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Re: [InetBib] Elektronischer Leseplatz und Recht auf Privatkopie
- Date: Fri, 3 Apr 2009 10:48:17 +0200 (CEST)
- From: Eric Steinhauer<eric.steinhauer@xxxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Elektronischer Leseplatz und Recht auf Privatkopie
Sehr geehrter Herr Ulmer,
ein Lehrbuch in elektronischer Form und als gedrucktes Buch sind nicht
gleichwertig. Für die intensive Arbeit mit einem Text ist das Buch die
praktischste Variante. Sie unterstellen, dass jeder Download einen Kauf
ersetzt. Das ist unrealistisch. Der studentische Leser hat ein bestimmtes
Budget an Zeit und Geld. Er wird sich - im Idealfall - nach sorgfältiger
Prüfung und vielleicht auch nach der Empfehlung in der Vorlesung für einen
bestimmten Titel entscheiden, ihn kaufen und durcharbeiten.
Elektronisch angebotene Bücher sind hier eine Ergänzung zu Einzelfragen und
eignen sich beim Anfertigen schriftlicher Arbeiten zum Auffinden von
Belegstellen. Für diese Nutzungen wird kein Student ein Buch kaufen. Hier geht
kein Umsatz verloren.
Die Präferenz für das gedruckte Werk zum intensiven Arbeiten einmal
vorausgesetzt, würde mich interessieren, wie sich die im Vergleich zu früheren
Zeiten deutlich gestiegenen Studentenzahlen hier auswirken. Wenn es
beispielsweise in Münster heute etwa so viele Jurastudenten gibt wie die
gesamte Universität (alle Fächer!) in der 50er Jahren überhaupt Studenten
hatte, frage ich mich, wie man damals als Verlag existieren konnte ...
Der Feind des Lehrbuchs ist meiner Meinung nach nicht das elektronische Angebot
von Bibliotheken, sondern das selbstgebastelte Skript von Hochschullehrern für
immer modularisiertere Lehrveranstaltungen mit Semesterprüfungen.
http://skriptorium.blog.de/2009/03/30/lage-lehrbuchs-5857882/
Ich finde auch, dass der Werbecharakter von elektronischen Angeboten in
Bibliotheken von den Verlagen zu wenig gesehen wird. In der aktuellen
Diskussion um GEMA und Youtube findet sich in der Presse diese Aussage:
"Jede Minute werden 13 Stunden Videomaterial hochgeladen, viele Millionen
Videos sind kostenlos abrufbar. Angeblich gucken mehr Jugendliche Videos im
Internet als beim Musiksender MTV. Und: Jeder zweite kauft sich danach eine CD
oder einen digitalen Song, ergab eine BBC-Studie."
http://www.bild.de/BILD/digital/technikwelt/2009/04/01/gema-streit/mit-youtube.html
Ein mp3-File ist doch viel leichter durch ein gratis-Angebot substituierbar als
ein gedrucktes Buch durch eine pdf-Datei! Ich verstehe diese Mißtrauen der
Verlage in ihre eigenen Printprodukte nicht.
Wäre ich ein Verleger, würde ich mit ein oder zwei ausgesuchten Titeln einmal
experimentieren. Was würde passieren, wenn Mohr sagen wir mal das
Medienrechtslehrbuch von Fechner (UTB-Taschenbuch) einfach frei ins Netz
stellte, sogar noch mit CC-Lizenz? Ich denke, die müßten den Titel über das
Jahr mehrfach nachdrucken, weil das Buch bei dem wirklich fairen Ladenpreis für
fast 500 Seiten einfach ein attraktives Produkt ist und durch einen Ausdruck
oder gar das pdf in keiner Weise ersetzt wird. Durch die frei zugängliche
Fassung würde jeder mit Medienrecht befasste Student das Buch kennen. Ein
deutlicher Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Wo also ist der mutige Verleger,
der mal richtig Kasse machen will??
Übrigens: Warum verkauft DTV tonnenweise Beck-Taschenbücher mit Gesetzestexten,
obwohl diese Texte gratis, aktuell und konsolidiert im Netz, sogar als
ausdruckbares PDF verfügbar sind. Weil Bücher einfach praktisch sind! Ich kaufe
mir immer aktuelle Gesetzetexte als Buch, obwohl ich einen Großteil des Tages
vor dem Bildschirm mit Netzanschluss verbringe.
Ich finde es komisch, wenn ich das einem Verleger immer wieder sagen muss!
Warum dieses Mißtrauen in die eigenen Printprodukte. Sie können keine Bücher
aus dem Internet herunterladen. Bücher können Sie NUR kaufen.
Freundliche Grüße
Eric Steinhauer
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.