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[InetBib] "Klassenrassismus"



Liebe Frau Da Rin,

wer Bourdieu liest, kann auch simplere Text wie mein posting in dieser Liste 
sicher richtig verstehen. Vielleicht haben Sie die Anführungsstriche bei den 
Proleten übersehen? Unter diesen Begriff Personen zu subsumieren, die aus 
bildungsfernen Schichten stammen, gibt mein Text nicht her. 

Mit Proleten sind - aus dem Kontext der Aussage - nicht Angehörige irgendeiner 
Unterschicht gemeint, sondern ein Habitus. Wer sein Studium allein aus 
Statusgründen betreibt ohne inneres Interesse an der Sache, mag soziologisch 
Akademiker sein, nicht aber von seiner Einstellung her. Der "Akademiker" 
vierter Generation (Rechtsanwaltstocher oder Arztsohn) kann durchaus ein 
promovierter "Prolet" sein. Man kann diese Spezies, die gerade den begüterteren 
Elternhäusern entstammt (hier wären auch die Aussagen der von Ihnen erwähnten 
Hochschulforschung anzusiedeln) und sich in Kleidung und Verhalten sehr 
statusbetont gibt, an unseren Universitäten, insbesondere an der juristischen 
Fakultät gut beobachten. 

Wenn Sie also Begriffe als vemeintlich politisch inkorrekt kritisieren, so 
jedenfalls fasse ich Ihre Schelte des "Klassenrassismus" auf, sollten Sie 
zunächst Ihr eigenes Vorverständnis hinterfragen. Man erliegt leicht der 
Versuchung, dieses an die Stelle des im Text Gemeinten zu setzen. 

Um Ihr Bild des "Klassenrassisten" ein wenig ins Wanken zu bringen, erlaube ich 
mir eine kleine biographische Anmerkung in eigener Sache: In meiner Familie 
gibt es weder väterlicher- noch mütterlicherseits irgendwelche studierten 
Personen oder gar Abiturienten. Mein Vater war weitergebildeter Hilfsarbeiter 
ohne Berufsausbildung, mein bereits verstorbener Halbbruder KFZ-Schlosser ohne 
Schulabschluss. Nennenswerte Bücherschätze und Bildungsanregungen gab es, 
abgesehenvon einer positiven Grundeinstellung zu Lernen und Bildung, in meinem 
Elternhaus nicht. Den Zugang zu dazu haben mir die Schule und vor allem die 
Bibliotheken vermittelt. Hierfür bin ich zutiefst dankbar. 

Der Aussage, die gesellschaftlichen Umstände bestimmten die Neugier des 
einzelnen, kann ich nur mit großen Vorbehalten zustimmen. Abgesehen von 
wirklich pathologischen Umständen wie Sucht der Eltern oder häuslicher Gewalt 
ist es letztlich eine Entscheidung des einzelnen, ob er Bildung oder Ballermann 
will. Der Prolet im Geiste wird Ballermann wählen, mag er finanziell auch 
begütert sein und seine intellektuelle Dürftigkeit mit akademischen 
Feigenblättern schmücken.

Die von mir hier gebrauchte Differenzierung zwischen Akademiker im 
soziologischen und im eigentlichen Sinn ist übrigens nicht neu. Da es in dieser 
Diskussion guter Brauch geworden ist, dem geneigtem Publikum Bücher und Texte 
zur weiteren Lektüre zu empfehlen, will ich nicht nachstehen: Josef Pieper, Was 
heißt akamisch?, in: ders., Werke in acht Bänden, Bd. 6, Hamburg 1999, S. 72 ff.

Eric Steinhauer



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