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Re: [InetBib] Nur eine Frage der Zeit ...



Es wäre ja merkwürdig, wenn das Verlagswesen nicht versuchte, die Verträge
mit den Bibliotheken auf längere Sicht so zu gestalten, dass die Enduntzer
eine direkte Bindung an die Verlage eingehen, und ihr Geld (im
Zweifelsfalle möglichst viel) direkt bei ihnen abliefern. Wenn man sich an
ADONIS, ARTEMIS, HERMES oder APOLLO
(http://www.ib.hu-berlin.de/~wumsta/pub44.html) im Zusammenhang mit dem
"Document Delivery" vor über zwanzig Jahren erinnert, weiß man, dass schon
damals im europäischen Verlagswesen der Versuch unternommen wurde, die
Bibliotheken auszuboten.

Den Versuch, als Bibliothek auf die gedruckten Medien auszuweichen, kann
ich zwar nachvollziehen, er geht aber für die Bibliotheken eindeutig in
die Sackgasse, in die sie so mancher Verlag schon lange haben möchte. Frei
nach dem Motto, ehrwürdige alte Bibliotheken haben gedruckte Bücher, alles
andere was dringend gebraucht wird vermarkten wir direkt. Als hätte man
das Wort "Digitale Bibliothek" noch nie gehört.

Es geht daher für die Bibliotheken, die betroffenen Politiker und die
Juristen darum, zu erkennen, warum Bibliotheken ein unverzichtbarer
Bildungs- und Machtfaktor in jedem Land dieser Welt sind. Jeder der heute
in eine Buchhandlung geht, kann selbst sehen, wie viel Schund dort unter
dem Deckmantel der Bildung verkauft wird, nur "um Gewinne zu
erwirtschaften". Das ist einer Buchhandlung zwar nicht zu verdenken, aber
was da an volkswirtschaftlichen Unkosten durch vergeudete Zeit und durch
Irreführung ganzer Bevölkerungsschichten entsteht (die weit höher sind als
das Geld für den Erwerb von Schund - so hieß das früher ;-), ist
unglaublich.

Glücklichweise lesen die meisten Menschen weit weniger als sie gern
behaupten, denn rechnet man 10 €/h und 10 h/Buch, dann sind 100 € futsch
pro Krimi, Arzt-, Liebes- oder Horror-Roman. Das mag für manchen Hartz
IV-Empfänger die Rettung sein. Zielführend ist es sicher nicht, Menschen
so ruhig stellen zu wollen. Im Gegenteil, immer mehr suchen sich die
passende linke oder rechte Revolutionsliteratur.

Diese soziale Schieflage zu minimieren war Ziel der Bücherhallenbewegung
einerseits und der Preußischen Reformen andererseits, und für die USA
wurde es der viel gepriesene American Way of Life, den A. Carnegie
auslöste.

MfG

W. Umstätter


Guten Morgen,
in dem Zusammenhang sei auf die langsam eindringende Praxis hingewiesen,
im E-Book-Bereich auf Nutzungsgebühren mit Grundgebühren und
Zugriffskosten umzustellen. Wenn der Preis dann stimmen würde, wären im
Lehrbuchbereich ergänzende Zugriffsrechte durchaus eine Alternative zu
Geschäftsgängen für Lehrbücher, die man ja einarbeiten, bewirtschaften und
wieder deaquirieren muss. Das kombiniert mit einer regelmäßigen
Aktualisierung der Werke und Lizenzaktualisierung ohne Aufwand sowie
elektronischen Mehrwerten könnte die Versorgung sehr gut ergänzen.
Allerdings würden Bibliotheken den Nutzern trotzdem weiterhin vollständige
gedruckte Exemplare bieten wollen. Wenn man sich jedoch die
Preisgestaltung anschaut, kommt das Grausen. Es besteht kein Unterschied
zum Kauf und das ist nicht nur unverschämt sondern aus meiner Sicht schon
fast haushaltsverstoßerisch. Da sehe ich kein Zukunftsmodell.
Ich kaufe bei Grundlagenwerken also dann lieber ein gedrucktes
Nachschlagewerk, als ein teueres PDF, das nicht aktualisiert wird, den
Datenbankcharakter im eigentlichen Sinne also auch nicht hat.
Bei Forschungsliteratur finde ich das Problem äußerst schwierig. Hier muss
sich "Bestand" bilden und in einem solchen Kontext wird das Bibliotheken
unmöglich gemacht.
Ein schönes Wochenende.

Annette Kustos, M.A., M.A.-LIS
Leitung Hochschulbibliothek
Hochschule für Gesundheit
University of Applied Sciences
Universitätsstraße 105
44789 Bochum
Tel: +49 (0)234/77727-150
Mobil:
E-Mail: annette.kustos@xxxxxxxxxxxxxxxx
Web: www.hs-gesundheit.de

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-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von Delin, Peter
Gesendet: Donnerstag, 17. November 2011 18:23
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib] Nur eine Frage der Zeit ...

Wenn die Lizenz erloschen ist, bleibt der iPad dunkel und der Arm erlahmt.

