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Re: [InetBib] VDM-Verlag / Pflichtexemplarrecht



Lieber Thomas, liebe Liste,

zunächst eine kurze Präzisierung zur Rechslage im Saarland. Die 
Anbietungspflicht ist normiert in § 14 des Saarländischen Mediengesetzes. 
Einzelheiten finden sich in der "Verordnung über die Anbietungsverpflichtung 
der Verlegerinnen oder Verleger und der Druckerinnen oder Drucker nach dem 
Saarländischen Mediengesetz vom 10. März 2003 (ABl. Saarland S. 597)". Dort 
bestimmt § 5 Abs. 2, dass der Verleger mit Ablieferung einen 
Erstattungsanspruch in Höhe von 50 % des Ladespreises (!!) erwirbt. Daran gibt 
es leider nicht zu deuten.

http://bibliotheksrecht.blog.de/2008/01/30/saarlandisches_pflichtexemplarrecht~3654561

Eine andere Frage ist es, ob der Verordnungsgeber im Jahre 2003 gut beraten 
war, wenn die Höhe der Erstattung nicht an den tatsächlichen Kosten, sondern an 
den mitunter unrealistischen Gewinnerwartungen der Verleger gemessen wird. Sinn 
der Erstattungsregelung ist es aus verfassungsrechtlichen Gründen allein, eine 
unangemessene Belastung in besonders gelagerten Ausnahmefällen zu verhindern. 
Diese Belastung freilich kann nur in den Herstellungskosten liegen. Alles 
andere ist Wunsch, Fitkion und fromme Erwartung. Interessant ist auch, dass es 
im Saarland keine Grenzen für einen Entschädigungsanspruch gibt.

So greift nach der Bayerischen Pflichtstücke-Entschädigungsrichtlinie vom 1. 
Oktober 2006 eine Entschädigung erst, wenn die Auflage weniger als 500 
Exemplare beträgt UND die Herstellungskosten eines Exemplares größer als 75 ? 
sind. Hier sollte man wissen, dass nach Art. 1 des Bayerischen 
Pflichtstückegesetzes vom 6. August 1986 von jedem Druckwerk sogar zwei(!) 
Exemplare abzuliefern sind. Bemessungsgrundlage für den Erstattungsanspruch 
sind nach bayerischem Recht übrigens die Herstellungskosten eines Stückes 
zuzüglich 40 % hiervon als Gemeinkostenpauschale. Die maximale Entschädigung 
beträgt 50 % des Ladenpreises. Nach Bayerischer Rechtslage müßte VDM also zwei 
Stücke entschädigungslos liefern. 

Der Vergleich zu Bayern zeigt noch einmal deutlich, wie ungewöhnlich die 
saarländische Regelung ist. Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist sie in der 
konkreten Form jedenfalls nicht geboten.

Das Problem, das Verlage wie VDM und andere für die Bibliotheken bereiten, 
liegt aber auf einer anderen Ebene. 

Wer einstellige "Auflagen" im Digitaldruck produziert und im Buchhandel 
vertreibt, fällt unter das Pflichtexemplarrecht, obwohl wir es hier mit einem 
Grenzfall einer Buchpublikation zu tun haben. Rein phänomenologisch liegt hier 
ein im VLB verzeichneter Privatdruck vor mit dem Unterschied, dass er einer 
breiten Öffentlichkeit durchaus zum Erwerb angeboten wird. 

Dieser "hinkende" Privatdruck passt nicht in das herkömmliche System der 
Pflichtablieferung und des bibliothekarischen Sammelns. Auch für die Rezeption 
bereitet er Schwierigkeiten. da Zitate aus ihm mangels zureichender Werkstücke 
kaum verifiziert werden können. Redlicherweise kann man Print on demand-Bücher 
gerade für Nischenthemen nur als hybride Publikation verantworten, wenn man 
denn dem Autor eine wirklich vollwertige Publikation anbieten möchte, die auch 
nach praktischen Gesichtspunkten zitierfähig ist.

Für die Pflichtexemplarbibliotheken scheint mir Print on demand schon aus 
Gründen der Magazinkapazität eine Ergänzung der Abgabemodalitäten erforderlich 
zu machen. Die einschlägigen Verordnungen sollten nach Wahl der Bibliothek eine 
Modifikation der Ablieferungspflicht dahingehend zulassen, dass der Verleger 
die in jedem Fall vorhandene digitale Version des Werkes abzuliefern hat. Es 
versteht sich von selbst, dass für dieses unkörperliche Pflichtexemplar eine 
Entschädigung nicht in Betracht kommt. Die Verordnungsgeber in Bund und Ländern 
sollten einmal darüber nachdenken und ihren Landesbibliotheken sowie der 
Deutschen Nationalbibliothek helfen, die von VDM, GRIN und vielen anderen 
Anbietern mit gedruckten Diplom-, Master- und sogar Seminararbeiten (!) 
überschwemmt zu werden drohen. Es wäre nicht nur die leidige Entschädigunsfrage 
gelöst. Die Bibliotheken würden bei ihren Unterhaltsträgern auch nicht 
vorzeitig wegen allfälliger Magazinneubauten vorstellig. 

Eric Steinhauer





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