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Re: [InetBib] Scannen der Verlagspublikation fuers Repositorium zulaessig?



On Thu, 19 Feb 2009 00:08:08 +0100
 christian.sprang@xxxxxx wrote:
Mit Verlaub: Brötchen kaufe ich beim Bäcker und nicht
beim Schornsteinfeger, und Rechtsrat sollte man sich beim
Juristen holen, nicht beim Historiker. Vielen Beiträgen
des Kollegen Graf merkt man zwar Freude und Fleiß beim
juristischen Dilettieren an, das rechtfertigt aber noch
nicht die Überzeugung, mit der manch eigenartige
Gedankensprünge vorgetragen werden. 

Der Beitrag von Steinhauer beschäftigt sich mit dem
Scannen einzelner (älterer) Zeitschriftenbeiträge, die
vom Verlag - vermutlich mangels entsprechender
Rechtseinräumung im Verlagsvertrag resp. gesetzlichem
Rechteerwerb gemäß § 137 l UrhG - nicht online verbreitet
werden. Graf macht daraus ein allgemeines Recht von
Repositorien, pdfs, die ein Verlag von seinen
Publikationen erstellt hat, ohne Genehmigung öffentlich
zugänglich zu machen.

Ich gehe noch weiter: Auch die ueblichen lizenzvertragliche
Beschraenkungen, die gegen das Verwenden von PDFs aus
lizenzierten elektronischen Verlagsprodukten angefuehrt
werden koennten, halten einer Inhaltskontrolle als AGB nach
dem BGB nicht stand. Wenn der Autor Nutzungsrechte dem
Repositorium einraeumen kann, kann meiner Ansicht nach auch
das Verlags-PDF genutzt werden.

Auch der Historiker könnte, meint man, bemerken, dass
hier eine Analogie zwischen zwei Sachverhalten
hergestellt wird, die sich deutlich unterscheiden.
Zunächst einmal ist die verlagsvertragliche Situation bei
(älteren) Zeitschriftenbeiträgen regelmäßig eine ganz
andere als diejenige, die man allgemein bei
"Verlagspublikationen", also z.B. Büchern oder neueren
Zeitschriftenbeiträgen, vorfindet. So würde ich aus dem
Umstand, dass der Verlag ein pdf verbreitet (was zumeist
in der Form öffentlicher Zugänglichmachung erfolgt),
herleiten, dass er davon ausgeht, zu dieser
Nutzungshandlung vom Autor befugt zu sein. Dies sollte zu
der Frage führen, ob daneben (vertraglich) tatsächlich
noch Raum geblieben ist für eine vom Verlag nicht
genehmigte Nutzung derselben Datei durch ein
Repositorium.

Herr Sprang wirft hier einiges durcheinander. Dass Verlage
im grossen Stil rechtswidrig z.B. bei DigiZeitschriften
aeltere Zeitschriften eingestellt haben, ohne dazu im
mindesten befugt zu sein (DigiZeitschriften hat mir
gegenueber diesbezueglich eine strafbewehrte
Unterlassungserklaerung abgegeben und mehrfach
Verlagsstrafen an mich bezahlt), verschafft keine
Nutzungsrechte. Online-Nutzungsrechte werden nicht einfach
durch Rechtsbruch und deren Duldung erworben. Es gilt fuer
Zeitschriftenartikel und unverguetete Buchbeitraege der §
38 UrhG, der in Verbindung mit der Zweckuebertragungsregel
das ausschliessliche Nutzungsrecht des Verlags im
Printbereich nach einem Jahr beendet. Es ist auch nach dem
zweiten Korb ganz ausgeschlossen, dass bei aelteren
Beitraegen dieser Art den Verlagen nach § 137 L ein
urheberrechtliches Nutzungsrecht zum 1.1.2008 oder 1.1.2009
erwachsen ist.

