Lieber Herr Müller, liebe Liste,
dass der Leitfaden von Herrn Kreutzer sehr verdienstvoll ist, sehe ich auch
so und habe das bereits VOR dieser Diskussion auf meinem Blog geschrieben:
http://www.bibliotheksrecht.de/2010/05/19/leitfaden-137l-urhg-8624966/
Das Problem, das Herrn Graf erregt und nicht wenige Bibliothekare verwirrt,
liegt in der gängigen Praxis der Bibliotheken bei der Retrodigitalisierung
insbesondere geisteswissenschaftlicher Aufsätze. Soweit kein schriftlicher
Vertrag vorliegt, geht man entsprechend § 38 UrhG davon aus, dass die Autoren
Bibliotheken Nutzungsrechte für eine Publikation auf einem Repositorium
einräumen können.
Ich möchte für diese Praxis nur auf die Info-Seite von FreiDok verweisen:
http://www.freidok.uni-freiburg.de/doku/sonderdrucke.php
Und juristisch ist klar: Für Aufsätze, die vor 1995 erschienen sind und bei
denen § 38 UrhG zur Anwendung kommt, greift § 137l UrhG nicht.
Das bestreitet auch Herr Kreutzer in seinem Leitfaden nicht. Allerdings geht
er davon aus, dass Autoren stets schriftliche Verträge vorgelegt werden.
Das ist aber, Herr Graf sagt es, Schricker bestätigt es, und ich habe es auch
stets selbst so erlebt, in den Geisteswissenschaften durchgängig nicht
üblich. Bei meinen über 200 Publikationen habe ich lediglich vier Verträge
unterschrieben, bei juristischen Verlagen. Für den Rest gilt § 38 UrhG.
Und bei allen juristischen Details dieses Problems sollten wir die
Kolleginnen und Kollegen nicht weiter verunsichern. Ich schlage daher vor,
die Sache mit den Altverträgen so zu sehen:
- liegt kein schriftlicher Vertrag vor, greift § 38 UrhG und § 137l UrhG
interessiert nicht.
- liegt ein schriftlicher Vertrag vor, geht man bis zum Erweis des Gegenteils
mit Kreutzer von der branchenüblichen Einräumung ausschließlicher Rechte aus,
§ 137l UrhG kommt zur Anwendung.
Ob ein schriftlicher Vertrag vorliegt, ist keine Rechts-, sondern eine
Tatsachenfrage.
Schöne Pfingsten wünscht
Eric Steinhauer
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http://www.inetbib.de