Man kann die OA-Abstinenz der deutschen bibliothekarischen Zeitschriften
bedauerlich finden, vor allem aus Sicht der zahlreichen
One-Person-Libraries, die seitens der bibliothekarischen
Fachöffentlichkeit unter den Auspizien von Kollaboration und
Partizipation eine bessere Informationsversorgung verdient hätten und
die von OA in der Tat profitieren würden, aber ändern wird sich nur
etwas, wenn die Betroffenen selbst dies fordern und eine entsprechende
Diskussion in den Verbänden in Gang bringen. Wobei die OPLs und
Spezialbibliotheken natürlich auch längst eigene, alle Möglichkeiten der
Kommunikation über das Web und Mailinglisten und die gegenseitige
Vernetzung einbeziehende Strategien gefunden haben, um auch diesem
speziellen Problem zu begegnen.
Im übrigen ist es mit der Wissenschaftlichkeit des Bibliothekswesens ja
nicht soweit her. Bibliothekare werden auch nicht vom Steuerzahler
bezahlt, um wissenschaftlich zu veröffentlichen.
Deswegen sind mir solche Bibliothekare, die guten Wein predigen, aber
selbst nur mit Wasser kochen, immer noch lieber als solche, die das gar
nicht interessiert und die nichts tun. Wichtiger ist auch, wie
glaubwürdig der Prediger ist, sondern dass es nicht bei Predigten bleibt
und die Wissenschaftler bei der Open Access Publikation aktiv
unterstützt werden. Wer von den deutschen Bibliothekaren predigt denn
überhaupt Open Access, wer würde denn überhaupt ernst genommen, wenn er
es täte? Der einzige Open Access Prediger, den ich kenne, ist der selbst
ernannte Open Access Evangelist Stevan Harnad, und der ist kein
Bibliothekar, sondern Kognitionswissenschaftler.
Ehrlich gesagt interessieren sich die Wissenschaftler an unseren
Universitäten, wenn es nicht gerade Informationswissenschaftler sind
(und auch die nur in begrenztem Umfang) herzlich wenig für die
Publikationen der Bibliothekare - denen ist mehr damit geholfen, wenn
ihre eigenen Publikationen möglichst gut sichtbar sind und im Gegenzug
die Publikationen der Wissenschaftler an anderen Universitäten und aus
öffentlichen Mitteln geförderten Forschungseinrichtungen, und wenn die
Bibliotheken alle Möglichkeiten nutzen, die Public Domain mit digitalen
Versionen wissenschaftlicher Publikationen zu bereichern. Defizite auf
diesem Gebiet werden zurecht kritisiert. Ich kann aber nicht erkennen,
wieso das Engagement von Bibliothekaren in Sachen Open Access Heuchelei
sein soll, nur weil ihre eigenen Fachzeitschriften nicht Open Access
sind. Es geht nicht darum, Moral zu predigen, sondern darum, eine
verbesserte Informationsversorgung für die Wissenschaft zu erreichen.
Für mich hat die Servicefunktion für die Wissenschaft erste Priorität,
die Informationsversorgung der eigenen Klientel muss demgegenüber
zweitrangig sein.
Im übrigen empfehle ich nachdrücklich zur Lektüre den kritischen Aufsatz
von Ulrich Herb, Open Access - Ein Wundermittel? Wissenschaft,
Gesellschaft, Demokratie, Digital Divide? basierend auf einem Vortrag
auf dem Leipziger Bibliothekskongress "Information und Ethik" 2007. URL:
http://scidok.sulb.uni-saarland.de/volltexte/2008/1420/pdf/bid_herb_fertig.pdf
Bernd-Christoph Kämper, UB Stuttgart
Klaus Graf schrieb:
On Sun, 27 Jun 2010 19:19:37 +0200
Lars Minat <lars.minat@xxxxxxxxxxxxxx> wrote:
Und was haben die Bibliothekare damit zu tun?
Ich sehe da keine Heuchelei.
Lars Minat
Man kann sich auch dumm stellen. Selbstverstaendlich
muessten Bibliothekare, die sich nach außen als
Open-Access-Advokaten geben, ihre eigenen Publikationen in
der ZfBB umgehend als "final draft" in einem Repositorium
Open Access einstellen. Tun sie das nicht, obwohl sie es
anderen Wissenschaftlern predigen, sind sie nichts weiter
als Heuchler, die sich nicht an ihre eigenen Forderungen
halten.
Klaus Graf