[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: [InetBib] Enquetekommission empfiehlt in ihrem SchlussberichtBibliotheksgesetze



Lieber Herr Müller,

der Streit um Worte ist in der Tat die Lieblingsbeschäftigung von uns Juristen. 
So gesehen, darf man dem Gesetzgeber dankbar sein, wenn er sich nicht präzise 
ausdrückt. :))

Waren Ihre Ausführungen zu meiner Ansicht zu § 52b UrhG ein wörtliches Zitat? 
Über methodische Fragen der Auslegung im Bereich der urheberrechtlichen 
Schranken 
können wir uns an anderer Stelle ja noch einmal unterhalten. 
:)
Aber Sie haben recht: Ich halte § 52b UrhG durch Auslegung und vor allem 
Analogie(!) für nicht reparierbar. Aber das ist heute ja nicht Thema. 

Sie sprechen eine terminologische Unschärfe im deutschen Urheberrecht an, 
wonach ?öffentliche Bibliotheken? im wesentlichen die öffentlich zugänglichen 
Bibliotheken sind. Unter diesen Begriff der öffentlichen Bibliotheken fallen, 
da ist sich die Kommentarliteratur nach meiner Kenntnis wohl einig, natürlich 
auch die wissenschaftlichen Bibliotheken an den Hochschulen, mitunter sogar 
Behördenbibliotheken. Öffentlich ist in Abgrenzung zu privat zu verstehen.

Ich bezweifle aber, dass die EK Kultur sich hier vom Urheberrecht hat 
inspirieren lassen.

Zwar werden in der Einleitung des Berichts auch die wissenschaftlichen 
Bibliotheken, ja die gesamte deutsche Bibliothekslandschaft erwähnt, wenn es 
aber um die Frage nach einem Bibliotheksgesetz geht, verengt sich der Blick der 
Kommission doch sehr eindeutig:

?Eine ... rechtliche Normierung gibt es für kommunale Bibliotheken nicht. 
Kommunale Bibliotheken sind Kultureinrichtungen und zählen zu den freiwilligen 
Aufgaben der Kommunen ? sie sind nicht ausdrücklich als kommunale 
Pflichtaufgabe normiert.?
S. 129 f.

Und hier kommt dann die Empfehlung:

?Die Enquete-Kommission empfiehlt den Ländern, Aufgaben und Finanzierung der 
öffentlichen Bibliotheken
in Bibliotheksgesetzen zu regeln. Öffentliche Bibliotheken sollen keine 
freiwillige Aufgabe sein, sondern eine Pflichtaufgabe werden.?
S. 132

Dieser Satz kann sich, betrachtet man die einleitende Passage auf S. 129 f. nur 
auf die öffentlichen Bibliotheken in kommunaler Trägerschaft beziehen, 
antiquiert ausgedrückt, die (Volks)Büchereien. 
Wie sollte auch eine Hochschulbibliothek eine Pflichtaufgabe sein? Dieser 
Begriff entstammt dem Kommunalrecht!

Ich bleibe dabei, dass die konkrete gesetzgeberische Handlungsempfehlung einen 
wichtigen Teil des deutschen Bibliothekswesens, nämlich die wissenschaftlichen 
Bibliotheken, ausspart. 
Das ist schade und nicht auf der Höhe der Zeit! 

Wenn ich hier nicht genau gelesen habe, dann zeigen Sie doch eine Stelle, 
aus der etwas anderes hervorgeht. Ich wäre dafür wirklich dankbar. 

Aber vielleicht meinen Sie ja dies: Da die EK in ihren Ausführungen immer 
wieder Projekte und Dienstleistungen auch der wisseschaftlichen Bibliotheken 
anspricht, könnte man diese Sätze mehr betonen:

?Wichtiger Bestandteil einer Reform des Bibliothekwesens in Deutschland muss 
eine rechtliche Aufwertung von Bibliotheken sein. Mehr Verbindlichkeit und 
Unterstützung könnten Bibliotheken durch eine rechtliche Festschreibung in Form 
von Bibliotheksgesetzen erfahren.?
S. 131

Hier kann man durchaus auch die wissenschaftlichen Bibliotheken hineinlesen, 
die gehören ja auch zum ?Bibliothekswesen in Deutschland?. 

Allerdings fürchte ich, dass der Begriff ?Bibliotheksgesetz? im zweiten Satz 
wieder in der üblichen engen Sicht verstanden wird, die sich in der 
Handlungsempfehlung niedergeschlagen hat. 

Diese Sicht geistert seit mehr als 50 Jahren durch das deutsche Kulturrecht. 
Danach gehören die wissenschaftlichen Bibliotheken ins Hochschulgesetz, die 
?Volksbüchereien? sollen ein Bibliotheksgesetz bekommen. Vgl. schon  
Süsterhenn/ Schäfer, ?Kommentar der Verfassung für Rheinland-Pfalz? (!950), S. 
176.

Dennoch sagt die EK Kultur: ?Wichtiger Bestandteil einer Reform des 
Bibliothekwesens in Deutschland muss eine rechtliche Aufwertung von 
Bibliotheken sein.?

Das ist für mich der wichtigste Satz in dem ganzen Abschlussbericht, wenn es um 
die Projektierung von Bibliotheksgesetzen geht. Hier kommt das ganze 
Bibliothekswesen in den Blick, also auch die wissenschaftlichen Bibliotheken. 
Nur, leider, ist das nicht Gegenstand der abschließenden Handlungsempfehlung. 
Der Jurist freilich hat gelernt, auch aus ?obiter dicta? Honig zu saugen. 

In diesem Sinne herzliche Grüße
Eric Steinhauer





Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.