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Re: [InetBib] Nutzungsrechte an Diplom-, Master- und Bachelor-Arbeiten
- Date: Tue, 22 Jul 2008 22:43:20 +0200 (CEST)
- From: Eric Steinhauer<eric.steinhauer@xxxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] Nutzungsrechte an Diplom-, Master- und Bachelor-Arbeiten
Liebe Liste, lieber Herr Graf, lieber Herr Kuhlen,
dass ich SEHR dafür bin, dass gute studentische Abschlussarbeiten publiziert
werden, möchte ich hier vorausschicken. Ich glaube aber nicht, dass es möglich
ist, die Publikation studentischer Abschlussarbeiten rechtlich vorzuschreiben.
Hierzu gäbe es drei Möglichkeiten, nämlich die Bestimmung der
Publikationspflicht in einer Satzung der Hochschule (Prüfungsordnung), im
Hochschulgesetz des jeweiligen Bundeslandes oder im Urheberrechtsgesetz.
Bevor ich auf diese drei Möglichkeiten eingehe, zunächst ein Wort zur
Publikationspflicht bei Dissertationen. Dies deshalb, weil gerade die
Publikationspflicht bei Dissertationen in der aktuellen Diskussion als
vergleichbarer Sachverhalt genommen wird.
Dissertationen sind mit studentischen Abschlussarbeiten aber nicht vergleichbar.
Dissertationen sind selbständige wissenschaftliche Arbeiten, die einen
Erkenntnisfortschritt in der Wissenschaft darstellen. Da Wissenschaft aber ein
notwendigerweise auf Kritik und Kommunikation aufgebautes System ist, kann ein
wissenschaftlicher Erkenntnisfortschritt nur dann ein wissenschaftlicher sein,
wenn er sich der Fachkommunikation stellt, mithin publiziert wird.
Die Publikation ist hier dem Merkmal ?wissenschaftlich? eigetümlich. Wer nicht
publiziert, hat eben keine wissenschaftliche Leistung vollbracht, jedenfalls
keine, die mit einem akaddemischen Titel, einem öffentlichen Ausweis
geleisteter wissenschaftlicher Arbeit honoriert zu werden verdient.
Daher geht das Prüfungsrecht davon aus, dass die Publikation der Dissertation
Teil der Prüfungsleistung ist. Das Prüfungsrecht kann auch bestimmen, wie die
Publikation für die jeweilige wissenschaftliche Community angemessen zu
erfolgen hat.
Dies wäre etwa die Grundlage, in bestimmten Fachkulturen schon heute eine
elektronische Publikation zwingend vorzuschreiben. Die Veröffentlichung auf
Mikroform, ein Relikt des ausgehenden analogen Bibliothekszeitalters, dürfte
meines Erachtens schon heute nicht mehr dem prüfungsrechtlichen Standard
entsprechen und gehört abgeschafft.
Die Pflicht zur Publikation der Dissertation besteht freilich nur mit Blick auf
das Ziel der Promotion. Sie ist KEINE urheberrechtliche Pflicht. Der Doktorand
wird durch die prüfungsrechtliche Publikationspflicht in seinem Urheberrecht
überhaupt nicht eingeschränkt.
Niemand kann ihn zwingen, seine Arbeit zu publizieren, weil nur er allein
Inhaber der Veröffentlichungsrechte ist. Publiziert er seine Arbeit nicht, so
wird er allein prüfungsrechtlich sanktioniert. Er bekommt eben keinen Titel.
Das ist wie beim Sportabzeichen: Niemand kann mich zwingen, in einer bestimmten
Zeit um den Sportplatz zu rennen. Nur, wenn ich das nicht tue, bekomme ich eben
kein Sportabzeichen.
Daraus wird deutlich, dass ich für die schlichte Publikation der Dissertation
keine gesetzliche Grundlage außerhalb des Prüfungsrechts brauche. Eine andere
Frage ist die Zahl abzuliefernder Werkstücke bei gedruckten Arbeiten. Hier
liegt ein Eingriff in das Eigentum vor, der juristisch andes zu qualifizieren
ist, inbesondere verhältnismäßig sein muss. Ich lasse das Thema mal beiseite,
obwohl hier einiges im argen liegt. Für die elektronische Publikation ist es
gleichgültig.
Kommen wir zur studentischen Abschlussarbeit. Diese ist von ihrem Anspruch her
keine eigenständige wissenschaftliche Leistung, sondern lediglich der Ausweis,
dass wissenschaftliche Methoden lege artis auf eine vorgegeben Fragestellung
angewendet werden können.
