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Antwort: [InetBib] Umgang mit Cybersucht auch ein Thema für Bibliotheken?
- Date: Mon, 10 Aug 2009 17:04:34 +0200
- From: Martin.Steinmetz@xxxxxxxxxxxxxx
- Subject: Antwort: [InetBib] Umgang mit Cybersucht auch ein Thema für Bibliotheken?
Sehr geehrter Herr Weiler,
das Thema Computersucht/Internetsucht ist durchaus nicht neu. Schon 2006
beschreibt z.B. Wolf Bergmann in seinem Buch "Computersüchtig"
entsprechendes Verhalten.
Je länger man im Netz der Netze ist desto anfälliger wird es zur
Gewohnheit wenn nicht sogar zur Sucht.
Die Formulierung ist doch wohl etwas zu pauschal. Wer ist "man"?
http://portal.gmx.net/de/themen/gesundheit/kind/8676250-Computer-Sucht-Leben-im-Cyberspace.html
Dieser Artikel kommt mir doch ziemlich lanciert vor. Erst vor kurzem die
losgetretene Diskussion um Kinderporno-Internetsperren, heute folgt ganz
passend die aktuelle SPIEGEL-Ausgabe "Netz ohne Gesetz" und im Schlepptau
dann solche Artikel auf GMX...
Und wo bleiben die Fakten? Es heißt zwar immer, dass die Beratungsstellen
Zulauf hätten, aber an konkreten Zahlen mangelt es doch stark! siehe z.B.
http://www.heise.de/newsticker/Beratungsstellen-fuer-Spielsuechtige-vermelden-Zulauf--/meldung/143235
Was können Bibliotheken dagegen tun? Vielleicht mit Aktionen aufwarten,
wie dem Shut-Down-Day?
Hat nicht Helmut Schmidt schon 1978 als Experiment einen fernsehfreien Tag
vorgeschlagen? Verbote bringen in der Regel wenig bis nichts. Da hilft es
auch nichts, die Forderung "PC aus" neusprech-denglisch zu ummänteln.
Schalten Sie doch einmal die Internetplätze in der Stadtbibliothek für
einen Tag pro Woche aus. Die Leser werden Ihnen in Scharen davonlaufen!
Die Stadtbibliothek Nordenham hat sich daran beteiligt, ein
Alternativkonzept zu entwickeln, welches mit Kirchen und anderen
Institutionen zum Lesen verleitet statt zum surfen im Internet.
Warum die ausgerechnet die Kirchen hier eine besondere Kompetenz haben
sollen, ist mir unverständlich.
Damit sowas nicht zur Eintagsfliege wird, braucht es einen geregelten
Ablauf für größere Zeiträume, in denen der Spieler seinem >Spiel entwöhnt
wird. Eltern und Kinder von Betroffenen brauchen da Rat und Hilfe. Gibt
es Erfahrungen in anderen Bibliotheken, wie >mit dem Thema umgegangen
wird? Gibt es Projekte mit Psychologen und Ärzten Vorort, oder ist es doch
eher ein Eingriff in die >Privatsphäre?
Wenn es sich um pathologisches Suchtverhalten handelt und "entwöhnt"
werden muss, dann sind zuallererst einmal Experten wie z.B.
Psychotherapeuten und Suchtberatungsstellen gefragt. Bibliotheken, Kirchen
und andere Organisationen haben an dem Punkt gar nichts verloren. Man
sollte schon beachten, wo die eigenen Kernkompetenzen liegen.
Natürlich sollen Bibliotheken ihre Medien als Mittel der
Freizeitgestaltung bewerben. Aber de altväterlichen Versuch, "das gute
Buch" vs. "das rechtsfrei-chaotisch-böse Internet" zu setzen, diesen
Braten riechen die Jugendlichen doch sofort!
Andererseits ist das nicht ein widersprüchliches Verhalten der
Stadtbibliothek Nordenham: hier gegen Internetsurfen, gegen
Internetspiele, für TV-freie Tage zu plädieren, aber auf der anderen Seite
massiv Werbung für Web 2.0 zu machen?!?!?!
( siehe
http://nordenhamerbuecherei.wordpress.com/2009/07/04/web-2-0-in-der-stadtbucherei-nordenham/#comment-1940
)
oder
"Wir raten dazu, sich mit Webtools wie RSS vertraut zu machen. Ob das
Dauergezwitscher über Twitter sich durchsetzt wird sich zeigen, aber RSS
ist inzwischen Standard! Kaum ein Gymnasiast kann damit übrigens etwas
anfangen, obwohl ?die doch dauernd am PC hängen?. Wir werden in Kürze
wieder einen Kurs dazu anbieten...."
( siehe:
http://nordenhamerbuecherei.wordpress.com/2009/04/01/wir-nutzen-nun-friendfeed/
)
Wecken Sie damit nicht sogar Bedürfnisse, die vorher gar nicht bestanden
haben? So kriegen sie die Gymnasiasten bestimmt nicht vom Bildschirm weg
...
Für konstruktive Beiträge bin ich dankbar. Vielleicht ist dies auch ein
Thema der Zukunftswerkstatt oder könnte es sein?
Ich hoffe, ich war nicht zu unkonstruktiv.
Besten Gruß
Martin Steinmetz
_____________________________
Landeshauptstadt Mainz
Bibliotheken der Stadt Mainz - Wissenschaftliche Stadtbibliothek
Dipl.Bibliothekar Martin Steinmetz
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