Rainer Kuhlen schrieb:
Hallo, ich schreibe das mal als Hochschulmensch für Informationswissenschaft - im Aktionsbündnis muss das zuweilen differenzierter gesehen und vor allem unter Berücksichtigung der gesamten Komplexität behandelt werden.Ein Dienst wie Subito wird - nach den Prozessen der vergangenen Jahre - auf Rechtssicherheit streben. Wenn man sich auf die EZB als Nachweis des "offensichtlichen" Angebots verständigt, dann ist das zu begrüßen, denn es erleichtert die Prüfung ganz erheblich. Dass Subito bei den Verlagen, die bislang keine pay-per-view Angebote in der EZB nachgewiesen haben, auf die elektronische Lieferung verzichtet, obwohl sie nach Rechtslage auch ohne Vertrag liefern dürfte, ist wohl als Zugeständnis an die Verlage zu sehen, ist aber aus Benutzersicht ein Unding und gegen die Interessen von Bildung und Wissenschaft, wie das Urheberrechtsbündnis in seiner Pressemitteilung "Wissenschaft off-line — erste negative Auswirkungen der Urheberrechtsnovelle" völlig zu recht festgestellt hat. Dabei hieß es in der "Gemeinsamen Stellungnahme zu den §§52b und 53a UrhG-RegE noch: "Soweit diese Meldung nicht erfolgt, greift als Auffangtatbestand auch für diese Lieferungen eine gesetzliche Lizenz, um sicherzustellen, dass die Bibliotheken in jedem Fall auf Wunsch digital versenden zu können." Also warum liefert Subito nicht, wenn sie dürfen? Dann wären vielleicht auch die Verlage schneller mit ihren Meldungen.(1) Nicht richtig scheint mir die Aussage von Herrn Eberhardt zu sein, "dass das Recht auf elektronische Lieferung in jedem Fall den Interessenten durch die Urheberrechtsänderung zum 1.1.2008 genommen wurde". Nicht zuletzt Politiker wie Tauss/SPD und Müller /CDU haben in § 53a dafür gesorgt, dass die Lieferung zumindest "elektronisch" grafischer Dateien in Übereinstimmung mit § 53 erlaubt ist, es sei denn das Angebot der Verlagswirtschaft ist nicht offensichtlich erkennbar und in der Preispolitik nicht angemessen. Die Frage könnte sich also aufdrängen: Wieso arbeitet die Bibliothekswelt selber daran, dass das Angebot offensichtlich erkennbar ist (z.B. über die Zeitschriftendatenbank) - warum belässt man diese Aufgabe nicht den Verlagen selber? Und warum einigt man sich auf eine Preispolitik, die politisch zwar das Attribut angemessen bekommt, aber für Nutzer nicht ganz so angemessen ist. Wäre beides nicht erfüllt, könnte man weiter liefern; dem alten OLG-Urteil ist durch § 53a UrhG jetzt in dieser Sache der Boden entzogen.
Was die Forderung der Angemessenheit in 53a betrifft, so zielt diese nach meinem Verständnis auf die pay-per-view Angebote der Verlage (= originäre Online-Angebote), nicht auf die in den Verträgen mit Subito ausgehandelten Konditionen (für elektronisch übermittelte Bilddateien).
