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Re: [InetBib] Elektronischer Leseplatz und Recht auf Privatkopie



Sehr geehrter Herr Ulmer,

ein Lehrbuch in elektronischer Form und als gedrucktes Buch sind nicht 
gleichwertig. Für die intensive Arbeit mit einem Text ist das Buch die 
praktischste Variante. Sie unterstellen, dass jeder Download einen Kauf 
ersetzt. Das ist unrealistisch. Der studentische Leser hat ein bestimmtes 
Budget an Zeit und Geld. Er wird sich - im Idealfall - nach sorgfältiger 
Prüfung und vielleicht auch nach der Empfehlung in der Vorlesung für einen 
bestimmten Titel entscheiden, ihn kaufen und durcharbeiten. 

Elektronisch angebotene Bücher sind hier eine Ergänzung zu Einzelfragen und 
eignen sich beim Anfertigen schriftlicher Arbeiten zum Auffinden von 
Belegstellen. Für diese Nutzungen wird kein Student ein Buch kaufen. Hier geht 
kein Umsatz verloren.

Die Präferenz für das gedruckte Werk zum intensiven Arbeiten einmal 
vorausgesetzt, würde mich interessieren, wie sich die im Vergleich zu früheren 
Zeiten deutlich gestiegenen Studentenzahlen hier auswirken. Wenn es 
beispielsweise in Münster heute etwa so viele Jurastudenten gibt wie die 
gesamte Universität (alle Fächer!) in der 50er Jahren überhaupt Studenten 
hatte, frage ich mich, wie man damals als Verlag existieren konnte ...

Der Feind des Lehrbuchs ist meiner Meinung nach nicht das elektronische Angebot 
von Bibliotheken, sondern das selbstgebastelte Skript von Hochschullehrern für 
immer modularisiertere Lehrveranstaltungen mit Semesterprüfungen.

http://skriptorium.blog.de/2009/03/30/lage-lehrbuchs-5857882/

Ich finde auch, dass der Werbecharakter von elektronischen Angeboten in 
Bibliotheken von den Verlagen zu wenig gesehen wird. In der aktuellen 
Diskussion um GEMA und Youtube findet sich in der Presse diese Aussage:

"Jede Minute werden 13 Stunden Videomaterial hochgeladen, viele Millionen 
Videos sind kostenlos abrufbar. Angeblich gucken mehr Jugendliche Videos im 
Internet als beim Musiksender MTV. Und: Jeder zweite kauft sich danach eine CD 
oder einen digitalen Song, ergab eine BBC-Studie."
http://www.bild.de/BILD/digital/technikwelt/2009/04/01/gema-streit/mit-youtube.html

Ein mp3-File ist doch viel leichter durch ein gratis-Angebot substituierbar als 
ein gedrucktes Buch durch eine pdf-Datei! Ich verstehe diese Mißtrauen der 
Verlage in ihre eigenen Printprodukte nicht.

Wäre ich ein Verleger, würde ich mit ein oder zwei ausgesuchten Titeln einmal 
experimentieren. Was würde passieren, wenn Mohr sagen wir mal das 
Medienrechtslehrbuch von Fechner (UTB-Taschenbuch) einfach frei ins Netz 
stellte, sogar noch mit CC-Lizenz? Ich denke, die müßten den Titel über das 
Jahr mehrfach nachdrucken, weil das Buch bei dem wirklich fairen Ladenpreis für 
fast 500 Seiten einfach ein attraktives Produkt ist und durch einen Ausdruck 
oder gar das pdf in keiner Weise ersetzt wird. Durch die frei zugängliche 
Fassung würde jeder mit Medienrecht befasste Student das Buch kennen. Ein 
deutlicher Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Wo also ist der mutige Verleger, 
der mal richtig Kasse machen will??

Übrigens: Warum verkauft DTV tonnenweise Beck-Taschenbücher mit Gesetzestexten, 
obwohl diese Texte gratis, aktuell und konsolidiert im Netz, sogar als 
ausdruckbares PDF verfügbar sind. Weil Bücher einfach praktisch sind! Ich kaufe 
mir immer aktuelle Gesetzetexte als Buch, obwohl ich einen Großteil des Tages 
vor dem Bildschirm mit Netzanschluss verbringe.

Ich finde es komisch, wenn ich das einem Verleger immer wieder sagen muss! 
Warum dieses Mißtrauen in die eigenen Printprodukte. Sie können keine Bücher 
aus dem Internet herunterladen. Bücher können Sie NUR kaufen. 

Freundliche Grüße
Eric Steinhauer



Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.