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[InetBib] Der technische Kopf der Woche: Ursula von der Leyen II



Liebe Liste,

nun schwingt sie sich wieder auf - und wird damit erneut zu meinem technischen 
Kopf der Woche: 'Die anderen haben keine Lösung für das Problem. Ich habe auch 
keine. Also machen wir meine zum Gesetz und diskutieren über die notwendigen 
weiteren Schritte.' So könnte man in etwa das zusammenfassen, was Frau von der 
Leyen von sich gegeben hat in einem Interview mit der Online-Ausgabe des 
Hamburger Abendblatts [1], über das Golem [2] und Heise [3] heute berichten. 
Eine zentrale Aussage aus dem Interview:

"Mir geht es jetzt [!] um den Kampf gegen die ungehinderte Verbreitung von 
Bildern vergewaltigter Kinder. Der Straftatbestand Kinderpornografie ist klar 
abgrenzbar. Doch wir werden weiter Diskussionen führen, wie wir 
Meinungsfreiheit, Demokratie und Menschenwürde im Internet im richtigen Maß [!] 
erhalten. Sonst droht das großartige Internet ein rechtsfreier Chaosraum zu 
werden, in dem man hemmungslos mobben, beleidigen und betrügen kann. Wo die 
Würde eines anderen verletzt wird, endet die eigene Freiheit. Welche Schritte 
für den Schutz dieser Grenzen notwendig sind, ist Teil einer unverzichtbaren 
Debatte, um die die Gesellschaft nicht herumkommt. [...] Wenn ich die jungen 
Menschen [...] frage, was sie vorschlagen, wenn die Server, die die 
Kinderpornografie verbreiten, unerreichbar für die Strafverfolgungsbehörden in 
fernen Ländern stehen, dann wissen sie auch [!] keine Lösung. "

Ja, großartig ist das Internet. Aber eben auch ein rechtsfreier Chaosraum, den 
es nun mit familienministerieller Sachkompetenz einzufangen gilt. Da möge sich 
die Familienministerin doch vielleicht vertrauensvoll nach Rom wenden, stellte 
doch bereits das V. Laterankonzil 1515 unmißverständlich fest:

"Gewiß kann man sich durch Bücherlesen ohne Schwierigkeiten wissenschaftliche 
Bildung erwerben und die Buchdruckerkunst, die gerade in Unseren Zeiten mit 
Gottes Hilfe ... erfunden wurde, hat den Sterblichen vielerlei Vorteile 
gebracht ... Nun kam Uns ... aber die vielfache Klage zu Ohren, daß einige 
Druckermeister in verschiedenen Teilen der Welt Bücher ... herausgeben ..., die 
Irrtümer im Glauben und gefährliche Lehren ... enthalten. ... Damit die 
segensreiche Erfindung zur Verherrlichung Gottes, zur Vermehrung des Glaubens 
und zur Verbreitung der Wissenschaften nicht in ihr Gegenteil verkehrt wird 
..., haben Wir es als Unsere Pflicht erachtet, beim Buchdruck dafür Sorge zu 
tragen, daß in Zukunft nicht zusammen mit der guten Saat auch Dornengestrüpp 
aufwachse oder der Arznei Gift beigemischt werde." [4]

Die Ministerin gilt als fest im Glauben. Als bekennende Protestantin wären ihre 
Verlautbarungen zwar schnell auf dem 'Index librorum prohibitorum' gelandet, 
aber darüber wollen wir hier mal hinwegsehen, geht es der Ministerin mit ihrem 
Ansinnen ja nicht um Fragen des religiösen Eifers, gleich welcher Couleur, 
sondern um wirklich ernsthafte. Daß man es dabei mit den eigenen 
Publikationspflichten im Netz nicht so genau nehmen muß, tritt demgegenüber 
dann ebenfalls in den Hintergrund. [5]

Wahrlich, ein "Stück aus dem Tollhaus" ist es, was uns "die Politik" da 
präsentiert. Wir können also gespannt sein, wann uns Herr Schaarwächter hier 
mit einem Filter beglücken wird müssen, der uns vor ungebührlicher Satire und 
allzu forschen Worten des einen oder anderen Listenteilnehmers verschonen wird: 
Seid nett zueinander! [6]

Beste Grüße,
Kay Heiligenhaus

p.s. Nochmals sei hier klargestellt, daß gegen das Grundanliegen der Regierung, 
die Verbreitung von kinderpornographischem Material über das Internet _wirksam_ 
zu verhindern, keinerlei Kritik vorgebracht werden kann. In der Tat muß 
gesellschaftlich darüber diskutiert werden, wie dieses Anliegen technisch und 
rechtlich umgesetzt werden kann. Diese Diskussion ist aber nicht hinreichend 
geführt worden aus meiner Sicht. Vor allem hat sich die Regierung gleichsam 
panisch über die gravierenden Bedenken hinweggesetzt, die von verschiedener 
Seite gegen das nun verabschiedete Gesetz - sowohl von technischer wie 
verfassungsrechtlicher Seite - vorgebracht wurden. Ein solches Vorgehen stärkt 
nicht das Vertrauen, weitere Diskussionen über die Verfolgung von Strafdaten im 
Internet könnten hier zu nachvollziehbaren Erkenntnissen führen.


[1] 
http://www.abendblatt.de/politik/article1120772/Kampf-gegen-Schmutz-im-Internet-wird-verschaerft.html

[2] http://www.golem.de/0908/68755.html

[3] 
http://www.heise.de/newsticker/Von-der-Leyen-will-gegen-rechte-Inhalte-im-Netz-vorgehen--/meldung/142937

[4] Zitiert nach http://www.gutenberg-gesellschaft.de/dankesrede_wolf.pdf

[5] 
http://blog.beck.de/2009/07/30/netzsperre-gegen-kinderpornografie-tritt-vorerst-nicht-in-kraft#comment-18874

[6] http://www.golem.de/0907/68552.html

-- 
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