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[InetBib] (Fwd) Re: [open] Kapuziner-Bibliothek aus Roudnice n
- Date: Tue, 20 Mar 2007 09:21:37 +0100
- From: "Armin Stephan" <armin.stephan@xxxxxxxxxxxx>
- Subject: [InetBib] (Fwd) Re: [open] Kapuziner-Bibliothek aus Roudnice n
------- Weitergeleitete Nachricht / Forwarded message -------
Von: Armin Stephan <armin.stephan@xxxxxxxxxxxx>
An: INETBIB
Betreff: Re: [InetBib] [open] Kapuziner-Bibliothek aus Roudnice nad Labem
Kopie an: KIBIB-Liste
Antwort an: armin.stephan@xxxxxxxxxxxx
Datum: Mon, 19 Mar 2007 13:03:48 +0100
Lieber Herr Kämper,
zunächst herzlichen Dank für diese Zusammenstellung der einschlägigen
Zitate. Sie hat mir geholfen, ein umfassenderes Bild von den in Altötting
zusammen geführten Kapuziner-Bibliotheken zu erhalten.
Ich werde Ihre Mails deshalb auch an die Mailing-Liste der kirchlich-
wissenschaftlichen Bibliotheken KIBIB weiterleiten.
s. bitte unten mehr ...
Am 16 Mar 2007 um 17:58 hat bernd-christoph.kaemper@xxxxxxx
stuttgart.dRe: [InetBib] [open] Kapuziner-Bibliothek aus Rou geschrieben:
Armin Stephan schrieb am 16.3.2007
Um nicht falsche Vorstellungen und Mythen entstehen zu lassen:
Nach meiner Kenntnis handelt es sich bei den
Kapuziner-Beständen,
die von der UB Eichstätt übernommen worden sind, nun gerade
nicht um eine solche geschlossene, wertvolle, historische
Klosterbibliothek.
Vielmehr handelt es sich dort um die Übernahme eines
Aussonderungslagers der Kapuziner. An verschiedenen Orten
mit Kapuzinerniederlassungen ausgesonderte Bestände mit sehr
unterschiedlicher Güte wurden an einem Ort gesammelt und unter
bibliothekarisch inakzeptablen Bedingungen gelagert (massive
Schimmelgefahr).
Sehr geehrter Herr Stephan,
Die von Eichstätt übernommene Zentralbibliothek der Kapuziner als
bloßes "Aussonderungslager" zu bezeichnen, zeugt von sehr ober-
flächlicher Kenntnis der Bibliothekskultur dieses Ordens im
allgemeinen
und der Funktion seiner Zentralbibliothek im Besonderen.
Ich bin wirklich sehr missverstanden worden, wenn man mir unterstellt, dass
ich diese Büchersammlung als "blosses" Aussonderungslager bezeichnen
würde. Diese negative Interpretation lag nicht in meiner Intention.
Ich wollte nur dem Missverständnis entgegen wirken, dass Herrn Dietz
Verweis auf die tschechische Kapuzinerbibliothek so verstanden wird, als ob
es sich ausschliesslich um eine geschlossene Sammlung handelt, die
durchgängig als Juwel zu bezeichnen wäre.
Wir sind uns darin einig - so lese ich Ihre Mails jedenfalls - dass es in dieser
recht umfangreichen und "bunten" Sammlung unbedingt Erhaltenswertes
(" Wie Holzbauer erklärte, waren viele [!] der 350 000 für Eichstätt
bestimmten
Bände erhaltungswürdig.") aber auch Aussonderungsfähiges (" Gemäß §
2, Abs. 2 unter Beachtung von § 2, Abs.
2 ÜV hat die Universitätsbibliothek nach fach- und pflichtgemäßem
Ermessen des Unterzeichneten [Direktor Holzbauer], der die Aktion vor
Ort leitete, sowohl Bücher an Antiquare verkauft als auch Bestände
vorab ausgeschieden.") gegeben hat.
