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Re: [InetBib] Sony reader
Liebe Frau Kühnel, liebe Inetbibler,
Eine sehr interessante Diskussion. Spannend auch die Frage, wie sich
die IT-Fachwelt zu dem Thema äußern wird.
Siehe: http://www.heise.de/ct/inhalt/2009/08/94/
Der Artikel in der aktuellen Ausgabe der c't liegt seit gestern vor - er bietet
m.E. einen guten Überblick über die Vor- und Nachteile des Sony PRS-505, wie er
seit der Leipziger Buchmesse in Deutschland vertrieben wird. Die überwiegend
positive Besprechung wie das Fazit in der c't decken sich ganz gut mit meinen
eigenen Erfahrungen bei der Nutzung des Gerätes:
"Mit dem Sony Reader macht es Spaß, Bücher und Dokumente zu lesen, schnell
stellt sich dasselbe Lesevergnügen wie auf Papier ein. Die größten Vorteile
dabei sind, die Schriftgröße verstellen zu können und eine ganze Büchersammlung
in einem taschenbuchgroßen Gerät bei sich zu haben. Die Trägheit des
Bildschirms stört bei der Navigation, nicht aber beim Lesen. [...] Am meisten
stört die umständliche Download-Prozedur, die dem Sicherheitsbedürfnis der
Verlage geschuldet ist. [...] Bleibt zu hoffen, dass das Angebot in den
nächsten Monaten schnell wächst und die Verlage doch noch ein etwas
komfortableres System zum Herunterladen ihrer Bücher finden - dann könnte der
Sony Reader tatsächlich das E-Book in Deutschland massenmarkttauglich machen."
[c't, 8/2009, S. 99]
Die letzte Aussage halte ich für gewagt. Dem widersprechen m.E. der stolze
Preis des Gerätes sowie die Preispolitik der Verlage, die die (wenigen) E-Books
aus ihrem Angebot überwiegend zum Preis der gedruckten Variante anbieten.
Richtig ist aber m.E., daß das größte Hemmnis zum aktuellen Zeitpunkt in der
umständlichen Einrichtung sowie im wenig komfortablen Download von E-Books aus
den Verlagsangeboten zu sehen ist. Da wünscht man sich schnell die Simplizität,
die iTunes - in Kombination mit einem iPod - zur Killer-Application für den
legalen Download von Musik zu einem akzeptablen Preis gemacht hat. (Und das war
ja nicht erst gestern und dürfte auch der Verlagswelt nicht ganz entgangen
sein.)
Erschwerend hinzu kommt die überwiegend schlechte Qualität der
Format-Aufbereitung der verschiedenen kostenpflichtigen E-Books, die ich
bislang - nach Einrichtung eines Kontos bei libri.de, Installation von Adobe
Digital Editions, Einrichten einer Adobe-ID und abschließender "Freischaltung"
des Readers - auf meinen Reader gespielt habe. Mir scheint, so richtig
angekommen ist die Technologie, die man zur Umsetzung des offenen EPUB-Formates
(s. http://de.wikipedia.org/wiki/EPUB) benötigt, in der Verlagswelt noch nicht
wirklich. Störend sind hier vor allem die vielen Codierungsprobleme bei
"Sonderzeichen", die dann schlicht als "?" dargestellt werden. Bei Sachbüchern
gibt es haufenweise Probleme mit dem Fußnotenapparat, der entweder gar nicht
umgesetzt ist oder unbrauchbar (man muß mühsam ans Ende des Buches springen, da
die Möglichkeiten zur Verlinkung nicht genutzt werden). Wissenschaftliche
Literatur habe ich bislang in den verschiedenen Angeboten der Branche noch
keine gefunden. Wie hier aber schon gesagt: Wahrscheinlich muß man den Verlagen
einfach mehr Zeit geben, die Technologie kennenzulernen und sich auf diese
Technik einzurichten (evtl. ein Zirkelschluß, denn die Akzeptanz des Readers
wird auch entscheidend davon abhängen, ob es den Verlagen gelingt,
professionell erstellte Produkte auf den Markt zu bringen).
Wirklich positiv finde ich die Darstellungsqualität des Sony Readers. Zwar ist
der Hintergrund leicht gräulich, Kontrast und Schärfe sind jedoch hervorragend.
Sowohl bei Tageslicht wie bei künstlicher Beleuchtung läßt sich auf dem Reader
angenehm lesen. Hervorzuheben ist m.E. noch die Möglichkeit, weitere Inhalte
(PDF-Dokumente und vor allem auch RSS-Feeds) auf den Reader zu laden. Auch hier
ist die Darstellungsqualität überzeugend. Vor einer Zugfahrt "aufgeladen", muß
man nicht mehr ein Notebook auspacken, um Online-Artikel von Spiegel, FAZ (oder
auch Inetbib, Archivalia, ...) zu lesen - wenn man gerade Lust drauf hat.
Empfehlenswert ist hierzu m.E. die Installation von "calibre" (s.
http://calibre.kovidgoyal.net/), einer Open-Source-Software, die deutlich
erweiterte Möglichkeiten bietet, Inhalte zwischen Rechner und E-Book-Reader
auszutauschen sowie E-Book-taugliche Formate zu erzeugen. Interessant ist, daß
man hier ein eigenes Python-Interface geboten bekommt, mit dem man Webcontent
ins EPUB-Format konvertieren und automatisiert mit dem Sony Reader
synchronisieren kann. Etliche Scripts stehen bereits zum Download bereit.
Eigene können ergänzt und in der Community ausgetauscht werden. Wahrscheinlich
steckt in diesen Möglichkeiten, Webcontent "offline" auf einem E-Book-Reader
verfügbar zu machen, mehr Potential, als sich die Verlagsbranche (mit ihrem
noch der Druckwelt entlehnten Angang an diese Technologie) derzeit ausmalen
kann. Vielleicht bergen diese erweiterten Nutzungsmöglichkeiten aber auch eine
Form des Schreckens, daß man sich wünscht, gar nicht erst in diesen Markt
eingestiegen zu sein. ;)
Man kann auf jeden Fall gespannt sein, vor allem, da es für die US-Version des
Readers, die vor über einem Jahr eingeführt wurde, bereits zahlreiche
Möglichkeiten gibt, einen offenen Gebrauch von dem auf Linux (s.
http://en.wikipedia.org/wiki/MontaVista_Linux) basierenden Sony Reader zu
machen. Angepaßte Firmware-Versionen für die deutsche Version des Readers
werden also nicht lange auf sich warten lassen. Für den ambitionierten Nutzer
wird es keine Rolle spielen, daß man mit Aufspielen einer angepaßten Firmware
seine Garantieansprüche verliert. Dies sei aber zumindest abschließend erwähnt.
Beste Grüße,
Kay Heiligenhaus
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.