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[InetBib] Der technische Kopf der Woche: Ursula von der Leyen II
- Date: Sun, 2 Aug 2009 23:28:23 +0200
- From: "Kay Heiligenhaus" <kay.heiligenhaus@xxxxxxxxxxxx>
- Subject: [InetBib] Der technische Kopf der Woche: Ursula von der Leyen II
Liebe Liste,
nun schwingt sie sich wieder auf - und wird damit erneut zu meinem technischen
Kopf der Woche: 'Die anderen haben keine Lösung für das Problem. Ich habe auch
keine. Also machen wir meine zum Gesetz und diskutieren über die notwendigen
weiteren Schritte.' So könnte man in etwa das zusammenfassen, was Frau von der
Leyen von sich gegeben hat in einem Interview mit der Online-Ausgabe des
Hamburger Abendblatts [1], über das Golem [2] und Heise [3] heute berichten.
Eine zentrale Aussage aus dem Interview:
"Mir geht es jetzt [!] um den Kampf gegen die ungehinderte Verbreitung von
Bildern vergewaltigter Kinder. Der Straftatbestand Kinderpornografie ist klar
abgrenzbar. Doch wir werden weiter Diskussionen führen, wie wir
Meinungsfreiheit, Demokratie und Menschenwürde im Internet im richtigen Maß [!]
erhalten. Sonst droht das großartige Internet ein rechtsfreier Chaosraum zu
werden, in dem man hemmungslos mobben, beleidigen und betrügen kann. Wo die
Würde eines anderen verletzt wird, endet die eigene Freiheit. Welche Schritte
für den Schutz dieser Grenzen notwendig sind, ist Teil einer unverzichtbaren
Debatte, um die die Gesellschaft nicht herumkommt. [...] Wenn ich die jungen
Menschen [...] frage, was sie vorschlagen, wenn die Server, die die
Kinderpornografie verbreiten, unerreichbar für die Strafverfolgungsbehörden in
fernen Ländern stehen, dann wissen sie auch [!] keine Lösung. "
Ja, großartig ist das Internet. Aber eben auch ein rechtsfreier Chaosraum, den
es nun mit familienministerieller Sachkompetenz einzufangen gilt. Da möge sich
die Familienministerin doch vielleicht vertrauensvoll nach Rom wenden, stellte
doch bereits das V. Laterankonzil 1515 unmißverständlich fest:
"Gewiß kann man sich durch Bücherlesen ohne Schwierigkeiten wissenschaftliche
Bildung erwerben und die Buchdruckerkunst, die gerade in Unseren Zeiten mit
Gottes Hilfe ... erfunden wurde, hat den Sterblichen vielerlei Vorteile
gebracht ... Nun kam Uns ... aber die vielfache Klage zu Ohren, daß einige
Druckermeister in verschiedenen Teilen der Welt Bücher ... herausgeben ..., die
Irrtümer im Glauben und gefährliche Lehren ... enthalten. ... Damit die
segensreiche Erfindung zur Verherrlichung Gottes, zur Vermehrung des Glaubens
und zur Verbreitung der Wissenschaften nicht in ihr Gegenteil verkehrt wird
..., haben Wir es als Unsere Pflicht erachtet, beim Buchdruck dafür Sorge zu
tragen, daß in Zukunft nicht zusammen mit der guten Saat auch Dornengestrüpp
aufwachse oder der Arznei Gift beigemischt werde." [4]
Die Ministerin gilt als fest im Glauben. Als bekennende Protestantin wären ihre
Verlautbarungen zwar schnell auf dem 'Index librorum prohibitorum' gelandet,
aber darüber wollen wir hier mal hinwegsehen, geht es der Ministerin mit ihrem
Ansinnen ja nicht um Fragen des religiösen Eifers, gleich welcher Couleur,
sondern um wirklich ernsthafte. Daß man es dabei mit den eigenen
Publikationspflichten im Netz nicht so genau nehmen muß, tritt demgegenüber
dann ebenfalls in den Hintergrund. [5]
Wahrlich, ein "Stück aus dem Tollhaus" ist es, was uns "die Politik" da
präsentiert. Wir können also gespannt sein, wann uns Herr Schaarwächter hier
mit einem Filter beglücken wird müssen, der uns vor ungebührlicher Satire und
allzu forschen Worten des einen oder anderen Listenteilnehmers verschonen wird:
Seid nett zueinander! [6]
Beste Grüße,
Kay Heiligenhaus
p.s. Nochmals sei hier klargestellt, daß gegen das Grundanliegen der Regierung,
die Verbreitung von kinderpornographischem Material über das Internet _wirksam_
zu verhindern, keinerlei Kritik vorgebracht werden kann. In der Tat muß
gesellschaftlich darüber diskutiert werden, wie dieses Anliegen technisch und
rechtlich umgesetzt werden kann. Diese Diskussion ist aber nicht hinreichend
geführt worden aus meiner Sicht. Vor allem hat sich die Regierung gleichsam
panisch über die gravierenden Bedenken hinweggesetzt, die von verschiedener
Seite gegen das nun verabschiedete Gesetz - sowohl von technischer wie
verfassungsrechtlicher Seite - vorgebracht wurden. Ein solches Vorgehen stärkt
nicht das Vertrauen, weitere Diskussionen über die Verfolgung von Strafdaten im
Internet könnten hier zu nachvollziehbaren Erkenntnissen führen.
[1]
http://www.abendblatt.de/politik/article1120772/Kampf-gegen-Schmutz-im-Internet-wird-verschaerft.html
[2] http://www.golem.de/0908/68755.html
[3]
http://www.heise.de/newsticker/Von-der-Leyen-will-gegen-rechte-Inhalte-im-Netz-vorgehen--/meldung/142937
[4] Zitiert nach http://www.gutenberg-gesellschaft.de/dankesrede_wolf.pdf
[5]
http://blog.beck.de/2009/07/30/netzsperre-gegen-kinderpornografie-tritt-vorerst-nicht-in-kraft#comment-18874
[6] http://www.golem.de/0907/68552.html
--
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