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Re: [InetBib] Mobilmachung gegen Elsevier?



Hallo, 
genau, lieber Herr Prof. Umstätter, Punkte 5- 7, ich habe das mal humorig 
"impactfactories" genannt. Die Impactfactories sind aber nicht nur bzgl. 
Publikationsvita bei Berufungen etc. ständig präsent, sondern schon länger ganz 
gezielt in der entscheidenden Politik. Durch die fortgeschrittene Fokussierung 
auf "Leistungsparameter", "Forschungsevaluation" befindet man sich durch 
nutzungsfreundliche Statistiktools auf dem Weg in die öffentliche 
Mittelvergabe. Messmittel schaffen Zahlen, Zahlen schaffen 
Regelungsmöglichkeiten. Und das ist der weitere Punkt, der sehr schwer zu 
bekämpfen ist neben dem eigentlichen Vorenthalt an Information durch 
Lizenzrecht und Preispolitik oder die Frage nach wirklicher Qualität. Der 
Bedarf und die Gier nach Leistungsdaten, um sich darzustellen oder 
Verteilungsfragen entscheiden zu können. Das ist so wahnsinnig verlockend für 
die Politik und die Verwaltungen, wie soll man dagegen ankommen.

Und wenn man darüber nachdenkt, was das wirklich! kostet, bekommt man so ein 
schreckliches Gefühl als Bibliothekar, der sich immer noch öffentlich 
verpflichtet fühlt. Ich glaube, dass nur die Wissenschaftler diejenigen sind, 
die die Spirale zurückdrehen können. Es muss endlich nicht mehr alles 
statistisch so schön aussehen, damit das aufhört und es muss wirklich 
Leidensdruck entstehen, nämlich die Erkenntnis, dass einem so das freie 
Publizieren entzogen wird und der Zugang zu Information.

 
Wäre toll, wenn diese Entwicklung möglicherweise tatsächlich beginnt... 

Annette Kustos, M.A., M.A.-LIS
Leitung Hochschulbibliothek
Hochschule für Gesundheit
University of Applied Sciences
Universitätsstraße 105
44789 Bochum
Tel: +49 (0)234/77727-150
Mobil: 
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-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx 
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von Walther Umstaetter
Gesendet: Freitag, 27. Januar 2012 17:36
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib] Mobilmachung gegen Elsevier?

Ich hätte den Aufruf der amerikanischen Kollegen gern mit unterschrieben
und dann auch mitgeteilt: "won't publish, won't referee, won't do
editorial work", doch leider hat mich von Elsevier niemand zu solchen
Tätigkeiten aufgefordert ;-)

Vor langer Zeit habe ich veröffentlicht, dass eine Universitätsbibliothek
kaum anders kann, als die Zeitschriften des SCI von oben runter zu kaufen,
damit ihre Benutzer international mit diskutieren können. ( Umstätter, W.
und Rehm, M.: Entscheidungshilfen für Bibliotheken zum Kauf medizinischer
Zeitschriften. DFW 29 (5) S.123-125 1981)
Das hat sich geändert.
Im Gegenteil:
1.  Ist es langsam notwendig, dass Bibliotheken aus ihrer Fachkenntnis
heraus ihren Nutzern klar machen, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis bei
etlichen Zeitschriften einfach nicht mehr gegeben ist, und dass auch
Bibliotheken nicht das Recht haben, Geld zum Fenster hinauszuwerfen.
2. Viele Länder kauften früher, wenn sie nicht genug Geld hatten um alle
wissenschaftlichen Zeitschriften in ausreichender Zahl anzubieten, diese
möglichst nur einmal (z.B. für die Nationalbibliothek), um ihre Inhalte
dann in einer Dokumentation allen Fachleuten, für die die darin
enthaltenen Beiträge wichtig sind, bekannt zu machen. Das wohl größte
System war hier wohl VINITI der Sowjetunion.
3. Davor war Deutschland mit seinen Referateblättern einst führend, in
denen Fachleute Aufsätze kritisch lasen und ihre Kollegen auf neue
Erkenntnisse und auf Fehler aufmerksam machten (Zahlreiche Spezialisten,
nicht Peer Reviere). Auch der Weinbergreport (1963) empfahl dazu extra
wissenschaftliche Reviere zu beschäftigen.
4. Dem unsinnigen Glauben, dass teure, viel zitierte, peer reviewte
Zeitschriften in der Qualität besser seien, als unzählige andere Quellen
(u.a. open access) muss wissenschaftlich begründet endlich Einhalt geboten
werden.
5. Dieser Glaube ist in den letzten Jahren nicht zuletzt dadurch genährt
worden, dass man bei Berufungen, Projektvergaben, etc. nicht nur die Zahl
der Publikationen, sondern auch die Zitationen bzw. Impact Factors als
Qualitätsmerkmal heranzog. Da kann ich Frau Kustos nur zustimmen. Zu viele
Laien haben inzwischen vom SCI gehört, aber das eigentliche Prinzip nicht
verstanden.
6. Sicher muss man Fehler bei sehr bekannten Arbeiten rascher und
umfassender aufdecken, bevor sie zu viel Schaden anrichten. Aber das ist
kein Qualitätsmerkmal - nicht einmal dann, wenn Garfield nachweisen
konnte, dass Nobelpreisträger überdurchschnittlich oft zitiert werden.
7. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung, werden gute Aufsätze im laufe
der Zeit nicht immer mehr zitiert, sondern meist von Anfang an viel oder
wenig, je nach Halbwertszeit. Schon allein das zeigt, dass sich hier nicht
die Qualität langsam durchsetzt.
8. Information ist also keine Ware wie jede andere, bei der Qualität ihren
Preis hat, sondern eher umgekehrt. Die größten Paradoxien, Fehler oder
Widersprüche brauchen die meisten Leser, schon allein um sie zu
falsifizieren. (Wenn das nicht ausreichend gut gelingt, kommen manchmal
Nobelpreise zustande)
9. Nicht nur in der BILD-Zeitung, auch in der Wissenschaft, wird leicht
bekömmliches öfter konsumiert. Durch das Internet hat aber inzwischen
sogar die BILD-Zeitung in den letzten 7 Jahren eine Million Leser
verloren. Darum kämpft sie nun (ebenso) wie Elsevier besonders hart, gegen
ihren Untergang. Wobei es sich Elsevier noch immer leisten kann, vom
Copyright geschützt, seit Jahrzehnten mehr Geld zu verlangen.

