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Re: [InetBib] Bibliothek blockiert Wikileaks



Lieber Herr Gross,

Sie haben schon recht, eine solche über 200 Jahre alte Bibliothek 
verliert ihr Renomée nicht durch eine solche Fehlentscheidung. Solche 
Bibliotheken stehen immer auch über den Zeitläuften. Es ist das leitende 
  Personal, das in dieser Sache versagt hat, hier also James Billington. 
Er sollte sich öffentlich dafür entschuldigen, dass er vor der 
Staatsmacht eingeknickt ist.

Was macht die LoC eigentlich, wenn ein Kongressabgeordneter von seiner 
Bibliothek Recherchen im Material von Wikileaks für eine spezielle 
politische Frage erbittet. Gehen die Mitarbeiter der Bibliothek dann in 
das nächste Internetcafe um die Ecke oder beantragt James Billington 
eine Ausnahmegenehmigung im Weißen Haus?

Weltweit wird das Material von Wikileaks diskutiert, aber das Publikum 
der zweitgrößten Bibliothek der Welt soll keinen Zugang dazu haben? Auch 
wenn das Material illegal veröffentlich wurde, es ist in der Welt und 
jede(r) muss sich eine Meinung in dieser Diskussion bilden können, die 
rund um den Globus stattfindet. Die Globalisierung vewandelt die Welt in 
ein Dorf, Supermächte machen Weltpoltik und Wikileaks trägt dazu bei, 
dazu eine passende globale Öffentlichkeit zu schaffen - m. E. ein 
Beitrag zur Gewaltenteilung. Heiliger Graf Montesquieu!

Am Eingang der Bibliothek, in der ich hier sitze, ist folgendes Zitat 
angebracht. "Die Gründung beruht auf der unbegrenzten Freiheit des 
menschlichen Geistes. Denn hier scheuen wir uns nicht, der Wahrheit auf 
allen [!] Wegen zu folgen und selbst den Irrtum zu dulden, solange 
Vernunft ihn frei und unbehindert bekämpfen kann."  (Thomas Jefferson, 
dritter Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika in einem Brief an 
seinen Freund William Roscoe in Liverpool.Die Briefstelle bezieht sich 
auf die Gründung der Universität von Charlottesville, Virginia) 
Jeffersons Privatbibliothek bildete übrigens der Grundstein für die LoC.

Der Internetzugang in unserer Bibliothek ist ab 18 Jahren frei und 
ungefiltert, auch für die Einsicht in illegal publiziertes Material. 
Sollen wir stattdessen das ganze Web zunächst nach Geheim 
klassifizierten Dokumenten durchsuchen, bevor wir den Zugang öffnen? Das 
ist wohl absurd und wird auch von niemandem gefordert.

Eigentlich geht uns diese Sache in den USA ja nichts an. Aber es ist gut 
sich darüber verständigen, wie die eigenen Bibliotheken in einer solchen 
Situation handeln sollten.

Beste Grüße
Peter Delin

Volker Gross schrieb:
so schnell verliert sich also das Renomée...

So kritisch es scheinen mag, dass die Library of Congress den Zugang zu
Wikileaks blockiert, ist sie doch an die geltenden Gesetze gebunden und das
Argument, dass als Geheim klassifizerte Dokumente nicht durch ihre
unautorisierte Verbreitung öffentlich werden. Die Rechnung, die nur das
Entweder-Oder von Nationaler Sicherheit und Informationsfreiheit kennt geht
nicht auf.
Die Frage nach Zensur, die in diesem Zusammenhang aufgeworfen wurde, sollte
in ihrer moralischen Selbstherrlichkeit zugleich in Erwägung ziehen, dass
die Veröffentlichungspraxis von Wikileaks durchaus auch eine akute
Gefährdung für Unschuldige bspw. im Irak bedeutet hat.


Am 10. Dezember 2010 14:12 schrieb Delin, Peter <delin@xxxxxx>:

aus dem Library Journal:

http://www.libraryjournal.com/lj/communityacademiclibraries/888367-419/library_of_congress_blocks_wikileaks.html.csp

... also nichts mit dem neuen Journalismus von Julian Assange (erst die
Kommentare in der Zeitung lesen und dann die Quellen selbst studieren) -
jedenfalls nicht in der einstmals so renommierten Library of Congress.

Beste Grüße
Peter Delin

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