Das ist ein Irrtum. Subito liefert im Normalfall überhaupt keine vollelektronischen Dateien (originäre PDFs), sondern nur grafische Dateien. §53a lässt auf Basis einer gesetzlichen Lizenz nur den elektronischen Versand von grafischen Dateien zu; auf Basis einer vertraglichen Lizenz hätte man sich mit den Verlagen auch auf den Versand von vollelektronischen Dateien einigen können. Das passiert auch, nur nicht im Rahmen von Subito, sondern im Rahmen eigener (kommerzieller) Dokumentenlieferdienste, die von den Bibliotheken aufgebaut werden, z.B. der TIB Hannover.(2)Es sei allerdings nicht als Vorteil bestritten, dass die Einigung mit den Verlagen jetzt auch die vollelektronische Lieferung erlaubt - die grafischen Dateien sind ja für Wissenschaft weniger interessant. Aber dass dies mit einem doch rigiden DRM erkauft wurde, ist nicht akzeptabel. DRM hat in BuW nichts zu suchen. Zu Zeiten, in denen auch große Teile der Unterhaltungsindzstrie darauf verzichten, gestehen die Bibliotheken den Verlagen DRM zu und zwar duchaus starkes. Wie kleinlich und ängstlich! - welcher Missbrauch ist denn mit einem elektronischen wissenschaftlichen Artikel zu erwarten, der annähernd vergleichbar ist mit den Weitergabewahrscheinlichkeiten eines aktuellen Songs oder Videos? Aus dem Verzicht auf DRM hätten subito und früher (und vielleicht demächst der DBV wieder) ein "muss" machen müssen. Die Position der Bibliotheken ist doch die der Stärke. An wen wollen denn die Verlage verkaufen oder leasen, wenn nicht an die Bibliotheken!! Wenn daran die VErhandlungen gescheitert wären, hätten subito etc. die gesamte Wissenschaft protestierend hinter sich gehabt. Oder ist hier politischer Druck ausgeübt worden?
Ich zitiere aus dem vom Börsenverein öffentlich gemachten Nachtrag Nr. 1:2.7.3. Um jeglichen Zweifel auszuschließen, wird hiermit klargestellt, dass der Begriff "Dokumentenlieferdienst von Subito e.V." hier dieselbe Bedeutung trägt wie im Rahmenvertrag. Insbesondere muss es sich bei der Quelle eines jeden zu liefernden Dokuments um ein gedrucktes Original handeln, das Bestandteil der ständigen Sammlung der betreffenden Lieferbibliothek ist. Sofern der Verlag nicht ausdrücklich der Verwendung seiner elektronischen Quellen zustimmt, muss die für die Versendung genutzte Kopie von einer gedruckten Originalpublikation stammen. Weiteres Indiz: Aus E-only-Zeitschriften wird im Rahmen von Subito überhaupt nicht geliefert.
Ebenso im Rahmenvertrag "Die von der Lieferbibliothek gemäß einer Kundenanfrage genutzte Quelle ist stets ein gedrucktes Medium."
Nr. 4 des Nachtrags sieht lediglich als optionale Bestimmungen vor:4.1 Der Verlag erlaubt subito e.V. hiermit nach seinem Ermessen, digitale Dateien als Quelle der gemäß Ziffer 2.2.1 zu liefernden Dokumente zu benutzen. Die Nutzung dieser Erlaubnis steht subito e.V. frei. 4.2 Der Verlag verzichtet hiermit auf die Anwendung von DRM für Lieferungen aller Art, insbesondere für Lieferungen über Mittler, in ... (Deutschland, ..., der ganzen Welt)
Im "Leitfaden zum Abschluss von Lizenzverträgen mit subito", hrsg. von der Rechtsabteilung des Börsenvereins (Stand Febraur 2008),
http://www.boersenverein.de/de/69181?rubrik=69173&seite=110&dl_id=179830 heißt es dazu:"Sofern der Verlag die Verwendung seiner eigenen digitalen Quellen für den Versand gestattet, besteht die Möglichkeit, mit subito individuell eine Erhöhung der genannten Gebühr zu vereinbaren."
(Ob Subito oder einzelne Bibliotheken davon Gebrauch machen werden, bleibt abzuwarten. Unklar ist, ob evtl. Mehrkosten von der Bibliothek getragen würden (da die eigenen Handling-Kosten reduziert würden), oder ob sie an den Endkunden weitergegeben werden, mit dem Argument der besseren Qualität der am Ende resultierenden Papierkopie.)
