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Re: [InetBib] Harvesting von Netzpublikationen



Liebe Herr Graf,

ich will die alte Diskussion um § 52b UrhG nicht unnötig aufwärmen, finde es 
aber sympathisch, in Sachen Annexvervielfältigung neben Berger nun auch Frau 
Euler auf meiner Seite zu wissen. Ich unterschlage nicht, dass Spindler in NJW 
2008, S. 13 damit offenbar kein Problem hat, wie man ja auch in meinem Blog 
nachlesen kann. Ich bin mir aber nicht sicher, ob Spindler hier das Problem 
wirklich gesehen hat. Aber, wie gesagt, ich will das nicht aufwärmen.

Wichtiger erscheint mir Ihr Hinweis auf die Bedeutung des DNBG. Ich selbst war 
auch zunächst der Ansicht, im DNBG gäbe es eine Art urheberrechtlicher 
Regelung. Kompetenzrechtlich spricht nichts dagegen. Allerdings überzeugt das 
bei näherem Hinsehen nicht, da aus einer Kompetenz nicht einfach eine 
Eingriffsbefugnis gefolgert werden kann. Die ist schon explizit zu formulieren. 
Und daran fehlt es eben im DNBG.

Ihr Hinweis auf das HRG klingt gut, trifft es aber nicht. Kein Autor wird durch 
das HRG oder die Promotionsordnungen gezwungen, seinen Text zu publizieren. Die 
Pflicht gilt nur, wenn der Autor auch Herr Doktor werden möchte, also nur im 
Rahmen des Prüfungsverfahrens. Und die Pflicht ist, da sie durch den Autor 
selbst erfüllt wird, eben die Betätigung seines Rechts aus § 12 UrhG.

Etwas anderes wäre es, wenn die Universität aufgrund der Promotionsordnung das 
Recht hätte, den Text zu publizieren. Dann läge tatsächlich ein Eingriff in das 
Urheberrecht vor. Dieser Fall wäre mit dem Harvesten vergleichbar. 

Dass das Promotionsgeschehen kein urheberrechtlicher Vorgang ist, zeigt auch 
die Bewertung der Abgabe von Dissertationen an die Hochschulschriftenstellen 
zum Vertauschen. Hier liegt keine Verbreitung als Ausübung eines 
urheberrechtlichen Nutzungsrechts durch die Bibliothek vor. Vielmehr erfolgt 
die Verbreitung bereits durch den Autor mit Abgabe der Arbeiten an die 
Bibliothek. Zu diesem Zeitpunkt tritt bereits die urheberrechtliche Erschöpfung 
ein, vgl. auch 
Christian Kobusch, Pflichtexemplare einer Dissertation im Lichte des 
Urhebergesetzes : ein Kuriosum auf dem Weg durch die Instanzen, in: WissR 34 
(2001), S. [259]-270.
http://bibliotheksrecht.blog.de/2006/05/18/rechtslage_zum_tausch_abgelieferter_diss~808745
Die Bücher, die die Bibliothek vertauscht, sind sozusagen "second hand".

Was bedeutet das:im Ergebnis? Der Gesetzgeber sollte im UrhG den 
Pflichtexemplarbibliotheken die nötigen Befugnisse ausdrücklich geben. Und wenn 
ich hier wieder einmal einen sich klar aussprechenden Gesetzgeber verlange, 
dann wären wir wieder bei § 52b UrhG und dem leidigen Problem der 
Annexvervielfältigungskompetenz im speziellen und der "konkludenten Annexe" im 
allgemeinen. Aber das wollte ich hier ja nicht wieder aufwärmen.

Eric Steinhauer



Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.