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Antwort: [InetBib] Umgang mit Cybersucht auch ein Thema für Bibliotheken?



Sehr geehrter Herr Weiler,

das Thema Computersucht/Internetsucht ist durchaus nicht neu. Schon 2006 
beschreibt z.B. Wolf Bergmann in seinem Buch "Computersüchtig" 
entsprechendes Verhalten.

Je länger man im Netz der Netze ist desto anfälliger wird es zur 
Gewohnheit wenn nicht sogar zur Sucht. 

Die Formulierung ist doch wohl etwas zu pauschal. Wer ist "man"?


http://portal.gmx.net/de/themen/gesundheit/kind/8676250-Computer-Sucht-Leben-im-Cyberspace.html


Dieser Artikel kommt mir doch ziemlich lanciert vor. Erst vor kurzem die 
losgetretene Diskussion um Kinderporno-Internetsperren, heute folgt ganz 
passend die aktuelle SPIEGEL-Ausgabe "Netz ohne Gesetz" und im Schlepptau 
dann solche Artikel auf GMX...

Und wo bleiben die Fakten? Es heißt zwar immer, dass die Beratungsstellen 
Zulauf hätten, aber an konkreten Zahlen mangelt es doch stark! siehe z.B. 
http://www.heise.de/newsticker/Beratungsstellen-fuer-Spielsuechtige-vermelden-Zulauf--/meldung/143235

Was können Bibliotheken dagegen tun? Vielleicht mit Aktionen aufwarten, 
wie dem Shut-Down-Day? 

Hat nicht Helmut Schmidt schon 1978 als Experiment einen fernsehfreien Tag 
vorgeschlagen? Verbote bringen in der Regel wenig bis nichts. Da hilft es 
auch nichts, die Forderung "PC aus" neusprech-denglisch zu ummänteln. 
Schalten Sie doch einmal die Internetplätze in der Stadtbibliothek für 
einen Tag pro Woche aus. Die Leser werden Ihnen in Scharen davonlaufen! 

Die Stadtbibliothek Nordenham hat sich daran beteiligt, ein 
Alternativkonzept zu entwickeln, welches mit Kirchen und anderen 
Institutionen zum Lesen verleitet statt zum surfen im Internet. 

Warum die ausgerechnet die Kirchen hier eine besondere Kompetenz haben 
sollen, ist mir unverständlich.

Damit sowas nicht zur Eintagsfliege wird, braucht es einen geregelten 
Ablauf für größere Zeiträume, in denen der Spieler seinem >Spiel entwöhnt 
wird. Eltern und Kinder von Betroffenen brauchen da Rat und Hilfe.  Gibt 
es Erfahrungen in anderen Bibliotheken, wie >mit dem Thema umgegangen 
wird? Gibt es Projekte mit Psychologen und Ärzten Vorort, oder ist es doch 
eher ein Eingriff in die >Privatsphäre?

Wenn es sich um pathologisches Suchtverhalten handelt und "entwöhnt" 
werden muss, dann sind zuallererst einmal Experten wie z.B. 
Psychotherapeuten und Suchtberatungsstellen gefragt. Bibliotheken, Kirchen 
und andere Organisationen haben an dem Punkt gar nichts verloren. Man 
sollte schon beachten, wo die eigenen Kernkompetenzen liegen. 

Natürlich sollen Bibliotheken ihre Medien als Mittel der 
Freizeitgestaltung bewerben. Aber de altväterlichen Versuch, "das gute 
Buch" vs. "das rechtsfrei-chaotisch-böse Internet" zu setzen, diesen 
Braten riechen die Jugendlichen doch sofort! 

Andererseits ist das nicht ein widersprüchliches Verhalten der 
Stadtbibliothek Nordenham: hier gegen Internetsurfen, gegen 
Internetspiele, für TV-freie Tage zu plädieren, aber auf der anderen Seite 
massiv Werbung für Web 2.0 zu machen?!?!?!
( siehe 
http://nordenhamerbuecherei.wordpress.com/2009/07/04/web-2-0-in-der-stadtbucherei-nordenham/#comment-1940
 
)

oder

"Wir raten dazu, sich mit Webtools wie RSS vertraut zu machen. Ob das 
Dauergezwitscher über Twitter sich durchsetzt wird sich zeigen, aber RSS 
ist inzwischen Standard! Kaum ein Gymnasiast kann damit übrigens etwas 
anfangen, obwohl ?die doch dauernd am PC hängen?. Wir werden in Kürze 
wieder einen Kurs dazu anbieten...."
( siehe: 
http://nordenhamerbuecherei.wordpress.com/2009/04/01/wir-nutzen-nun-friendfeed/ 
)

Wecken Sie damit nicht sogar Bedürfnisse, die vorher gar nicht bestanden 
haben? So kriegen sie die Gymnasiasten bestimmt nicht vom Bildschirm weg 
...
 
Für konstruktive Beiträge bin ich dankbar. Vielleicht ist dies auch ein 
Thema der Zukunftswerkstatt oder könnte es sein? 

Ich hoffe, ich war nicht zu unkonstruktiv.

Besten Gruß

Martin Steinmetz
_____________________________

Landeshauptstadt Mainz 
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Dipl.Bibliothekar Martin Steinmetz
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