Ich zitiere hier § 2 des Allgemeinen Diplomprüfungsordnung der TU Ilmenau:
"Zweck der Diplomprüfung
Die Diplomprüfung bildet den berufsqualifizierenden Abschluss des
Diplomstudienganges, der insbesondere auf eine wissenschaftliche Qualifizierung
ausgerichtet ist. Durch sie wird festgestellt, ob der Kandidat die
Zusammenhänge des mit seinem Studiengang gewählten Fachgebietes überblickt und
die Fähigkeit besitzt, wissenschaftliche Methoden und Erkennt-nisse anzuwenden
sowie die für den Übergang in die Berufspraxis notwendigen gründlichen
Fachkenntnisse erworben hat."
Ist dieser Nachweis als schriftliche Leistung erbracht und von den
prüfungsrechtlich vorgesehenen Personen positiv begutachtet worden, sind die
Anforderungen der Prüfungsordnung erfüllt. Die Publikation dieser Arbeit ist,
da sie eben keinen wissenschaftlichen Beitrag darstellen muss, kein Teil der
Prüfungsleistung.
Von daher kann sie auch nicht Gegenstand des Prüfungsrechts sein. Schon gar
nicht darf die Graduierung von der Erfüllung einer Publikationspflicht abhängig
gemacht werden. Wäre dies anders, so wären technische Diplomarbeiten, die aus
Indusrieprojekten erwachsen, schlicht unzulässig, weil diese Arbeiten aufgrund
einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Diplomand und Firma gar nicht
veröffentlicht werden dürfen. Gleichwohl ist es gängige Praxis, dass gerade an
technischen Hochschulen derartige Diplomarbeiten geschrieben werden und die
prüfungsrechtlichen Anforderungen fraglos erfüllen.
Wenn nun die Publikation als Mitteilung an die wissenschaftliche Öffentlichkeit
nicht Bestandteil der Prüfungsleistung ist, sondern als weitere Pflicht
hinzutritt, wäre im Unterscheid zur Promotion tatsächlich ein Eingriff in das
Veröffentlichungsrecht gegeben, denn dem Studenten wird eine Handlung
abgenötigt, die von der Sache her mit dem Prüfungsverfahren nichts zu tun hat.
Vollkommen neben der Sache wäre eine Verknüpfung von Graduierung und
Publikation. Dadurch würde der hochschulrechtliche Unterscheid zur
Doktorprüfung verletzt. Eine andere Möglichkeit wäre, im Wege der
Prüfungsordnung ein Nutzungsrecht auf die Hochschule übergehen zu lassen. Das
aber wäre ein Eingriff in das Urheberrecht, der nur im Urheberrechtsgesetz
selbst vorgenommen werden könnte. Aus verfassungsrechtlichen Gründen wäre hier
aber eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen.
Ich habe große Zweifel, hier einen gesetzlich vorgeschriebenen Übergang von
Nutzungsrechten an die Hochschule für zulässig zu halten. Wenn es schon bei den
viel stärker auf Publikation hin angelegten Dissertationen kein
urheberrechtliches Nutzungsrecht der Hochschule an der Arbeit gibt, dann kann
ich nicht erkennen, wo das öffentliche Interesse liegen sollte, bei
studentischen Abschlussarbeiten anders zu verfahren.
Lange Rede, kurzer Sinn: Weil studentische Abschlussarbeiten eben keine
eigenständigen wissenschaftlichen Leistungen sein müssen, sondern allein die
handwerksmäßige Beherrschung wissenschaftlich-methodischen Arbeitens belegen,
sind sie nicht auf Publikation in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit
angelegt. Hierin unterscheiden sie sich grundlegend von Dissertationen.
Es gibt daher keine prüfungs- oder hochschulrechtliche Möglichkeit, die
Publikation von Abschlussarbeiten rechtlich zu erzwingen. Ein solcher Zwang
wäre allenfalls als urheberrechtlicher denkbar. Hier aber dürfte es kein das
Urheberrecht der Autoren überwiegendes öffentliches Interesse an einer
Publikation studentischer Abschlussarbeiten geben.
Die Publikation der wirklich guten Arbeiten kann man rechtlich also nicht
erzwingen. Man sollte aber an der Hochschule eine Publikationsmöglichkeit
gerade für diese Arbeiten eröffnen. Qualität muss nicht in der Schublade
verstauben oder in der grauen Masse der hinkenden Privatdrucke von
Diplomarbeitsverlagen untergehen.
Eric Steinhauer
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.