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Re: [InetBib] FAZ.NET (Roland Reuß) zur Open-Access-Anhörung
Liebe List,
wenn ich lese, dass das "Bundesjustizministerium noch Bedenken in Hinblick
auf eine internationale Durchsetzbarkeit eines möglichen deutschen
Zweitveröffentlichungsrechts hat", kann ich mich nur wundern. Ich dachte
diese Diskussion hätten wir in den USA und anderen Ländern schon vor
Jahren hinter uns gebracht.
Insofern ist es wahrscheinlich sogar richtig, wenn ich ebenso lese: ?USA
sind nicht Deutschland: Zeitungsmärkte im Vergleich
(http://www.xtranews.de/2010/05/10/usa-sind-nicht-deutschland-zeitungsmaerkte-im-vergleich/).
Das bedeutet aber doch nur, dass wir in diesem Bereich den USA noch immer
10-20 Jahre hinterher hinken. Das war schon seit dem Beginn des Online
Zeitalters so.
Wenn ich ebenso wiederholt höre (u.a. auch von Barbara Kalumenos) ?Es ist
nicht richtig zu sagen, nach sechs Monaten wird nicht mehr genutzt, bei
Life Sciences ist das so, aber in der Mathematik sind es drei Jahre.(
http://irights.info/blog/arbeit2.0/2010/07/13/anhorung-des-bmj-zum-3-korb-der-urheberrechtsnovelle-open-access/)
dann ist dies eine unhaltbare Behauptung, auch in den Life Sciences.
Natürlich kann kein vernünftiger Mensch ?sagen, nach sechs Monaten wird
nicht mehr genutzt? Dahinter steht doch die alte Erkenntnis der
Halbwertszeit zitierter und gelesener Literatur, die besagt, dass etwa 50%
der zitierten und auch gelesenen Literatur aus den letzten 5 Jahren
stammt. Die andere hälfte aus allen vorherigen Jahrhunderten. Etwas anders
ist es mit der Durchsicht neuster Erkenntnisse. Hier beträgt die
Halbwertzeit ~0,4 Jahre = 5 Monate.
(http://www.ib.hu-berlin.de/~wumsta/pub18.html) Wenn es wahr wäre, was so
oft fälschlich wiederholt wird, dass die Geisteswissenschaften oder auch
die Mathematik (s.o.) eine langlebigere Literatur aufweisen soll, so würde
das bedeuten, dass diese Disziplinen weit geringere Erwerbungsetats
brauchen, denn der Kanon an alten zu lesenden Werken würde ja langsamer
unwichtig als in den Naturwissenschaften. Außerdem glaube ich nicht, dass
man behaupten kann, dass Geisteswissenschaften einen geringeren geistigen
Fortschritt haben als die Naturwissenschaften, zumal sie sich in der
allgegenwärtigen Interdisziplinarität (s. Bradford?s Law of Scattering)
ebenso mit den neusten Probleme in dieser Welt auseinandersetzen müssen.
Wer in der Wissenschaft vorne mitspielen will (und nur die ersten Zählen
bei Patent- und Urheberrechten) der brauch die neuste Literatur und das
Zweitveröffentlichungsrecht kann nur als Minderung der Härte (das Geld für
die neusten Publikationen nicht zu haben) gewertet werden. Außerdem gibt
man all den Publikationen eine Chance, die in ihrer Bedeutung auf Anhieb
nicht erkannt worden sind.
Hinzu kommt, dass man damit die Wissenschaftler neben dem bekannten
publish-or-parish noch zusätzlich unter Konkurrenzdruck setzt. So lange
nur eine keine Gruppe an Reichen die neuste Literatur erhält, kann auch
nur diese daraus Gewinn ziehen.
International gesehen, wäre es also töricht Deutschland hier abzukoppeln.
Außerdem würde ein Zweitveröffentlichungsrecht die Leistungen deutscher
Wissenschaft nach der Embargozeit sichtbarer machen.
MfG
W. Umstätter
P.S. Nach meinen Beobachtungen gilt die Halbwertszeit von 5 Jahren sogar
für Belletristik in Öfentlichen Bibliotheken (Öffentliche Bibliotheken und
ihre Nutzung. ABI-Technik 6 (1) S.1-12 (1986)
Lieber Herr Kuhlen,
stimmt! Entschuldigung, die eine (wichtige) Erwähnung hatte ich gerade
nicht mehr auf dem Schirm.
Zur Wissenschaftsschranke: Der Bibliotheksverband hofft (gemeinsam mit
Urheberrechtsbündnis und Allianz der Wissenschaftsorganisationen) auf
einen zusätzlichen Anhörungstermin mit Schwerpunkt auf den Bedürfnissen
von Wissenschaft und Forschung. Da würde die Wissenschaftsschranke
sicher die wichtige Rolle spielen, die das Thema eigentlich verlangt.
Grüße, Arne Upmeier
Rainer Kuhlen schrieb:
allerdings hat es einen Hinweis von mir auf den Vorschlag einer
allgemeinen Wissenschaftsschranke gegeben.
RK
Am 21.07.2010 15:40, schrieb Arne Upmeier:
Liebe Liste,
als jemand, der bei den Anhörungen zugegen war - Herrn Reuß habe ich
allerdings nicht dort gesehen - ein paar Klarstellungen:
Die "allgemeine Wissenschaftschranke", die u.a. DFG,
Hochschulrektorenkonferenz, Max-Planck-Gesellschaft,
Helmholtz-Gemeinschaft, Leopoldina, Humboldt-Stiftung, DAAD,
Leibniz-Gemeinschaft, Fraunhofer-Gesellschaft, Wissenschaftsrat und
eben
auch der Bibliotheksverband befürworten, hat in der Anhörung (noch)
keine Rolle gespielt. Sie wurde nicht einmal erwähnt.
Ernsthaft diskutiert wurde ein verbindliches
Zweitveröffentlichungsrecht. Hier überwogen die befürwortenden Stimmen
nach meiner subjektiven Wahrnehmung deutlich und die von Roland Reuß
erwähnte Presseerklärung der Abgeordneten Schipanski und Kretschmer ist
auch vor diesem Hintergrund zu verstehen ( http://tinyurl.com/36kw9ft
).
Es gibt im Bundesjustizministerium jedoch noch Bedenken in Hinblick auf
eine internationale Durchsetzbarkeit eines möglichen deutschen
Zweitveröffentlichungsrechts.
Der DBV ist bei allen Anhörungen zum Dritten Korb sehr aktiv beteiligt.
Ich bitte jedoch um Verständnis (und Vertrauen), dass wir die laufenden
Gespräche mit allem Hin- und Her nicht ständig kommentieren können.
Bisher spielten Fragen zum Zugang zu wissenschaftlichen Informationen
leider nur eine untergeordnete Rolle. Für Rückfragen stehe ich gerne
zur
Verfügung.
Sommergrüße,
Arne Upmeier
Kathi Woitas schrieb:
-ohne Worte-
http://u.nu/4r9md
"Früh hatte sich in der Anhörung abgezeichnet, dass die verfassungs-
und
wirklichkeitsfremden Wünsche der ?Allianz der deutschen
Wissenschaftsorganisationen? und des Deutschen Bibliotheksverbands
nach
Einführung einer allgemeinen Wissenschaftsschranke keine Chance haben
werden. Diese Schranke hätte wissenschaftliche Autoren zentraler
Rechte
ihrer Urheberschaft beraubt. Nun konzentriert man sich auf das
Vorführen
eines Taschenspielertricks."
usw. usf....
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