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Re: [InetBib] § 38 und § 137l UrhG



Liebe Liste,

hinter der Frage der Reichweite von 137 l stehe offensichtlich zwei  
unterschiedliche Positionen:

Kann der Verleger über 137l Inhalte digital verfügbar machen? Oder  
kann der Autor über die Rechte frei verfügen und der Verleger nicht.

Dabei sind doch beide Fragestellungen sekundär. Primär sollte es uns  
doch um die Frage gehen, ob und wie diese Inhalte ÜBERHAUPT digital  
verfügbar gemacht werden können. Die ökonomische Bedeutung ist ja bei  
99% der betroffenen Inhalte extrem gering. Es geht also nicht um  
ökonomische Interessen.

Die Serienbrief-Aktionen zum 137 l hatten ja nahezu keine Wirkung,  
was auch in dieser Liste diskutiert wurde.  Es ist eben nicht so,  
dass Autor und Verleger ganz heiß darauf sind, die alten Werke zu  
digitalisieren und verfügbar zu machen, sondern tatsächlich ist der  
Aufwand so groß, dass es niemand tun will. Die Repositorien der Unis  
platzen ja nicht gerade vor retrodigitalisierten Inhalten. Und von  
Verlagsseite sieht es keine Spur anders aus.

Für die Verlagsseite kann ich das erklären: bei allen neuen Werken  
ist es unproblematisch, die Verträge für Text und Bild sehen die  
notwendigen Rechte vor und einer elektronischen Publikation steht  
nichts im Wege.
Bei Neuauflagen älterer Werke ist in der Regel die Digitalisierung  
vor allem im Bereich der Schulbücher, Lehrbücher und Fachbücher durch  
die große Anzahl von Abbildungen unterschiedlichster Bildquellen  
blockiert, die vor zehn oder zwanzig Jahren beschafft wurden aber  
deren nachträgliche Rechteeinholung nicht wirtschaftlich ist.
Dadurch sind etwa bei unseren Neuerscheinungen in 2010  
schätzungsweise 30% nicht als E-Book publizierbar. Und das obwohl  
wir  seit Jahren in sämtlichen Neuverträgen die digitalen Rechte  
eingeschlossen haben und bei allen Neuauflagen mit älteren Verträgen  
die  Rechte nachträglich eingeholt haben. Aber eben nur beim Text.  
Bei Abbildungen ist das nicht machbar.
Bei allen älteren Werken ist die Rechteklärung nahezu ausgeschlossen  
und der Aufwand wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen.

Angesichts dieser Situation erscheint es mir ein eher lächerlicher  
Streit, ob der Verleger einen Aufsatz digital verfügbar machen darf  
oder ob das nur der Autor darf.  Wenn es doch überhaupt jemand tut!   
Das eigentliche Problem ist, dass der 137 l bei Abbildungen (meines  
Wissens) nicht greift und  damit weder der Verlag noch der Autor das  
Recht haben und es deshallb einfach unterbleibt.

Es würde mich ja freuen, wenn ich da etwas übersehe und es alles ganz  
einfach ist. Aber ich fürchte, es ist wirklich so düster.

Herzliche Grüße
Matthias Ulmer








Am 21.05.2010 um 10:01 schrieb Müller, Harald:

Liebe Liste,

Auch ich stimme Herrn Steinhauer zu! Allerdings muß ich ihn fragen,  
welcher
Aussage von Herrn Graf er selbst zustimmt. Herr Graf hat nämlich  
unterdessen
klammheimlich und ohne Hinweis seinen Text auf
http://archiv.twoday.net/stories/6344762/
in den wesentlichen Worten geändert (ergänzt). Damit hat Herr Graf  
meine
anscheinend zutreffende Kritik an seinen völlig unhaltbaren  
Ausführungen
akzeptiert.

Zur Frage, ob § 19a den § 38 ausschließt (Behauptung Graf) oder ob  
eine analoge
Anwendung heute zeitgemäß ist, möchte ich auf den Kommentar von  
Fromm/Nordemann
§ 38 Rdn. 2 verweisen, die dafür plädieren. Und Schricker/Schulze §  
38 Rdn. 11
wollen zumindest die Grundsätze als "Orientierungshilfe"  
heranziehen. Andere,
ältere Kommentare schweigen sich ja insoweit noch aus.

