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[InetBib] Urheberrecht: Gesetz oder privatrechtlicher Vertrag?
- Date: Fri, 25 Sep 2009 09:35:41 +0200
- From: "Müller, Harald" <hmueller@xxxxxxx>
- Subject: [InetBib] Urheberrecht: Gesetz oder privatrechtlicher Vertrag?
In einer Stellungnahme vor dem US-Kongress zum Google Books Setlement schreibt
Marybeth Peters vom Copyright Office:
http://judiciary.house.gov/hearings/pdf/Peters090910.pdf
"In the view of the Copyright Office, the settlement proposed by the parties
would encroach on responsibility for copyright policy that traditionally has
been the domain of Congress. The settlement is not merely a compromise of
existing claims, or an agreement to compensate past copying and snippet display.
Rather, it could affect the exclusive rights of millions of copyright owners, in
the United States and abroad, with respect to their abilities to control new
products and new markets, for years and years to come. We are greatly concerned
by the parties' end run around legislative process and prerogatives, and we
submit that this Committee should be equally concerned."
Diese Aussage zum Google Settlements deckt sich im fraglichen Punkt
"parlamentarisch beschlossenes Gesetz oder privatrechtlicher Vertrag im
Urheberrecht" mit der vom DBV im Frühjahre 2009 an das Bundesjustizministerium
geschickten Stellungnahme, wo es zur gleichen Frage heißt:
"Gesetzliche Schrankenregelung oder vertragliche Vereinbarung
Es ist in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers, die Schranken und Ausnahmen im
Urheberrecht in einer Art und Weise festzulegen, daß die Informationsbedürfnisse
der Gesellschaft im Bereich Bildung und Wissenschaft befriedigt werden. Wenn
diese grundlegenden Bedürfnisse faktisch nicht ausreichend erfüllt werden
können, hat der Gesetzgeber für die notwendigen Korrekturen zu sorgen. Es kann
nicht erwartet werden, daß die beteiligten gesellschaftlichen Gruppen Probleme
durch privatrechtliche Lizenzverträge lösen, nur weil der Gesetzgeber es
unterlässt, für eine ausgewogene Lösung zu sorgen. Der Gesetzgeber muß eine
ausgewogene Balance zwischen den Interessen eines Urhebers und anderer
Rechteinhaber auf der einen Seite und dem gesamtgesellschaftlichen Interesse in
Forschung, Bildung und Unterricht schaffen. Wenn diese Balance sich zum Nachteil
gesellschaftlicher Interessen verändert, muß der Gesetzgeber Maßnahmen treffen,
um das Ungleichgewicht wieder aufzuheben.
Es kann und darf nicht Aufgabe von Bibliotheken sein, Lizenzverträge abschließen
zu müssen, um rechtliche Lücken zu schließen. Die Position der Vertragsparteien
ist im Bereich der wissensbestimmten Wirtschaft viel zu ungleich, um ausgewogene
Verträge zu ermöglichen. Diese Ungleichheit ergibt sich direkt aus der
Monopolstellung der Rechteinhaber. Ausschließlich ein Rechteinhaber und niemals
ein Nutzer vermag auf urheberrechtlichem Gebiet wirtschaftlich und ge-richtlich
aktiv werden. Infolge seiner exklusiven Rechtsposition kann es sich der Urheber
erlauben, jegliche vertragliche Lösung zu verweigern. Im Zusammen-hang mit
urheberrechtlichen Schranken ist kein Platz für vertragliche Abmachungen.
Eine Handvoll multinationaler Verlage dominiert den Markt für wissenschaftliches
Publizieren und diktiert den Bibliotheken die Bedingungen für die Nutzung
wissenschaftlicher Information. Die Vertragsbestimmungen schließen in der Regel
jegliche Urheberrechtsschranke aus, z.B. das Kopieren und den Kopienversand für
wissenschaftliche oder private Zwecke.
Diese absolute Monopolstellung der Rechteinhaber ist relativ neu. Früher, in den
Zeiten des Buchdrucks hatten Rechteinhaber faktisch keine Möglichkeiten, das
rechtmäßige Kopieren zu unterbinden. Heutzutage werden für den Zugriff auf
digitale Publikationen nur noch Verträge angeboten, die urheberrechtlich
zulässige Aktivitäten ausdrücklich ausschließen. Bibliotheken verfügen über
keinerlei rechtliche und tatsächliche Möglichkeiten, sich hiergegen zu wehren.
Um einen Mißbrauch der Monopolstellung von Rechteinhabern zu verhindern, sollte
es im Urheberrechtsgesetz eine Bestimmung geben, wonach vertragliche Regelungen,
die urheberrechtliche Schranken ausschließen, nichtig (unwirksam) sind. Als
Beispiel möchten wir auf Art. 15 der europäischen Datenbank-Richtlinie
verweisen."
--
Dr. Harald Müller
Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht /
Bibliothek
Max Planck Institute for Comparative Public Law
and International Law / Library
Im Neuenheimer Feld 535; D-69120 Heidelberg
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