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Re: [InetBib] Der technische Kopf der Woche: Ursula von der Leyen
- Date: Mon, 27 Apr 2009 11:17:48 +0200
- From: "Kay Heiligenhaus" <kay.heiligenhaus@xxxxxxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Der technische Kopf der Woche: Ursula von der Leyen
Lieber Herr Baumgartner, liebe Liste,
Ich bin ein potenzieller Pädokrimineller, weil ich meine
/etc/resolv.conf ändern kann?
Das Interview
(http://download.radioeins.de/mp3/_programm/8/20090424_zt_kopf.mp3) ist nicht
nur an dieser Stelle so wirr, daß man nur mutmaßen kann, was Frau von der Leyen
hier wohl gemeint haben könnte. Es zeigt aber wohl, wie technischer
Sachverstand (bei der Konfiguration von DNS-Servern würde ich heute bereits
eher von Alltagswissen sprechen) von Politikern einfach beiseite geschoben
wird, damit man irgendwie Handlungsfähigkeit suggerieren kann.
Behörden, Universitäten und Provider mit weniger als 10.000 Kunden
sollen von der Sperrverpflichtung ausgenommen werden:
http://www.golem.de/0904/66551.html
Spätestens dadurch wird die ganze Sache endgültig zur Farce.
Das Ganze scheint also eine Art von Pseudoaktionismus zu sein. Aber eine sehr
gefährliche Art. Wenn man das konsequent durchspielt, dann würden bald auch
diese "Ausnahmen" getilgt und es gehörte die Nutzung von Proxyservern technisch
ebenso unterbunden wie die Nutzung alternativer DNS-Server. Am Schluß hätten
wir die politische Aufforderung zur Etablierung einer "zentralistischen
Bundesnetzinfrastruktur", die man heute schon in China und einigen arabischen
Ländern bewundern kann. Der Bundestrojaner könnte gleich in "Windows 8"
integriert werden, die Nutzung von Linux wird gesetzlich verboten, da versierte
Nutzer ja ihr eigenes Betriebssystem kompilieren können.
Hierzu paßt, was gerade über Archivalia gelaufen ist:
http://archiv.twoday.net/stories/5667711/
Der "Augsburger Appell" bringt das "Problem", mit dem wir hier konfrontiert
sind, ganz gut auf den Punkt:
"Heute ist die Lagerung oder Speicherung von geistigen Inhalten (Bücher, Filme,
Musik-Alnben etc.) durch Computertechnik innerhalb weniger Jahrzehnte nahezu
kostenlos geworden. Moderne Festplatten in TeraBytegrösse fassen ganze
Bibliotheken, Film- und Musikarchive. Ebenso ist die Verbreitung von geistigen
Inhalten via Internet und Digitalkopie nahezu kostenlos - ein Internetanschluss
zum monatlichen Pauschalpreis ermöglicht das Abrufen von beinahe allen Büchern,
Filmen, Musikstücken. Digitale Speichermedien schrumpfen von Jahr zu Jahr in
der Grösse und im Preis und gewinnen an Kapazität. Beides macht die Weitergabe
geistiger Inhalte so problemlos wie noch nie zuvor in der menschlichen
Geschichte. Dass Teile dieser kostenlosen Distribution im Moment als illegal
gelten, geht am Problem vorbei: Es ist technisch nicht möglich, diese
Verbreitung zu verhindern, aber der Urheber erhält keinen Gegenwert für seine
geistige Leistung."
Man kann sich zwar trefflich streiten, ob die Distribution "ganzer
Bibliotheken" wirklich so kostenlos ist, wie hier - aus der privaten
Nutzungsperspektive - beschrieben. Dennoch würde ich dem Verfasser recht geben,
daß:
"Das Gefäss der Pandora ist geöffnet, und wird sich nie wieder verschliessen
lassen. Die Digitalisierung lässt sich genau so wenig rückgängig machen wie
einst der Buchdruck. Wir müssen uns mit der stark veränderten Realität
arrangieren, ob es uns gefällt oder nicht."
Nun möchte ich hier nicht den Eindruck erwecken, die schwerstkriminelle
"Herstellung, Distribution und Konsumtion" von Kinderpornographie sei
vergleichbar mit der illegalen "Herstellung, Distribution und Konsumtion" von
Raubkopien, die das Urheberrecht tangieren. Mir liegt nur daran zu
verdeutlichen, in welchem Ausmaß wir mit medialen Realitäten konfrontiert sind,
die man verstehen muß, wenn man über technische und rechtliche Instrumente
nachdenkt, mit ihnen "fertig" zu werden.
Beste Grüße,
Kay Heiligenhaus
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