gedruckter Bücher haben Verleger 
eigentlich nie eine Konkurrenzsituation gesehen und die Leistungen der 
Bibliotheken zur Leseförderung, kulturellen und Bildungsarbeit geschätzt und 
gefördert. Bei E-Books ist eine ganz andere Nutzungssituation gegeben. Das zu 
leugnen bringt auch nicht weiter.

Im übrigen werden Autoren umsatzbezogen honoriert, wenn also ein kommerzielles 
Mietmodell entsteht, dann werden die Autoren an den Erlösen daraus beteiligt, 
verdienen also an jeder Ausleihe. Das ist kein Thema der 
Verwertungsgesellschaft, meines Wissens...

Herzliche Grüße
Matthias Ulmer



Am 11.10.2012 um 15:25 schrieb Eric Steinhauer 
<eric.steinhauer@xxxxxxxxxxxxxxxx>:

Liebe Liste,

in einer Pressemitteilung auf börsenblatt.net, in der ein neues 
Geschäftsmodell für die Direkt-Ausleihe von eBooks über Verlage bzw. 
Verwerter direkt an Leser vorgestellt wird, spricht Herr Ulmer vom 
Börsenverein bemerkenswerten Klartext:

"Längst sprächen die Bibliotheken nicht mehr ihre ursprüngliche, eher 
einkommensschwache Zielgruppe an, sondern einen wesentlich größeren 
Nutzerkreis."
Quelle: http://www.boersenblatt.net/552865/

Öffentliche Bibliotheken sind also für sozialschwache Bevölkerungskreise 
da. Wer den hermeneutischen Schlüssel für die Unterfinanzierung von 
Bibliotheken im Vergleich zur so genannten Hochkultur sucht, hier ist 
er. Bibliotheken sind nicht Bildungs- oder Kultureinrichtungen, wie man 
immer denkt, sondern ressortieren offenbar bei der Armenfürsorge. Da die 
Sozialbudgets bekanntlich die größten sind, sind das doch tolle Aussichten.

Außerdem können sich interessante neue Kooperationsmöglichkeiten mit dem 
Buchhandel ergeben, denn die örtliche "Büchertafel" nimmt sicher gerne 
Ladenhüter und Remittenden, die die Besserverdienenden nicht haben 
wollen, in ihren Bestand auf. Geschenkt, versteht sich. :)

Viele Grüße
Eric Steinhauer

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