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Re: [InetBib] Frage zu Hybridpublikationen
- Date: Thu, 6 Aug 2009 11:16:31 +0200
- From: "Müller, Harald" <hmueller@xxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Frage zu Hybridpublikationen
Lieber Herr Ulmer!
Vielen Dank für Ihre stete Bereitschaft, sich immer wieder in einer Liste
öffentlich zu äußen, in der Sie naturgemäß mit kräftigem Widerspruch rechnen
können (inetbib ist eine "Bibliotheks"Liste). Dazu gehört schon etwas Mut! Ich
rechne Ihnen das hoch an.
Demokratie lebt von Meinungsaustausch und benötigt Auseinandersetzungen. Ich
bezweifle zwar stark, daß diese Diskussion hier bei Verlagen und Börsenverein
irgendetwas anderes bewirken wird außer "Schmunzeln". Dennoch würde ich Ihnen
raten, mehr auf die Autoren und Bibliothekare zu hören, gerade dann, wenn Sie
deren Meinung als "nicht hilfreich" und "unglaubwürdig" abqualifizieren. Beide
Gruppen finanzieren nämlich die Butter auf Ihrem Frühstücksbrötchen!
Als kleiner, provinzieller Autor im Bibliotheksbereich möchte ich nur das Eine:
gelesen werden! Ich freue mich über jedes noch so versteckte Zitat einer meiner
Veröffentlichungen. Ich freue mich über jede Reaktion auf meine Gedanken und
Schlußfolgerungen. Geld spielt für mich als Autor überhaupt keine Rolle. Je mehr
potentielle LeserInnen ich erreichen kann, desto besser. Deshalb bietet Open
Access mir einen Vorteil, den ein klassischer Verleger einfach nicht
herbeiführen kann: es werden viel mehr Rezipienten erreicht.
Als kleiner Provinzbibliothekar fällt mir immer wieder auf, in wievielen Bücher
der Satz steht "einen Druckkostenzuschuß hat geleistet XYZ". Oft stammt dieses
Geld vom Steuerzahler, genauso wie der Erwerbungsetat meiner Bibliothek. Das
heißt also, die Allgemeinheit finanziert (zum Teil) eine Buchveröffentlichung
und deren Absatz. Welchen Gegenwert erhält eigentlich die Gesellschaft für ihre
finanzielle Leistung?
Im Herbst wird ein Buch erscheinen, zu dem ich auch einen bescheidenen Beitrag
leisten durfte. Dieses Buch erscheint nicht in Ihrem Verlag, sondern in einem
Verlag, der keine Probleme darin sieht, eine parallele Open Access
Veröffentlichung vertraglich zu vereinbaren.
Wie ich schon sagte: Der Markt wirds richten. Oder jetzt mal so richtig
provokant: Warum ist Google das derzeit am höchsten bewertete Unternehmen,
obwohl ich als Konsument keinen Cent für den Service bezahle? Beherrschen die
Leute dort das betriebswirtschaftliche Einmaleins nicht so perfekt wie die
klassischen Verleger?
Mit den besten Grüßen
--
Dr. Harald Müller
-----Original Message-----
From: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] On Behalf Of Matthias Ulmer
Sent: Wednesday, August 05, 2009 11:28 PM
To: Internet in Bibliotheken
Subject: Re: [InetBib] Frage zu Hybridpublikationen
Ich habe versucht darzustellen warum man die simple Aussage "parallele
kostenlose Veröffentlichung eines E-Books steigert den Verkauf der
gedruckten Ausgabe" so nicht halten kann, warum niemand
allgemeingültige Dinge dazu sagen kann.
Es tut mir leid, bei der für den Autor und Verleger wichtigen
ökonomischen Entscheidung sind auch die genannten Beispiele nicht
hilfreich. Herr Müller und Herr Graf, Herr Kuhlen und Herr Hoeren
bringen Verleger mehr zum Schmunzeln als zum Nachdenken.
