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[InetBib] Studiengebühren und Gruppenegoismen



Liebe Liste,

im Saarland, einem bekanntlich armen, dennoch gegen innerdeutsche und auch französische Zudringlichkeiten von Bevölkerung und derzeit herrschendem politischen Personal gleichermaßen energisch verteidigten Land (http://www.youtube.com/watch?v=hLRwJLR1KgU), wurden mit Beginn des Wintersemesters 2007/08 Studiengebühren eingeführt. Diese belaufen sich in den ersten beiden Semestern zum Anfixen auf EUR 300, die dann nach eingetretener Abhängigkeit ab dem dritten Semester auf EUR 500 angehoben werden. Die so erhobenen Mittel werden an der Universität des Saarlandes (UdS) unter Einbeziehung und Mitbestimmung der Studierenden und der Studiendekane zu 70% den Fakultäten zugewiesen. 30% stehen für zentrale Aufgaben zur Verfügung,. Dies bedeutet natürlich nicht, dass dieser Anteil automatisch den Zentralen Einrichtungen zufließt, denn die Mittel werden als Projektgelder zur Verfügung gestellt, über deren Bewilligung ein aus Studierenden und Vertretern des Präsidiums zusammengesetzter Ausschuss befindet. Projektanträge können von jedem Angehörigen der UdS eingereicht werden. (Die Studierenden kamen so bereits in den Genuss einen USB-Stöckchens, auf das nach Bedarf das eigene Konterfei aufgedruckt werden und das mit Marketing- und Infomateial der UdS befüllt werden kann => Finanzierungsaufwand für den 1 GB-Stock: EUR 160.000. Somit konnten hier von den Studierenden immerhin EUR 10 pro (aufgedruckter) Nase erfolgreich "refinanziert" werden, denn von einem USB-Stock hat man ja was).

Auch die SULB hat mehrere Projektanträge gestellt, darunter einen auf eine Campuslizenz für ein Literaturverwaltungprogramm, für das bislang nie Geld aufzutreiben war. Die Studierenden haben das Projekt bewilligt und sich aus der Masse der Angebote für eine betriebssystemsunabhängige Webdatenbank entschieden, deren Betreiber eine recht liberal gehandhabte und einfache Selbstregistrierung erlaubt. Diese Bewilligung wurde jedoch an mehrere Auflagen geknüpft. Drei sind sinnvoll und leicht zu erfüllen: Datenexport bei Hochschulwechsel, dauernde Schulungen, Integration in die E-Learning-Plattform der UdS. Die vierte Bedingung aber stimmt mich unfroh. Der Zugang soll ?aus politischen Gründen? auf gebührenpflichtige Studierende begrenzt werden, obwohl damit keine Kostenreduzierung zu erreichen ist und der Anbieter selbst eine solche Reglementierung in keiner Weise verlangt.

Als Mitarbeiter einer Bibliothek, die bisher immer bestrebt war, einen möglichst ungehinderten campusweiten (oder authentifizierten Remote-) Zugriff für alle Angehörigen der sie tragenden Institution und physisch anwesende Tagesbesucher durchzusetzen, stehe ich dieser Forderung einigermaßen rat- und fassungslos gegenüber. Die SULB hat immer alles daran gesetzt, gruppenspezifische Eingrenzungen (die mit Shibboleth und ähnlichen Mechanismen problemlos möglich wären bzw. möglich sein werden), gegenüber Anbietern abzulehnen und einen diskriminierungsfreien Zugang sicherzustellen. Also freie Fahrt für freie UdS-Angehörige und Besucher (lieber Herr Graf, ich kann mir denken, was Sie einwenden möchten. Lassen Sie stecken. Wir können trotz des Einsatzes öffentlicher Mittel nicht die ganze Nation beglücken. Obwohl wir es gerne würden).

Nun sehen wir uns erstmals mit der Forderung konfrontiert, diesen weitgehend freien Zugang künstlich zu beschränken, weil die Nachfrager - und nicht der Anbieter - dies so wünschen. Unabhängig von dem "Verwaltungs-Overhead", den es mit sich bringen würde, ein technisches Filterverfahren einzusetzen oder die SULB als Registrar zwischenzuschalten, ist natürlich auch das Konzept gefährdet. Der direkte Zugang zu einem solchen System, die Möglichkeit zur spontanen, selbständigen Registrierung, d.h. zum Schnuppern und Ausprobieren für alle, die daran Interesse haben, trägt wesentlich zur Verbreitung der Software und damit zum Erfolg des ?Projektes? bei. Dies schließt Dozenten und Tutoren selbstverständlich ein (die sich, das sei fairerweise hinzugefügt, nach einer Selbstverpflichtung, das Programm in Lehrveranstaltungen einsetzen zu wollen, auch nach den jetzt festgelegten Bedingungen ebenfalls registrieren dürfen).

Dennoch erscheint mir die Forderung widersinnig, und weitere absurde Szenarien wären leicht denkbar. Die Öffnungszeiten mancher Bibliotheken werden durch Finanzierung aus Studiengebühren ausgeweitet? Stellen Sie ab 22 Uhr Schilder auf: Mitarbeiter und Professoren müssen draußen bleiben! E-Book-Pakete werden über Studiengebühren finanziert? Stellen Sie sicher, dass der Klick auf das PDF nicht von einem Professorenfinger ausging. Es würde dann nicht lange dauern, bis auch andere Gruppen Sonderrechte einfordern oder zugebilligt bekommen würden. Datenbank besonders teuer? Zugriff nur für (wenige) Professoren und Mittelbauer. Zusätzlich vielleicht für Studierende mit (nachgewiesen) hohem IQ (also nach dem sog. Freiburger Modell). Willkommen in Absurdistan ...

Wenn Sie es geschafft haben, bis hierher durchzuhalten (die anderen lesen dies ja eh nicht mehr ;-), einige Fragen: haben Sie bereits ähnliche Erfahrungen gemacht? Sahen oder sehen Sie sich Forderungen gegenüber, aus Studiengebühren finanzierte Informationsmittel Studierenden vorzubehalten? Und falls ja: wie sind Sie diesen Forderungen begegnet?

Fragt, noch immer (aber hoffentlich nicht mehr lange) etwas ratlos,
Thomas Kees

P.S. Mir (als dem Fragesteller) geht es nicht um die Motivation der Studierenden (da Diskussionen auf InetBIB ja mitunter eine gewisse Eigendynamik entwickeln, die das ursprüngliche Thema ein wenig in den Hintergrund rücken lassen). Auch mir ist klar, dass für alle Gruppen relevante Informationsressourcen aus zentralen Mitteln und nicht aus Studiengebühren finanziert werden müssten. Auch mir ist klar, dass wer zahlt, in der Regel auch die Musik bestimmt. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass ein Musikbezahler die Umstehenden zwingen könnte, sich die Ohren zuzuhalten. Zumindest nicht, wenn die Umstehenden dies nicht selbst wollen.

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Thomas Kees

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