MfG

W. Umstätter

Lieber Herr Ullmer,
.. aber Sie meinten wahrscheinlich die Verhandlungsgebaren. In der Tat, so
etwas zu formulieren, das hört sich gut an. Könnte man so etwas wirklich
zum Beispiel in einen Bibliotheksentwicklungsplan setzen? Erinnert mich an
den Ausschluss bestimmter "Erwerbungsformen" im Museumsbereich.
Ich fürchte der Konsens mit Wissenschaft und Politik fehlt. Wenn es die
Systeme, die mit Impact-Faktoren über die entspr. Zeitschriften
Forschungsleistungen nachweisen, schon in die Standards der
Mittelverteilung geschafft haben, Hochschulen ihre Bibliotheken dafür
einsetzen, solche Zahlen zu ermitteln, dann naja..manchen Bibliotheken
gefällt das ja sogar. Schwierige Sache.
Gruß
Annette Kustos, M.A., M.A.-LIS
Leitung Hochschulbibliothek
Hochschule für Gesundheit
University of Applied Sciences
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-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von Annette Kustos
Gesendet: Freitag, 27. Januar 2012 16:39
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib] Mobilmachung gegen Elsevier?

Liebe Liste,
<--
Oh!
Bibliotheken haben keine Regeln für eine Ausrichtung von Erwerbung an den
Bedarf der Wissenschaft? Keine Kenntnis über Publikationsaufkommen,
Abbildung im Bestand, kurz- und langfristigen Bedarf der Nutzerschaft?
Keine Konzepte zu Gebrauchs- und Archivanforderungen. Und wissen nix über
den sinnvollen Einsatz verschiedener Medienformen NEIN??? Keine so
bedachten Etats? Hm, das ist mir neu #regeln
-->
Schönes Wochenende



Annette Kustos, M.A., M.A.-LIS
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-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von Matthias Ulmer
Gesendet: Freitag, 27. Januar 2012 16:09
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib] Mobilmachung gegen Elsevier?

Es wäre schön, wenn das etwas bringt. Der effizientere Weg wäre natürlich
gewesen, wenn die Bibliothekare sich Regeln geben würden, nach denen
bestimmte Geschäftsgebaren zum Ausschluss bei Erwerbungslisten führen. Mit
einer solchen Regel hätte man sich auch gegen Wissenschaftler verteidigen
können, die Druck auf die Bibliothekare ausüben, die Zeitschriften
trortzdem zu erwerben. Eine Nicht-Präsenz an deutschen
Universitätsbibliotheken über zwei oder drei Jahre hätte  vermutlich einen
stärkeren Effekt auuf das Publikationsverhalten der Wissenschaftler als
eine Selbstverpflichtung, die wohl nie diejenigen unterschrieben, die in
ihrer Karriere aktuell gerade auf diese Plattformen angewiesen sind.
Schön, dass Prominente dabei sind. Aber zweifelhaft, dass jenseits des für
Elsevier unangenehmen ästhetischen Effekts hier eine Verhaltensändeurng zu
erwarten ist. Für den Unternehmensgewinn stecken die Aktionäre schon auch
ein paar Schläge ein.

Gruss
Matthias Ulmer






Am 27.01.2012 um 15:56 schrieb Thomas Krichel:

 Müller, Harald writes

Da beißt sich die Katze in den Schwanz: die Bibliothekare kaufen,
was die Wissenschaftler wollen.

 Das kommt darauf an was als alternative Ausgabemoeglichkeit
 da ist. Wenn man Geld fuer die Zeitung fuer Konferenzkosten
 ausgeben kann, wird kaum ein Wissenschaftler dagegen sein.


 Cheers,

 Thomas Krichel                    http://openlib.org/home/krichel
                                     http://authorprofile.org/pkr1
                                              skype: thomaskrichel

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