Ein einzelnes Buch oder eine Zeitungsausgabe (auch in digitaler Form) zu
"kaufen" und zu lesen ist nicht dasselbe wie eine Bibliothek zu
benutzen. Ihr Vergleich hinkt also. Die digitale Nutzung eines einzelnen
Mediums gegen den Betrieb und das umfassende Angebot einer Bibliothek
aus gekauften "Werkstücken" (oder meinetwegen auch "gekaufter" digitaler
"Werkstücke", es gibt sie ja, aber wohl meist ohne Verbreitungsrecht)
ins Feld zu führen, negiert das Potential von Bibliotheken. Stattdessen
würde die öffentliche Hand für jede Nutzung permanent an die Urheber
zahlen.

Das Modell von Onleihe beinhaltet ja immerhin den Kauf der Files. Eine
Bibliothek könnte sich also alle ihre gekauften Files herunterladen
lassen und nach den beim Kauf vereinbarten Rechten selbst vertreiben,
wenn die Firma aus irgendeinem Grund aufgegeben werden sollte.

Inbesitznahme ist die Basis der Bibliothek. Sonst kann sie ihre Funktion
nicht erfüllen. Einen gleichwertigen, finanzierbaren Ersatz dafür im
virtuellen Bereich sehe ich nicht.

In diesem Zusammenhang würde ich mir wünschen, dass nicht immer nur
Rechtefreies digitalisiert wird, sondern nun einmal am anderen Ende
begonnen wird, bei den aktuellen Kaufmedien und ihrer Digitalisierung
nach §52b UrhG. Dort ist der Bedarf groß. Die Infrastruktur dafür ist
teuer (wenn man nicht kooperiert), aber die Digitalisate sind umsonst
(abgesehen von der zu zahlenden Tantieme).

Selbstverständlich bliebe auch hier der eigene iPad dunkel, aber das
Potential wäre dennoch groß, da der gesamte Fundus als Volltextkorpus
recherchierbar gemacht werden könnte. Für audiovisuelle Medien wäre das
Potential noch größer, da an qualitativ hochwertigen Einzelseh- und
-hörplätzen in der Bibliothek der unmittelbare Genuss der Werke möglich
wäre - in freier Auswahl aus dem kompletten Bestand.

Schöne Grüße
Peter Delin
http://tinyurl.com/d8t2h5m


Walther Umstaetter schrieb:
Das Modell von Overdrive oder Onleihe hier bei uns scheint mir gewollt
umständlich. Wieso muss das noch über Bibliotheken laufen? Gehandelt zu
  werden brauchen doch bald nur noch "Zugänge", bzw. Lizenzen. Die
Files
liegen irgendwo und eine Agentur wie Overdrive kauft die Lizenz für den
Zugriff, lizenziert ihn weiter und schaltet auf dem fremden Server
frei.
Hier würden doch "Betreuungsgutscheine" à la von der Leyen, bzw.
Bildungsgutscheine genügen, die jeder Interessierte aus Steuergeldern
erhält. Die teuren Bibliotheken mit ihrer dreidimensionalen
Infrastruktur könnte man einsparen und dafür noch mehr
Bildungsgutscheine für Ebooks verteilen oder man schließt gleich eine
Nationallizenz ab (analog zur Bibliothekstantieme).

Schöne Grüße
Peter Delin
http://tinyurl.com/d8t2h5m

Danke für den Hinweis. Darum versuchte ich schon am 28.7.11 auf die
Gefahr
aufmerksam zu machen, dass in dem Moment, in dem die elektronische
Ausleihe eines E-Books billiger ist, als die Ausleihe des
entsprechenden Buches aus der herkömmlichen Bibliothek, die Politik es
schwer haben wird, zu erklären, warum es noch Bibliotheken mit
einer teureren Ausleihe gibt. Wenn wir der Politik da keine gute
Erklärung
an die Hand geben können, wird es in vielen Bibliotheksgebäuden dunkel.

Seit dem Amazon mehr Digital- als Papierbücher verkauft (
http://latimesblogs.latimes.com/technology/2011/05/amazon-says-it-now-sells-more-kindle-ebooks-than-print-books.html
) und die Zahl der E-Books, die auf den iPads, Slates, PCs etc. lesbar
sind, immer weiter steigt, stehen die Bibliothekare schon wieder vor
einer
neuen Revolution.

Die Digitale Bibliothek hat mit der Digitalisierung von Bibliografien
1963
begonnen. Nun erreicht die Digitalsierung der Volltexte bzw.
Multimediadokumente ein nicht mehr zu ignorierenden Umfang.

Wer die Vorteile kennengelernt hat, seine Tageszeitung auf dem iPAD zu
lesen, wird darüber nicht mehr viel diskutieren. (Nur als Tipp. Man lese
als Dialysepatient die Tageszeitung mit nur einer Hand, weil die andere
vier Stunden fixiert ist. Es kann auch mal ein gebrochener Arm etc. sein
;-).

MfG

W. Umstätter



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