Und in den "5 Schritten":3. (...) Wählen Sie in Klausel 4.1 des Nachtrags Nr. 1, ob Sie subito die Verwendung ihrer elektronischen Quellen für den Dokumentenversand gestatten wollen oder nicht. Geben Sie bei Klausel 4.2 des Nachtrags Nr. 1 ein, ob sie bei der Verwendung von Dokumenten in bestimmte Territorien mit einer Absenkung technischer Schutzmaßnahmen einverstanden sind oder nicht. (Nota bene: Nicht zuletzt im Hinblick auf die weitere Lobbyarbeit des Börsenvereins wäre es hilfreich, wenn möglichst viele Verlage subito die Arbeit erleichtern und die Nutzung ihrer elektronischen Quellen gestatten würden.)"
Wohlgemerkt: hier steht nicht "... wäre es hilfreich, wenn möglichst viele Verlage den Wissenschaftlern ihre Arbeit erleichtern und subito die Lieferung elektronischer Originaldateien ohne technische Schutzmaßnahmen gestatten würden." und so ist das auch sicher nicht intendiert. Bei der Verwendung elektronischer Quellen geht es - wenn ich das richtig verstehe - lediglich darum, nicht das Printexemplar vom Standort holen zu müssen, Endprodukt für den Benutzer soll am Ende letztlich immer eine gedruckte Kopie sein. Für die elektronischen Originaldateien gibt es aus Sicht der Verlage ja gerade die Pay per view Option oder halt die lokale Lizenzierung über Online-Abos.
Für alles andere bauen TIB Hannover und andere eigene Systeme auf, z.B. die TIB mit TIBScholar - Elektronische Volltexte im Direktzugriff. Anders als Subito bietet die TIB Hannover innerhalb Deutschlands, Österreichs, der Schweiz und Liechtenstein weiterhin die DRM-freie Lieferung über TIBORDER für nicht-kommerzielle Nutzer weiterhin möglich, solange kein offensichtliches elektronisches Angebot für das bestellte Dokument existiert. Wo elektronische Angebote der Verlage vorhanden sind, schließt die TIB separate Vereinbarungen mit den Verlagen, über die ein Direktzugriff auf elektronische Volltext im Rahmen eines neu entwickelten Angebotes "TIBScholar" (http://www.tibscholar.de) möglich sein wird. Von der TIB wurde mir bestätigt, dass diese direkt nicht-DRM verschlüsselt auf dem eigenen PC erscheinen. (In den AGB steht allerdings drin, dass man auch bei elektronischer Lieferung des Dokuments nach Ausdruck die Datei löschen muss.) Die Inanspruchnahme dieser Dienste wird allerdings i.a. deutlich teurer als Subito kommen. Nach meinen Stichproben sind hier typischerweise 20-25 Eur zu berappen.
Ja, der leichtfertige Umgang der Geschäftsführung von Subito mit dem Datenschutz "in eigener Sache" ist in der Tat bedenklich. Man kann nur hoffen, dass diese Entgleisung nicht repräsentativ für den Datenschutz bei Anfragen von Verlagen ist.(3) Wenn die Nutzer - wie die Geschäftsführung von subito es nahelegt - mit den Preisen zurechtkommen (sind Studierende gefragt worden?), dann soll es nicht weiter kritisiert werden; aber der Umgang von subito mit den persönlichen Daten ist wirklich verbesserungsnötig. Wie konnte man sich darauf verständigen, dass die sämtlichen Daten der subito-Zentralregulierung auf Anfrage den Verlagen weitergegeben werden. (So muss man das aus dem "Nachtrag" lesen - wenn das korrigiert werden könnte, umso besser). Dass subito jetzt auch selber klar Nicht-Nutzer von Nutzer aus seinen Unterlagen separiert, zeigt, dass hier nicht nur die Superjuristen, die die Verträge nach UrhR-Verträglichkeit abgeklopft haben sollen, gefragt sind, sondern auch die Datenschützer.
