Sehr geehrter Herr Gahn,
im Prinzip sehe ich keinen Unterschied darin zu schreiben,
hier irrt der Brockhaus, der Duden oder Wikipedia.
Wenn etwas falsch ist, ist es falsch, und muss korrigiert werden.
Das nennt man Falsifikation ;-)
Wenn im gedruckten Brockhaus etwas geändert werden sollte,
konnte das erst in der nächsten Auflage geschehen. Die Fehler des
Brockhaus
sind also in Bibliotheken noch immer nachlesbar.
Bezüglich der Zitation einer Quelle hat ja E. Garfield mal drei Gruppen
der Uncitedness aufgezählt. Lexika gehören auch dazu. Sonst käme man aus
dem zitieren ja nicht mehr heraus. Lexika zitiert man normalerweise nur
dann,
wenn sie wider erwarten einen Fehler enthalten.
Alles andere gilt mehr oder minder als Allgemeinwissen.
Das war ja auch das Ziel der Enzyklopädisten, eine solche Grundlage zu
schaffen,
und hier liegt auch der Grund, dass man die Autorenschaft bei
Enzyklopädien so weit zurückgenommen hat. Sie sollten nicht die Ansicht
bestimmter
Autoren enthalten, sondern, so weit möglich, das Allgemeiwissen.
Das Problem ist leider noch ein anderes. Das Internet ist so umfangreich,
dass es neben unzähligen wichtigen Informationen eine schier unendliche
Menge
an Unsinn (früher sagte man Schund dazu) enthält. Vieles davon zu
falsifizieren
lohnt sich meist nicht, weil eszu abwegig ist, und sich selbst ad absurdum
führt.
Unserer Zeit ist zu kostbar, um auf jeden Quatsch argumentativ einzugehen.
Das hat auch etwas mit der Uncitedness 4 zu tun, die ich mir erlaubt habe,
den drei
von E. Garfield hinzuzufügen.
Dass man Wikipedia als Quelle heute nicht mehr einfach ignorieren kann,
steht meines Erachtens außer Frage.
MfG
W. Umstätter
On Mon, 22 Feb 2010 08:55:00 +0100, Philipp Gahn <gahn.pth@xxxxxxx> wrote:
Lieber Herr Allers,
Sie mahnen zurecht die Auseinandersetzung in der Sache an. Aber ist die
denn schon erfolgt?
M.E. wurde der wesentliche Punkt, der WP für den wissenschaftlichen
Gebrauch problematisch macht, noch kaum berührt. D.i. nicht nur das
Prinzip
der nicht namentlichen Zeichnung, sondern idealiter der kollektiven
Verfasserschaft. Hier wird ein Grundprinzip wissenschaftlichen
Arbeitens,
das da lautet: jeder ist für den Mist, den er verzapft hat, auch selbst
verantworlich, nicht nur negiert, sondern geradezu umgekehrt. Denn, so
ich
Fehler in einem WP-Artikel entdecke, bin ich sogleich aufgerufen, diesen
zu
verbessern und ich vergehe mich sozusagen an der Community, wenn ich das
nicht tue.
Natürlich entfällt die Namenszeichnung auch bei anderen Enzyklopädien.
Aber Fehler, die sich in diesen finden, fallen auf den Verlag oder auf
die
Redaktion zurück. Der Satz: An dieser oder jener Stelle irre der
Brockhaus,
ist eine sinnvolle Redeweise, obwohl natürlich nicht jerder einzelne
Mitarbeiter des Verlages mit dem Fehler im Lexikoneintrag konform gehen
muss oder gar den Fehler verursacht hat.
Aber Redaktion und Verlag repräsentieren das Unternehmen insgesamt und
stehen deshalb auch für Fehler ein. Auf die WP gewendet ist eine solche
Aussage nicht sonnvoll, weil hier niemand für Fehler einsteht.
Demgegenüber ist es nachrangig, ob WP-Artikel besser oder gleichwertig
sind im Vergleich zu anderen Nachschlagewerken. Das WP-Prinzip scheint
mir
korrumpierend für die Wissenschaft.
Dass es die Möglichkeit gibt, die Autorschaft eines Artikels oder
gewisser
Texteile zurückzuverfolgen, ändert m.E. daran nichts. Denn 1. hat das,
wie
bereits bemerkt wurde, seine Grenzen und 2. ist nicht einzusehen, warum
man
einen Grundkurs "Philologische Edition" belegt haben muss, um einen
simplen
Lexikonartikel zu zitieren. Ein Student, der seinem Dozenten eine
Hausarbeit mit den Worten übergäbe: "Die an sich ja nicht wichtigen
Zitate
und Literaturangaben finden Sie gut versteckt in der kleinen Tasche, die
ich auf die Rückseite des Einbanddeckels geklebt habe", würde
wahrscheilich
nicht nur einen fragenden Blick ernten, sondern sogleich die Arbeit
zurückerhalten.
Beste Grüße
Philipp Gahn
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von Heinrich
Allers
Gesendet: Samstag, 20. Februar 2010 23:42
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: Re: [InetBib] Wikipedia als Goldesel?
Manfred Nottebrock meinte:
Es ist befremdlich, dass auf die abwegigen Einlassungen eines
fundamentalistisch angehauchten "Querdenkers" hier so ausführlich
eingegangen wird. ...
Mir scheint, daß "befremdlich" hier das falsche Wort ist. Stattdessen
wäre
vielleicht das Wort "erhellend"
passend: der Ablauf der Diskussion ließ doch die Abwegigkeit der
Positionen von Herrn Röhler
zunehmend klarer erkennen! Gut, der Google-Zugriff auf biographische
Details von Herrn Röhler macht
nun einiges verständlicher und hätte eher zu einer angemessenen
Einschätzung seiner Einlassungen
geführt, aber ich meine, daß es _für_ die Diskussionskultur in INETBIB
spricht, daß die Disqualifikation
von Andreas Röhler nicht via biographischer Recherche erfolgte, sondern
auf dem Wege der
Auseinandersetzung in der Sache.
Mit besten Grüßen von
Heinrich Allers
allers@xxxxxxxxxxx * http://www.h-allers.de
Netztagebuch: http://heinrich-erlo-ger.blogspot.com/
Bitácora: http://heinrich-erlo-spa.blogspot.com/
--
http://www.inetbib.de