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Re: [InetBib] VDM-Verlag / Pflichtexemplarrecht
- Date: Wed, 30 Jan 2008 13:15:56 +0100
- From: "Pannier, Dietrich" <Pannier-Dietrich@xxxxxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib] VDM-Verlag / Pflichtexemplarrecht
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
der Vortrag von Herrn Muczak ist forsch, hat aber mit Fug kaum und "mit Recht"
nichts zu tun.
Wie so oft erleichtert ein Blick in das Gesetz die Findung der dort geregelten
Absichten.
Daher hier erst einmal dieser Text:
"Saarländisches Pressegesetz
§ 12
Anbietungsverpflichtung der Verlegerinnen oder Verleger und der Druckerinnen
oder Drucker
(1) Von jedem Druckwerk, das im Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt wird,
hat die Verlegerin oder der Verleger den von dem Ministerium für Bildung,
Kultur und Wissenschaft bezeichneten Stellen ein Stück anzubieten und auf
Verlangen gegen angemessene Entschädigung abzuliefern (Pflichtexemplar).
(2) ..."
Daraus ist ersichtlich, dass eine Andienungspflicht normiert ist, aber keine
Abnahmeverpflichtung. Erst wenn das Werk von einer der "bezeichneten Stellen"
auch verlangt wird, wird dadurch eine "angemessene Entschädigung" ausgelöst.
Das Pressegesetz schützt also auch die "bezeichneten Stellen" davor, für
zweifelhafte Produkte (Stichworte "Landser-Hefte", "Gewalt-Pornos" etc.) von
den andienungspflichtigen Verlagen als Teilfinanzierungsquelle ausgenutzt zu
werden. Leider ist die Wirklichkeit einer Pflichtexemplarbibliothek ja nicht so
einseitig, wie man es sich bei einer lockeren Kritik an den saarländischen
Kollegen so wünscht. Die Bibliotheken haben einen Sammelauftrag, das bedeutet
aber nicht, dass sie ohne Rücksicht auf Verluste alles abnehmen müssen.
Die Formulierungen einer der "angemessenen Entschädigung" in verschiedenen
rechtlichen Regelungen zur Pflichtabgabe sind Folge einer Entscheidung des
BVerfG. Davor galt eine entschädigungslose Ablieferungspflicht, die ein
Kleinstverlag wertvoller Reprints erfolgreich angefochten hat.
Siehe zu allem auch die Entscheidung BVerfG 1. Senat, 14. Juli 1981, Az: 1 BvL
24/78, abgedruckt in BVerfGE 58, 137-152 und neben weiteren Fundstellen in NJW
1982, 633-635 und diese auf dem Bibliothekartag 1983 bei der AjBD gehaltenen
Vorträge von Bertold Picard und Karl-Friedrich Meyer, abgedruckt in den
Mitteilungen der AjBD:
von Bertold Picard in Mitt AjBD 1983, 87-103 : Das Pflichtexemplarrecht aus
bibliothekarischer Sicht. Kurzreferat aus "juris": "Verfasser untersucht die
Aussagen des BVerfG in seinem Beschluß vom 14.7.1981 - 1 BvL 24/78 - zur
Zulässigkeit der in der Regel kostenlosen Pflichtabgabe von Verlagserzeugnissen
durch die Verleger. Er gibt Empfehlungen für eine Revision der
Pflichtbestimmungen des Bundes und der Länder. Den Bibliotheken und ihren
Unterhaltsträgern gibt er Anregungen, wie sie ihrem Auftrag einer möglichst
vollständigen Sammlung effektiv und rationell nachkommen könnten."
von Karl-Friedrich Meyer in Mitt AjBD 1983, 61-70: Das Pflichtexemplarrecht aus
juristischer Sicht Kurzreferat aus "juris" "Verfasser untersucht die Frage,
welcher Spielraum dem Gesetzgeber im Anschluß an die Entscheidung des BVerfG
vom 14. Juli 1981 - 1 BvL 24/78 - für die Ausgestaltung des
Pflichtexemplarrechts von Verfassungs wegen offensteht, in welchem Umfang er
also bibliothekarischen oder verlegerischen Interessen den Vorzug geben darf.
Er untersucht weiterhin, wie unter dem Blickwinkel des erwähnten höherrangigen
Rechts die praktische Handhabung der gesetzlichen Pflichtexemplarbestimmungen
aussehen muß und welche Möglichkeiten hier - etwa in Form von Richtlinien - für
die Verwaltung bestehen. Er stellt abschließend fest: Die Entscheidung des
BVerfG sieht die Vergütung des Verlegers als Ausnahme, die unentgeltliche
Ablieferung an die Pflichtbibliotheken der Länder als den Regelfall an. Für die
Ausgestaltung der für Härtefälle zu treffenden Vergütungsregelung ist das
Kriterium der Zumutbarkeit maßgebend. Hinsichtlich der Einzelheiten, auch der
Höhe der Vergütung, ist dem Gesetzgeber ein beträchtlicher Regelungsspielraum
belassen."
Dr. Meyer war damals wissenschaftlicher Mitarbeiter beim BVerfG gewesen und ist
heute OVG-Präsident in Rheinland-Pfalz. Picard war leitender Mitarbeiter bei
der DDB. Die Beiträge sind derzeit elektronisch nicht verfügbar. Bestimmt haben
die Autoren uns damals keine Rechte zur elektronischen Veröffentlichungsform
abgetreten, wir haben sie auch nicht danach gefragt. Aber vielleicht schaffe
ich es in nächster Zeit, sie auf der Website der AjBD als Scans bei der Rubrik
Veranstaltungen "http://www.ajbd.de/veranst.htm" bereitzustellen.
Mit freundlichen Grüßen
Dietrich Pannier
Bibliothek des BGH
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.