Amen - das kann ich als Bibliothekar nur unterstützen. Da müssen aber auch beide Seiten aufeinander zugehen. Z.B. frage ich mich seit langem, warum im "Forum Zeitschriften GeSIG e.V. - Der Runde Tisch der Fachinformation", http://www.gesig.org/, die IuK-Initiative nicht vertreten ist. Die gehörte da unbedingt rein.(4) Was man aus dem Streit seit der DBV-Börsenverein-Einigung und jetzt den subito-Verlage-Verträgen lernen kann, ist, dass Bildung und Wissenschaft sich nicht mehr wie viele Jahre selbstverständlich auf ihre Bibliothekare bzw. ihre Vertretungen verlassen können, sondern dass diese vielmehr - mag verständlich sein für einen Verein wie subito mit Angestellten - auch ihre eigenen Strukturen sichern wollen. Fast die gleichen Argumente, mit denen subito damals den DBV kritisiert hatte, arbeitet jetzt die DBV-Umgebung gegenüber subito. Es wird Zeit, ein Mitbestimmungsmodell zu entwickeln und zur Anwendung zu bringen, d.h. Vertretungen von BuW, wie Aktionsbündnis oder IuK-Initiative gehören mit an solche Verhandlungstische.RK
Joachim Eberhardt schrieb:Liebe Liste, Torsten Schassan schrieb, Am 06.03.2008 16:01: > > wie kann man auch auf die Idee kommen, einen Dieb bei der Polizei zu> melden, der beim Nachbarn eingebrochen hat, obwohl man selbst doch nicht> bestohlen worden ist? Frechheit, sowas!die Analogie von Herrn Schaßan ist unfair: der Vertrag mag unvorteilhaft für Subito und seine Kunden sein im Vergleich zur Situation vorher; aber etwas, das vertraglich geregelt ist, ist das Gegenteil von Diebstahl. Die Analogie legt nahe, dass hier aufrechte Vertreter der Bibliothekswelt beobachten, wie Kunden durch die gütliche Einigung zwischen Subito und Verlegerseite bestohlen werden. Bitte erinnern Sie sich daran, dass das Recht auf elektronische Lieferung in jedem Fall den Interessenten durch die Urheberrechtsänderung zum 1.1.2008 genommen wurde, und nicht durch den Subito-Vertrag. Derlei Rhetorik heizt hier nur den Ton an, was sicher dem sachlichen Gehalt der Auseinandersetzung nicht gut tut.Wir sollten doch uns daran erinnern, dass die Auseinandersetzung eine Vorgeschichte hat. Nachdem der DBV mit dem Börsenverein in Gesprächen einen Vorschlag zum zweiten Korb erarbeitet hatte, hat die Subito-Fraktion (Unterzeichner Griebel, Dugall, Korwitz, Lossau, Schnelling, Rosemann) in einem offenen Brief daran starke Kritik geübt; das war vor fast genau einem Jahr.Siehe <http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg32897.html>Kern der Kritik: dass nun eine Regelung vorgeschlagen sei, welche keine andere Wahl lasse, als sich mit der Gegenseite (den Verlagen) zu einigen. Genau das hat Subito nun getan, um die elektronische Liefermöglichkeit auch für die Fälle zu bewahren, für die der Gesetzgeber keine Erlaubnis durch Schranken vorgesehen hat. Dass diese teuerer würde als von allen erwünscht, war ja zu erwarten. Seinerzeit hat der DBV zu verstehen gegeben, man habe versucht unter den gegebenen Bedingungen zu erreichen, was zu erreichen war. Dies mag im Effekt nicht viel gewesen sein, und der offene Brief meint ja, eine andere Verhandlungstaktik (Verweigerung) sei besser gewesen. Nun ist die Situation also umgekehrt; Subito meint erreicht zu haben, was zu erreichen war, und andere zweifeln und meinen, da wäre mehr drin gewesen, und verweigern wäre besser gewesen. Ich war bei den Verhandlungen nicht dabei, aber ich bin mir sicher, dass sie schwierig waren, jetzt wie damals.> BTW: Ist es mit dem Datenschutz vereinbar, dass hier "nachweislich" in > der Kundenkartei nach dem Vorhandensein privater Daten einzelner > Personen gesucht worden ist?Ergänzend: Ich denke wie Sie, Herr Schaßan, dass Frau Braun-Gorgons Verweis auf das Kundenverhalten einzelner ein Unding ist!Freundliche Grüße, J. Eberhardt (UB Erlangen-Nürnberg)
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