Nochmals: Entscheidend ist, was ausdruecklich mit dem Autor
vereinbart wurde. Hat dieser keinen entsprechenden
Verlagsvertrag abgeschlossen, gilt im Zweifel § 38 UrhG. 

 Schließlich aber stellt das von Graf
empfohlene direkte Konkurrieren mit einem vom Verlag
erstellten und verbreiteten pdf auch wettbewerbsrechtlich
einen ganz anderen Sachverhalt dar als die von 
 Steinhauer abgehandelte Eigenerstellung einer digitalen
Version eines (älteren) Beitrags aus einer gedruckten
Zeitschrift. Es liegt nämlich auf der Hand, dass sich das
Ausmaß der Leistungsübernahme und das Vorliegen einer
Wettbewerbssituation (zwischen zwei identischen digitalen
Produkten) in den beiden Konstellationen deutlich
voneinander unterscheiden. 

Dass gemeinnuetzige Institutionen wie Bibliotheken in einem
Wettbewerbsverhaeltnis zu Verlagen stehen, ist nicht
erwiesen und wird von der herrschenden Meinung abgelehnt. 

Übrigens würde ich auch der (ungleich respektableren)
Steinhauerschen Empfehlung nicht ohne Weiteres folgen.
Einmal abgesehen davon, dass die wettbewerbsrechtliche
Wertung anders vorgenommen werden kann und in bestimmten
Fällen auch markenrechtliche Aspekte zu berücksichtigen
sind, 
bleibt das Repositorium Urheberrechtsverletzer, wenn sich
nach einer vom Verlag nicht genehmigten Digitalisierung
und online-Nutzung eines Zeitschriftenbeitrags
herausstellt, dass der Autor (gutgläubig) über Rechte
(mit)verfügt hat, die er nicht besaß (das können neben
Rechtspositionen des Verlags z.B. auch Rechte von
Mitverfassern des Beitrags sein). Ungeachtet von den
Fragen der Beweislast, die Steinhauer hervorhebt, setzt
sich der Betreiber des Repositoriums also immer einem
Risiko aus, das er selbst nicht zuverlässig einschätzen
kann.

Deswegen scheint mir in solchen Fällen der Weg der Wahl
in einer kurzen schriftlichen Verständigung zwischen
Autor und Verlag zu liegen, die sich das Repositorium
vorlegen lässt. In der Regel wird ein Verlag, der an
einem älteren Zeitschriftenbeitrag keine
online-Nutzungsrechte besitzt, gegen Einräumung dieser
Rechte durch den Autor zur Gestattung der Nutzung des
Aufsatzes im Repositorium gerne bereit sein.

Gehe nicht zum Fuerscht, wenn du nicht gerufen wuerscht.
Die Verlage setzen im grossen Stil auf FUD, auf
Einschuechterung und Behauptung nicht bestehender Rechte.
Es besteht ueberhaupt kein grund, bei klarer Rechtslage die
Autoren dazu zu zwingen, sich mit dem Verlag zu
verstaendigen. Dies ist nur eine der vielen
organisatorischen Huerden, die die Verlage aufrichten, um
den gruenen OA-Weg in praxi unattraktiv zu machen.
Vordergruendig generoes ("gerne bereit"), tun sie alles,
damit moeglichst wenige Wissenschaftsautoren ihre Rechte
auf Selbst-Archivieren wahrnehmen koennen. Nicht zuletzt
die von den Verlagen errichtete urheberrechtliche
Drohkulisse traegt zur geringen Selbstarchivierungsquote
bei.

Repositorien-Betreiber sollten sich vom Boersenverein und
seinem Wachhund in dieser Liste nicht einschuechtern
lassen, sondern sich wie ueblich mit der Versicherung des
Autors, dass dieser rechtmaessig hochlaedt, begnuegen.
Sollte etwas daran nicht korrekt sein, koennen sich Verlage
immer noch mit dem Autor oder Repositorium in zivilisierter
Form auseinandersetzen.

Klaus Graf 





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