In Eichstätt sind offenkundig handwerkliche Grundsätze unseres
Berufsstandes rigoros zur Seite geschoben worden.
Die Medien berichteten deshalb:
" Staatsanwaltschaft ermittelt gegen
Uni-Bibliothek
Die Anklage gegen die Bibliotheksleiterin Angelika
Reich lautet auf
Verdacht der Untreue.
Im Rahmen der Anzeige wird auch gegen den Kanzler
der Universität
Eichstätt, Gottfried Freiherr von der Heydte, und
den Provinzial der
bayerischen Kapuziner, Pater Josef Mittermaier,
ermittelt."
Es ist nach meiner Kenntnis ein erstmaliger Vorgang, dass
Buchaussonderungen von BibliothekarInnen zu staatsantwaltlichen
Ermittlungen führen. Das zeigt deutlich, dass die Vorgänge selbst von der
Justiz nicht als banal eingeschätzt werden.
Erst recht müssen sie von den BibliothekarInnen selbst ernst genommen
werden.
Das versuche ich zu tun und bin deshalb für jede Erkenntnis offen. Auch
jede juristische Verurteilung unrechtmäßiger Vorgänge in Eichstätt würde
ich für in Ordnung halten.
Aber auch hier macht der Ton die Musik. Manches, was in der Diskussion
bislang zu zu lesen war, kann ich nicht mitgehen:
1. Es wird gegen drei konkrete Personen ermittelt, deren Verantwortlichkeit
in der Sache evident ist. Jede weitere Namensnennung empfinde ich derzeit
als spekulativ.
In einer Mitteilung von Herrn Graf von 2002 lese ich:
"Ich hatte unmittelbar danach Kontakt mit der Bayerische Provinz des
Kapuzinerordens und habe mit dem Guardian des noch bestehenden
Kapuzinerklosters Eichstaett telefoniert und auch mit dem Direktor der
Universitaetsbibliothek Dr. Holzbauer. Eine schluessige Aufklaerung
erfolgte nicht, man gab vor, nichts zu wissen, man koenne sich die
Existenz der Baende im Handel nicht erklaeren. Der Eichstaetter Guardian
gab zu bedenken, dass einzelne Baende vor laengerer Zeit gestohlen
wurden." (http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg09138.html)
Wie passt diese Feststellung zu dem Lob, das Kollege Holzbauer jetzt in der
Sache erfährt?
Für mich belegt der jetzt schon mehrfach angesprochene Artikel von Herrn
Littger im Jahrbuch Kirchliches Buch- und Bibliothekswesen Jg. 2000 doch
gerade, dass er handwerklich seriös an die Sache mit den in Altötting
gelagerten Kapuzinerbeständen heran gegangen ist. Ihn leidenschaftlich als
bösen Buben darzustellen, der mit Lust Kulturgut vernichtet, kann nur als
unsinnig bezeichnet werden.
Wenn jetzt nach einigen Jahren Dinge in Eichstätt passiert sind, die so gar
nicht mehr recht zum Geist dieses Artikels passen wollen, dann stellt sich
mir die Frage: Was hat sich verändert? Die augenfälligste Veränderung ist
für mich als Aussenstehenden der Leitungswechsel in Eichstätt.
Herr Graf fragt gar nicht erst, wie die Kompetenzen von Kollegen Littger in
der Sache zu beurteilen sind, sondern drischt fröhlich drauf los.
Warum ermittelt, so frage ich mich, die Staatsanwaltschaft nicht gerade
gegen den "Chef-Altbestandsbibliothekar" der UB Eichstätt? Ich würde
meinen: Man sieht keine Anhaltspunkte dafür. Die Verantwortlichkeiten sind
doch klar. Schon Herr Holzbauer hat die Sache als Chefsache betrieben.
Wie sagte Frau Reich doch in ihrem unsäglichen Interview: " ... da muss
ICH mir etwas Besonderes einfallen lassen ..."
