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Re: Re: [InetBib] Was geht in § 52b UrhG?



Lieber Herr Graf,

Ihre Ausführungen bestätigen, dass der Gesetzgeber in § 52b UrhG eine wenig 
klare Regelung getroffen hat. Ich stimme Ihnen vollkommen zu, dass es keinen 
eigenen Willen des Gesetzgebers gibt. Es gilt bei der Auslegung des Rechts das 
verkündete Gesetz in seinem Wortlaut und seiner systematischen Stellung. Aus 
den Gesetzesmaterialien sich ergebende Äußerungen und Absichten haben, 
methodisch gesprochen, nur dort Platz, wo das geschriebene Recht unklar ist.

Was wurde nun geregelt?

§ 52b UrhG ist eine Schranke für die öffentliche Zugänglichmachung. Der 
Gesetzgeber hat in dieser Norm keine Schranke für die dafür erforderlichen 
Vervielfältigungshandlungen normiert. Der "gesunde Menschenverstand" setzt eine 
solche Regelung als natürlich gegeben voraus. Das würde ich auch so sehen, wenn 
nicht der Gesetzgeber in § 52a UrhG diesen unseligen Abs. 3 normiert hätte. 

§ 52a UrhG ist wie § 52b UrhG eine Schranke für die öffentliche 
Zugänglichmachung. Hier aber hat der Gesetzgeber gemeint, die für die Nutzung 
der Schranke erforderlichen Vervielfältigungen explizit erlauben zu müssen.

Nach dem Wortlauf von § 52b UrhG und seiner systematischen Stellung (Vergleich 
zu § 52a UrhG) ergibt sich für mich damit zwingend, dass in § 52b UhrG KEINE 
implizite Schranke für entsprechende Vervielfältigungen enthalten ist.

Wie geht man nun damit um? 

Man könnte erwägen, eine planwidrige Lücke anzunehmen und diese in einer 
Analogie zu § 52a Abs. 3 UrhG zu schließen. Andererseits könnte man aber auch 
eine bewußte Nichtregelung durch den Gesetzgeber annehmen.

Ein Blick in die Gesetzesmaterialien spricht eher für eine Lücke. So heißt es, 
dass die Sammlungen digital in gleicher Weise wie schon analog genutzt werden 
können. Zudem macht die ganze Diskussion im Gesetzgebungsverfahren um die 
Bestandsakzessorietät nur Sinn, wenn § 52b UrhG auch auf noch lieferbare Titel 
anzuwenden ist.

So gesehen, spricht viel dafür, in § 52b UrhG eine planwidrige Lücke 
anzunehnehmen. 

Wenn man aber in den Grenzen des geschriebenen Rechts bleibt und zunächst 
einmal von einer Analogie absieht, bleiben in der Tat nur die Möglichkeiten des 
§ 53 UrhG zum Vervielfältigen. 

Über das Erfordernis eines "eigenen Gebrauchs" bei der Vervielfältigung ganzer 
Bücher kommt man leicht hinweg. Die Nutzung der Schranke in § 52b UrhG ist 
sicherlich ein "eigener Gebrauch" der Bibliothek. Beschränkt man sich auf 
vergriffene Werke, so sind damit rund 90 bis 95  % des Bibliotheksbestandes 
einer durchschnittlichen Universitätsbibliothek erfasst. Das ist schon mal kein 
schlechtes Ergebnis!

Lediglich bei den lieferbaren Werken bleibt also ein Problem. Die Ansicht, in § 
52b UrhG eine Vervielfältigungsschranke impliziert anzunehmen, überzeugt mich 
methodisch nicht. Diskussionswürdig ist eine Analogie zu § 52a Abs. 3 UrhG. 
Ansonsten bleibt nur der Weg über § 53 UrhG mit den dargestellten 
Einschränkungen.

Wie soll man sich nun positionieren? Man kann meine eher einschränkende 
Auslegung als übervorsichtig bezeichnen. Andererseits tue ich nichts anderes, 
als den Gesetzgeber beim Wort zum nehmen. Es ist eine grundsätzliche Frage, wie 
man mit einem handwerklich schlechten Gesetz umgeht. Eine sehr verbreitete 
Strategie ist die, das Beste aus einer Norm herauszuholen.

Ich favorisiere diesen Weg nicht. Nach den sehr ernüchternden Erfahrungen mit 
dem letzten Gesetzgebungsverfahren schiebe ich den Schwarzen Peter dem 
Gesetzgeber zu, indem ich sein Recht einfach so nehme, wie er es erlassen hat. 
Soll doch der Gesetzgeber die Dinge nachbessern! 

Die gleiche Frage stellt sich beim elektronischen Kopienversand. Ich würde als 
Bibliothek aus dieser Dienstleistung jedenfalls im STM-Bereich VOLLSTÄNDIG 
aussteigen. Als Bibliothek wäre ich mir zu schade, als 
Lizenzvermittlungsagentur für kommerzielle Dienstleister zu arbeiten. Die 
Nutzer sollen merken, was der Gesetzgeber beschlossen hat.

Wenn wir in den Bibliotheken durch großzügige Auslegung und dergleichen immer 
weiter versuchen, alles beim Alten zu belassen, müssen wir uns nicht wundern, 
wenn in anstehenden Gesetzgebungsverfahren kein Unmut und das heißt keine 
Unterstützung bei unseren Nutzern zu vernehmen ist. 

Erst eine strikte und strenge Auslegung des Rechts macht allen Beteiligten 
klar, wie unangemessen und reformbedürftig der Rechtsrahmen gerade für die 
innovativen bibliothekarischen Dienstleistungen ist. In diesem Sinne bleibe ich 
bei meinem NEIN zu der Frage, ob nach § 52b UrhG wirklich alles, was wir in der 
Bibliothek haben, digitalisiert werden kann.

Außerdem sollte man sich fragen, wo denn der Mehrwert einer Digitalisierung für 
einige wenige Leseplätze (Achtung: eigene Geräte!) liegt. Ich sehe hier noch 
keine tragfähige bibliothekarische Strategie. Vielmehr habe ich den Eindruck, 
der elektronische Leseplatz ist ein Modernisierungsfetisch, den alle haben 
wollen, aber niemand wirklich braucht. Ich jedenfalls kann mir nur wenige 
sinnvolle Anwendungen von § 52b UrhG vorstellen. Aber das ist eine andere 
Diskussion.

Viele Grüße
Eric Steinhauer

P.S.: Die von Ihnen, lieber Herr Graf, aufgeführe Flakon-Entscheidung des BGH 
paßt auf unseren Fall meiner Meinung nach nicht. Der BGH arbeitet mit dem 
Erschöpfungsgrundsatz und einer schlüssigen Einwilligung. Es geht um die 
Verkehrsfähigkeit von Waren und nicht um die Schaffung einer neuen Schranke: 
"Die beanstandete Wiedergabe des Flakons in dem Verkaufsprospekt der Beklagten 
stellt keine Urheberrechtsverletzung dar, weil die Zustimmung des Berechtigten 
zum Vertrieb der Flakons nicht nur den Weitervertrieb (§ 17 Abs. 2 UrhG), 
sondern auch eine werbliche Ankündigung mit umfaßt, die im Zusammenhang mit dem 
(zulässigen) Weitervertrieb steht und sich im Rahmen dessen hält, was für einen 
solchen Vertrieb üblich ist."





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