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Verfügbarkeit "älterer" Datenbanken / bisher: Re: [InetBib] "Eckenknick ...
- Date: Thu, 14 Jul 2011 20:26:48 +0200
- From: Dietrich Pannier <dietrich.pannier@xxxxxx>
- Subject: Verfügbarkeit "älterer" Datenbanken / bisher: Re: [InetBib] "Eckenknick ...
Am 14.07.2011 16:15, schrieb Juergen Fenn:
Wenn ich es richtig verstanden habe, kann das bei den Datenbanken, für
die Nationallizenzen vereinbart worden sind, nicht mehr geschehen,
weil dort ein zeitlich unbegrenztes Nutzungsrecht geschuldet ist, das
auch die Backfiles für die Langzeitarchivierung mit einbezieht, was
der Anschaffung eines gedruckten Buchs entspricht. Wenn aber
Datenbanken wie Juris oder Springer über eine Flatrate abgerechnet
werden, besteht nur ein Recht auf den Zugriff auf den jeweiligen
Bestand der Datenbank. Auf der letzten Buchmesse konnte man mir bei
Springerlink nicht sicher Auskunft darüber geben, ob von einem
Lehrbuch, das dort im Bestand sich befindet, auch zukünftig alle
früheren Auflagen weiterhin abrufbar sein werden. Es ist ein Problem,
das wohl in der Wahrnehmung allgemein vernachlässigt wird, weil sich
das Augenmerk immer mehr auf die Gegenwart verschiebt, so dass das
historische Interesse verdrängt wird, das aber für die
wissenschaftliche Arbeit weiterhin von großer Bedeutung ist. Viele
Grüße, Jürgen Fenn.
Sehr geehrter Herr Fenn,
Ihr Anliegen ist berechtigt, Ihre Annahme betr. die Nationallizenzen
etwas optimistisch, die Bibliotheken sind zumeist ohnmächtig.
Ein Blick zurück: Bereits früher gab es keinerlei Verpflichtung der
Verlage zur Führung eines hauseigenen Verlagsarchivs. Das wurde quasi
elegant über das ansonsten von vielen Seiten bekämpfte
Pflichtexemplarrecht geregelt. Der schwarze Peter lag also zumindest bei
den entsprechenden Landesbibliotheken und der Deutschen Bibliothek bzw.
nun der Nationalbibliothek.
Wenn also am Ort des Benutzers kein Exemplar verfügbar war, hatte er
sich an den Ort der Verfügbarkeit, die Städte der genannten Bibliotheken
zu begeben. Das war hinderlich, aber nicht unüberwindlich (hat wohl auch
Abschreiben schwieriger gemacht).
Ein Blick auf heute, was hat sich geändert? Es gibt auch derzeit
keinerlei Verpflichtung der Verlage zur Führung eines hauseigenen
Verlagsarchivs, egal ob Druckwerk, CD-ROM oder Online-Dienst. Früher
hatte jede Bibliothek ein Regal, in der stand das Buch und jeder mit
wachen Augen konnte es nutzen, auch nach Jahrzehnten und Jahrhunderten.
Wenn die Altauflage heute z.B. auf einer CD-ROM der "frühen Jahre"
gespeichert ist, gibt es bereits heftige Probleme. Es gibt wohl kaum
Normal-Bibliotheken mit einem angegliederten technischem Museum mit
lauffähiger Hard- und Software unter Windows 98? Das Buch brauchte man
nicht umschreiben, die CD-ROM müsste jemand konvertieren, die passende
Retrieval-Software natürlich gleich mit. Dafür fehlt allenthalben das
Personal, das Geld, die Zeit, das know-how. Solche Dinge werden darum
nur an wenigen Orten stattfinden und das Ergebnis vermutlich nicht
überall online zur Verfügung stehen.
Nur weil Inhalte einer Nationallizenz laut Vertrag zeitlich unbegrenzt
geschuldet sind, garantiert dies noch nicht ist das technische wie
wirtschaftliche Überleben des entsprechenden Serverbetreibers/Verlages.
Den Verlagen wird wie der Pharmaindustrie überhöhtes Gewinnstreben
vorgeworfen. Warum sollte ein Verlag eine unwirtschaftlich gewordene
Datenbank weiter betreiben? Die teure Arzneimittelforschung erfolgt nur
in der Aussicht, die nicht unerheblichen Entwicklungskosten auch
innerhalb des Patentschutzzeitraums wieder zu erwirtschaften. Nicht dass
ich ein Freund überhöhter Preise bin, aber bislang hat uns eher ein
wirtschaftlicher Anreiz weiter gebracht als ein sozialistischer Ansatz,
in dem allen alles gehört, aber kaum einer sich verantwortlich und
wirtschaftlich einbringt.
Wer wird die aus der Liquidation geretteten und geschuldeten Backfiles
lesen und auf welchen Servern mit der passenden Software verfügbar
machen können? Mit Sicherheit nicht die "Normal-Bibliothek", für den
Betrieb unterschiedlicher Datenbanken mit unterschiedlichen (vielleicht
Hard- , mit Sicherheit aber) Softwareanforderungen kommen wieder nur
"unsere Größten" in Frage. Dass diese über unbegrenzte Ressourcen für
solch eine Zukunftsaufgabe verfügen, darf man bei der heutigen
Kulturpolitik in Frage stellen.
Mit dem Verlag C.H.Beck haben die juristischen Bibliotheken vor knapp
zwei Jahren um die damals permanent wechselnden Links in beck-online zu
den Auflagenwerken gerungen, die einen ungeheuren Aktualisierungsaufwand
bei den Bibliotheken bzw. Verbünden verursachten. Der Verlag hat dies
inzwischen eingesehen und seine Praxis geändert. Im Verhältnis zu der
von Ihnen angerissenen Gesamtaufgabe ist dies nur ein unwesentlicher
Nebenaspekt und es bleibt Aufgabe der Bibliothekare auf allen Ebenen,
die Unterhaltsträger, die Politik permanent mit dem drohenden
kollektiven Wissensverlust zu konfrontieren.
Dietrich Pannier
--
http://www.inetbib.de
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.