Bei all diesen Diskussionen darf nicht vergessen werden, daß es im  
Interesse von
Bildung und Wissenschaft darum geht, den Urhebern eine möglichst  
weitgehende
Verfügbarkeit über ihre Werke zu erhalten, auch im Hinblick auf die  
mittlerweile
in mehreren Gesetzen verankerten Ziele von Open Access. Dafür  
plädiert Kreutzer,
und dabei sollte man ihn unterstützen!

MfG

--
Dr. Harald Müller

Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und  
Völkerrecht /
Bibliothek
Max Planck Institute for Comparative Public Law
and International Law / Library
Im Neuenheimer Feld 535; D-69120 Heidelberg
Phone: +49 6221 482 219; Fax: +49 6221 482 593
Mail: hmueller@xxxxxxx

-----Original Message-----
From: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] On Behalf Of Eric  
Steinhauer
Sent: Thursday, May 20, 2010 9:54 PM
To: inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
Subject: [InetBib] § 38 und § 137l UrhG

Liebe Liste,

ich stimme Herrn Graf zu. Die Ausführungen von Kreutzer, den ich im  
Übrigen sehr
schätze, zu § 137l UrhG bei Altverträgen kann ich nicht teilen.

Wenn Autoren von Aufsätzen und anderen unselbständigen Werken  
keinen expliziten
Vertrag abschließen, was der Regelfall in den Geisteswissenschaften  
ist, dann
erwirbt der Verleger Rechte im Umfang von § 38 UrhG.

Richtig ist, dass der Verleger ausschließliche Rechte erwirbt.  
Diese Rechte
erwirbt er aber nur für die Dauer eines Jahres. Danach hat er nur  
noch einfache
Rechte.

Wir reden über die unbekannte Nutzungsart "Online-Publikation". Diese
Nutzungsart war bis 1995 unbekannt. § 137l UrhG kann daher nur für  
Publikationen
greifen, die vor 1995 erschienen sind. Soweit für diese  
Publikationen § 38 UrhG
zur Anwendung kommt, weil eben kein ausdrücklicher Vertrag  
geschlossen wurde,
dann hat der Verleger spätestens 1996 nur noch einfache  
Nutzungsrechte.

§ 137l UrhG ist zum 1. Januar 2008 in Kraft getreten. Seine  
Anwendbarkeit setzt
die Inhaberschaft von zeitlich unbegrenzten (!) ausschließlichen  
Nutzungsrechten
voraus. Ausschließliche Rechte, die § 38 UrhG vermittelt, sind aber  
zeitlich
befristet und genügen für § 137l UrhG nicht.

Soweit es um die Frage geht, ob Autoren einer Bibliothek einfache  
Nutzungsrechte
an vor 1995 erschienenen Publikationen, bei denen kein expliziter  
Verlagsvertrag
geschlossen wurde, übertragen können, findet § 137l UrhG auf  
Altverträge KEINE
Anwendung. Das ist allgemeine Meinung.

Nachlesen kann man das bei Schulze, in Dreier/Schulze, UrhG, 3.  
Aufl., 2008, §
137l, Rn. 30.

Die (strittige) Frage, ob Verlage gleichwohl in der Lage sind,  
aufgrund ihrer
ausschließlichen Rechte an einer Sammlung, diese als ganze online  
zu stellen,
ohne dass es schädlich ist, dass der Verlag nach § 38 UrhG nach  
einem Jahr nur
noch einfache Rechte an dem einzelnen Werk hat, muss Autoren und  
Bibliotheken
nicht interessieren. Für die Einzelverwertung des Werkes außerhalb  
der Sammlung
bleibt es dabei, dass der Verlag nur ein einfaches Recht hat und  
damit § 137l
UrhG nicht anwendbar ist, vgl. Schulze aaO..

Kurz gesagt gilt: Ist ein Aufsatz vor 1995 erschienen und haben  
Verlag und Autor
keinen ausdrücklichen Vertrag abgeschlossen, dann kommt § 137l UrhG  
für diesen
Aufsatz nicht zur Anwendung, wenn er separat auf dem Server einer  
Bibliothek
publiziert werden soll.

Viele Grüße
Eric Steinhauer



--
Dr. jur. Eric W. Steinhauer
Universitaetsbibliothek Hagen
http://www.steinhauer-home.de

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