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Re: [InetBib] VDM-Verlag / Pflichtexemplarrecht
- Date: Wed, 30 Jan 2008 15:15:18 +0100 (CET)
- From: Eric Steinhauer<eric.steinhauer@xxxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] VDM-Verlag / Pflichtexemplarrecht
Lieber Thomas, liebe Liste,
zunächst eine kurze Präzisierung zur Rechslage im Saarland. Die
Anbietungspflicht ist normiert in § 14 des Saarländischen Mediengesetzes.
Einzelheiten finden sich in der "Verordnung über die Anbietungsverpflichtung
der Verlegerinnen oder Verleger und der Druckerinnen oder Drucker nach dem
Saarländischen Mediengesetz vom 10. März 2003 (ABl. Saarland S. 597)". Dort
bestimmt § 5 Abs. 2, dass der Verleger mit Ablieferung einen
Erstattungsanspruch in Höhe von 50 % des Ladespreises (!!) erwirbt. Daran gibt
es leider nicht zu deuten.
http://bibliotheksrecht.blog.de/2008/01/30/saarlandisches_pflichtexemplarrecht~3654561
Eine andere Frage ist es, ob der Verordnungsgeber im Jahre 2003 gut beraten
war, wenn die Höhe der Erstattung nicht an den tatsächlichen Kosten, sondern an
den mitunter unrealistischen Gewinnerwartungen der Verleger gemessen wird. Sinn
der Erstattungsregelung ist es aus verfassungsrechtlichen Gründen allein, eine
unangemessene Belastung in besonders gelagerten Ausnahmefällen zu verhindern.
Diese Belastung freilich kann nur in den Herstellungskosten liegen. Alles
andere ist Wunsch, Fitkion und fromme Erwartung. Interessant ist auch, dass es
im Saarland keine Grenzen für einen Entschädigungsanspruch gibt.
So greift nach der Bayerischen Pflichtstücke-Entschädigungsrichtlinie vom 1.
Oktober 2006 eine Entschädigung erst, wenn die Auflage weniger als 500
Exemplare beträgt UND die Herstellungskosten eines Exemplares größer als 75 ?
sind. Hier sollte man wissen, dass nach Art. 1 des Bayerischen
Pflichtstückegesetzes vom 6. August 1986 von jedem Druckwerk sogar zwei(!)
Exemplare abzuliefern sind. Bemessungsgrundlage für den Erstattungsanspruch
sind nach bayerischem Recht übrigens die Herstellungskosten eines Stückes
zuzüglich 40 % hiervon als Gemeinkostenpauschale. Die maximale Entschädigung
beträgt 50 % des Ladenpreises. Nach Bayerischer Rechtslage müßte VDM also zwei
Stücke entschädigungslos liefern.
Der Vergleich zu Bayern zeigt noch einmal deutlich, wie ungewöhnlich die
saarländische Regelung ist. Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist sie in der
konkreten Form jedenfalls nicht geboten.
Das Problem, das Verlage wie VDM und andere für die Bibliotheken bereiten,
liegt aber auf einer anderen Ebene.
Wer einstellige "Auflagen" im Digitaldruck produziert und im Buchhandel
vertreibt, fällt unter das Pflichtexemplarrecht, obwohl wir es hier mit einem
Grenzfall einer Buchpublikation zu tun haben. Rein phänomenologisch liegt hier
ein im VLB verzeichneter Privatdruck vor mit dem Unterschied, dass er einer
breiten Öffentlichkeit durchaus zum Erwerb angeboten wird.
Dieser "hinkende" Privatdruck passt nicht in das herkömmliche System der
Pflichtablieferung und des bibliothekarischen Sammelns. Auch für die Rezeption
bereitet er Schwierigkeiten. da Zitate aus ihm mangels zureichender Werkstücke
kaum verifiziert werden können. Redlicherweise kann man Print on demand-Bücher
gerade für Nischenthemen nur als hybride Publikation verantworten, wenn man
denn dem Autor eine wirklich vollwertige Publikation anbieten möchte, die auch
nach praktischen Gesichtspunkten zitierfähig ist.
Für die Pflichtexemplarbibliotheken scheint mir Print on demand schon aus
Gründen der Magazinkapazität eine Ergänzung der Abgabemodalitäten erforderlich
zu machen. Die einschlägigen Verordnungen sollten nach Wahl der Bibliothek eine
Modifikation der Ablieferungspflicht dahingehend zulassen, dass der Verleger
die in jedem Fall vorhandene digitale Version des Werkes abzuliefern hat. Es
versteht sich von selbst, dass für dieses unkörperliche Pflichtexemplar eine
Entschädigung nicht in Betracht kommt. Die Verordnungsgeber in Bund und Ländern
sollten einmal darüber nachdenken und ihren Landesbibliotheken sowie der
Deutschen Nationalbibliothek helfen, die von VDM, GRIN und vielen anderen
Anbietern mit gedruckten Diplom-, Master- und sogar Seminararbeiten (!)
überschwemmt zu werden drohen. Es wäre nicht nur die leidige Entschädigunsfrage
gelöst. Die Bibliotheken würden bei ihren Unterhaltsträgern auch nicht
vorzeitig wegen allfälliger Magazinneubauten vorstellig.
Eric Steinhauer
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.