Alle vier verbindet, dass sie auf der einen Seite zwar von
Verlagswesen kaum Ahnung haben, dass sie aber dennoch laufend
Verlegern sagen, wie sie ihre Sache richtig machen sollen. Und
gleichzeitig lassen sie keine Gelegenheit aus den Untergang des
wissenschaftlichen Verlagswesens herbeizuwünschen. Alle vier sind
denkbar unglaubwürdig, wenn sie Verlegern mehr Umsatz durch
Hybridpublikationen versprechen.
Ich habe übrigens nicht Herrn Müller und das MPI als drittklassig
bezeichnet, mit dem "Rat aus der Dritten Reihe" war gemeint, dass in
erster Reihe die Aussagen aus Verlag und Buchhandel für mich zählen,
in zweiter die meiner Autoren und in dritter diejenigen von
unbeteiligten Dritten, die zwar ein Interesse an kostenlosen E-Books
haben, sich aber verständlicherweise um Verlagsumsätze keinen Kopf
machen.
Bei der ganzen Diskussion wird leider wieder der Fehler gemacht, dass
die wissenschaftlichen Publikationen für das Ganze genommen werden,
obwohl sie nur ein kleiner Teil des Ganzen sind. Die Frage der
Hybridpublikationen betrifft aber mehr als nur die Wissenschaft.
Zwei weitere Beispiele zum Mosaik, aus dem sich irgend wann mal ein
klareres Bild über die verkaufsfördernde Wirkung von parallelen
kostenlosen e-Book-Veröffentlichungen ergeben wird:
Wenn ich das richtig mitbekommen habe ist Herrn Kuhlens Buch
inzwischen nicht mehr als kostenloser Download erhältlich. Waren die
Erfahrungen mit dem Verkauf dann doch schlechter als von Herrn Müller
vermutet?
Und: ein statistisch relevanter Feldversuch sind die E-Book Angebote
der Lehrbuchverlage. Sind die Verkäufe von Lehrbüchern in den letzten
Jahren angestiegen seit die Studenten kostenlosen Zugriff auf die E-
Books haben oder sind sie zurückgegangen? Soweit mir bekannt gab es
Rückgänge. Aber von eigenen Erfahrungen kann ich erst im nächsten
Jahr berichten.
Herzliche Grüße
Matthias Ulmer
Am 05.08.2009 um 13:17 schrieb Juergen Fenn <juergen.fenn@xxxxxx>:
Matthias Ulmer schrieb:
Ihre Aussage ist ein Musterbeispiel für die von mir als wohlfeil
bezeichneten Ratschläge aus der dritten Reihe.
Gut, man *kann* das MPI in Heidelberg als "dritte Reihe" bezeichnen.
Gute Gründe sprechen dagegen.
Sie kaufen Kuhlens Buch, obwohl sie es als PDF haben. Und daraus
machen sie einen Trend.
Thomas Hoeren berichtet ebenfalls über sehr gute Verkaufszahlen sein
es
Buchs, das bekanntlich semesterweise als aktualisiertes Skript im Netz
zum Herunterladen bereitsteht.
Seit es einen YouTube-Kanal von Monty Python gibt, seien die Verkäufe
über Amazon sprunghaft angestiegen, hieß es in einer Ausgabe des
"Medienradio". Philip Banse vom DLF/DRadio Kultur ist gemeinhin sehr
gut
informiert.
Genaueres kann man natürlich nicht sagen, weil die Verlage und die
Händler keine Zahlen veröffentlichen.
Das alles kann jedenfalls nicht ganz abwegig sein. Eine PDF-Datei oder
eine Leseprobe bei Google Books erreicht jedenfalls als Werbung mehr
als
so ein altbackener todlangeweiliger Verlagsprospekt, wie ihn mir Peter
Lang gerade heute wieder mal zugeschickt hat...
Viele Grüße,
Jürgen Fenn.
--
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