2. Ich kann nicht mehr folgen, wenn die Diskussion den Zungenschlag
bekommt, Aussonderung von Büchern aus überlassenen Nachlässen,
Geschenken u.ä. generell als etwas "Unanständiges" und "Zweifelhaftes"
erscheinen zu lassen. Dann regt sich innerer Widerstand bei mir.
Nach meiner beruflichen Auffassung ist das nicht nur etwas ganz
Selbstverständliches, sondern eine der vornehmsten Aufgaben unseres
Berufsstandes. Es ist eine der Kernaufgaben unseres Berufes,
Bestandsaufbau mit Verstand zu machen. Dinge müssen auf Relevanz hin
beurteilt werden. Gerade die Vorselektion ist eine, vielleicht die
Kerndienstleistung gegenüber den Benutzern.
(Das aber natürlich auch: Vernichtet eine Bibliothek, die zurecht stolz ist auf
ihren Altbestand, bei solchen Übernahmeaktionen Werke, die für den
Bestand von grossem Wert sind, dann ist das nicht nur ein unglaublicher
Verstoß gegen diese Prinzipien, sondern schlicht dumm.)
Nach meiner Beobachtung ist in diesem Zusammenhang das Thema Erhalt
geschlossener Sammlungen unter AltbestandsbibliothekarInnen ein
durchaus wichtiges, aber auch kontrovers diskutiertes. Es gibt KollegInnen,
die der Zusammensetzung der nehmenden Bibliothek allemal höhere
Priorität einräumen als dem geschlossenen Erhalt der abgegebenen
Bibliothek und Aussonderungen deshalb für zulässig halten. Andere
plädieren ganz pauschal gegen jeglichen Eingriff in die ursprüngliche
Zusammensetzung einer abgegebenen Bibliothek von gewissem Wert.
Ich würde es, wie Herr Graf, als Mindestkompromiss dringend befürworten,
im Falle von Auflösungen geschlossener Sammlungen die Dokumentation
dieses Vorganges sehr hoch zu werten. Bei Mengen von mehr als 100.000
Bänden und einem in sich sehr verschachtelten Bestand wie im konkreten
Fall, wage ich aber doch Zweifel zu äußern in Bezug auf die praktische
Umsetzung dieser Methodik.
3. Ich habe etwas gegen Holzhammer-Rhetorik. Auch da regt sich bei mir
innerer Widerstand.
Auch ich bin gespannt auf endgültige Ergebnisse der Untersuchung der
Vorfälle in Eichstätt und hätte kein Problem damit, Unregelmässigkeiten als
Unregelmässigkeiten, Fehler als Fehler, Versäumnisse als Versäumnisse
und Kulturgutvernichtung als Kulturgutvernichtung zu deklarieren.
Aber ich wehre mich dagegen, alles in einen Topf zu werfen und von den
Beteiligten von vorneherein immer das Schlimmste zu denken. Das ist nicht
meine Art.
Wenn ich in dieser Liste z.B. lese ...
"Hervorheben möchte ich dieses Zitat:
'Josef Mittermaier, Provinzial der bayerischen
Kapuziner, betonte
dagegen in einem internen Rundschreiben, dass das
Vorgehen der
Bibliotheksleitung "von unserer Seite mitgetragen"
wurde. Die Äußerung
Holzbauers, dass es sich bei den vernichteten
Büchern großteils um
völlig unbeschädigte Werke des 17. und 18.
Jahrhunderts handelte, sei
"rational nicht nachvollziehbar". Diese
Einschätzung sei wohl im "Tumult
der schon länger andauernden Privatfehde"
Holzbauers mit Reich erfolgt.'
... dann nehme ich auch das ernst, denn ich halte den Provinzial der
Kapuziner (den ich nicht persönlich kenne) - trotz staatsanwaltlicher
Ermittlungen - nicht ohne Beweis für einen Menschen, dem
man nicht glauben kann.
Mit freundlichen Gruessen
Armin Stephan
Augustana-Hochschule / Bibliothek
D-91564 Neuendettelsau
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