Liebe Liste,
weil dieser Artikel eine meiner Meinung nach unzulässige Vermischung von
Themen rund um Open Access beinhaltet, möchte ich ihn der Liste nicht
vorenthalten:
http://libreas.wordpress.com/2009/11/04/wer-bezahlt-das-grun-und-wem-gehort-es-ein-kritischer-blick-auf-mendeley-und-researchgate/
und natürlich möcht ich der Liste auch nicht vorentalten warum ich
dieser Meinung bin:
Ein sehr kritischer Blick auf ResearchGATE und Mendeley, zu dem ich als
Nutzer beider Services äußern muss.
Der Einstieg mit dem Ziehen einer Parallele zum Heidelberger Appell geht
völlig an der Thematik vorbei. Ich sehe schlicht nicht, wo beide
Services Open Access gefährden. Zwar bieten sie die Möglichkeit an,
Dokumente entgeltfrei zum Downlaod bereitzustellen, aber ihre
Hauptfunktion ist die einer Social Community für Wissenschaftler
(ResearchGATE) resp. einer Online-/Offline-Literaturverwaltung
(Mendeley). Die Möglichkeit, Volltexte entgeltfrei bereitzustellen, ist
für beide Services vollkommen peripher. Und zu mutmaßen, die Services
würden ein Publikationsmodell aufweisen ist schlicht falsch:
Self-Archiving ist keine Publikation, es handelt sich um eine
Zweitverwertung von Werken, die in anderen Kontexten publiziert wurden.
Oder weisen ResearchGATE/Mendeley Publikationsworkflows oder -elemente
(Submission, Redaktion, Review, Issues, Reihenbildung) auf? Pas du tout:
Ein Dokumentupload ist keine Publikation. An diesem Umstand ändert sich
auch nichts wenn Mendeley Publikationen von Toll-Access-Publishern
anbietet. Aus den genannten und anderen Gründen (die aber nicht erwähnt
werden: fehlende OAI-Schnittstelle, Fehlen von
Langzeitarchivierungsfunktionen etc.) stellt keines der beiden Angebote
ein Open-Access-Server (oder eine Konkurrenz zu solchen) da.
Was mich aber nun wirklich stutzig macht ist die Polemik des Artikels:
„Parasitär“ ist ein wirklich hässliches Wort und den Heidelberger Appell
mit den erwähnten Services in einen Topf zu werfen ist meiner Meinung
nach genauso fahrlässig wie (beim Heidelberger Appell geschehen) Open
Access und Google in einen Topf zu werfen. Ich hoffe mal, dass die
Motivation (FUD) nicht die selbe war.
Ganz generell halte ich Kooperation für den richtigen Weg: Warum keine
Schnittstelle vom lokalen Repository zu ResearchGATE? Die Metadaten beim
Community-Service, der Volltext inkl. LZA und OAI-Schnittstelle beim RZ/
der Uni-Bibliothek. Die meisten Forscher finden eine Publikationsliste
mit Open-Access-Volltextzugriff in ResearchGATE oder Mendely bestimmt
eher sexy als eine OPUS-/EPrints-/DSpace-Trefferliste, auf die sie
verlinken, oder auch eine Publikationsliste, die via Export erstellt,
auf ihrer Homepage zu finden ist – selbstredend ohne
Vernetzungsoptionen. Auch wenn man Zweifel hinsichtlich der
Dauerhaftigkeit der Services haben mag: Mir fallen sehr viele Beispiele
hochhängender, aus dem Bibliotheksumfeld lancierter Projekte ein, deren
Dauerhaftigkeit oder dauerhafter Wert sehr sehr gering ist. Und wen
stört’s denn wenn ResearchGATE/Mendeley mir nen gescheiten
Elsevier-Artikel anbietet? Zumal ich den Text ja bei
ResearchGATE/Mendeley ja auch noch vielleicht Open Access kriege. Das
müssen die in diesem Umfang Jahresbibliographien an Bibliotheken erst
noch einrichten – das soll kein Schuss gegen die Bibliotheken, sondern
gegen dern Ton des Artikels sein. Also: Warum nicht mit den Services
kooperieren? Anders als Herr Jahn stießen andere und ich auf offene
Ohren. Haben Sie’s denn versucht Herr Jahn?
Kurzum: Jede(r) und jede Bibliothek sollte prüfen, was sie/ er nutzen
will. Sowohl ResearchGATE als auch Mendeley bieten vielen nützliche
Funktionen, die ich aus der Bibliothekswelt nicht kenne und keiner der
Service wil meiner Meinung nach den Bibliotheken Open Access streitig
machen. Ganz nebenbei: Bei Open Access stehen vielleicht auch nicht nur
die Bibliotheken im Mittelpunkt: Die Forderung nach Open Access stammt
von Wissenschaftlern. Anders als bei OAIster/OCLC-Kontroverse finde ich
auch an der Verwertung der Open-Access-Inhalte nichts anrüchig – zumal
(ich kann mich das selbst schon nicht mehr schreiben sehen) Open Access
in den Services eine Petitesse ist und die Nutzung der Services
entgeltfrei möglich ist.
Wer die Services nicht nutzen/empfehlen will, kann das tun – fraglich,
ob er seinen Wissenschaftlers besseres Selbstgestricktes bieten kann.
Permanent wird die Notwendigkeit, Open Access zu propagieren und in
andere Services einzubinden beschworen – wenn dann passiert sollte man
nicht katechistisch und schmallippig reagieren.
Für einen demnächst erscheinenden Artikel habe ich mit einer Vielzahl an
Community-Services für Wissenschaftler befasst und fand sowohl
ResearchGATE als auch Mendeley sehr gelungen. Aber ich sehe das aus
Nutzersicht – und dies würde auch bei aller positionsgebunden
Perspektive der Bibliotheken nicht vernachlässigen.
Viele Grüße
Ulrich Herb