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Re: [InetBib]Deutsche Bibliotheken 10, 15, 20, 25 und mehr Jahre hinter den USA zurück?
- Date: Mon, 12 Mar 2007 14:28:29 +0100
- From: "h0228kdm" <h0228kdm@xxxxxxxxxxxxxxx>
- Subject: Re: [InetBib]Deutsche Bibliotheken 10, 15, 20, 25 und mehr Jahre hinter den USA zurück?
Sehr geehrter Kollege Hilf,
ich bin Ihnen dankbar, dass Sie gerade "Dissertationen Online" ansprechen,
und es ist natürlich auch richtig "man muss die einzelnen Felder
besichtigen."
Als ich 1990 getestet habe, wie rasch man die Referenzen deutscher
Dissertationen einscannen kann, um eine Art deutschen SCI zu bekommen, hat
mir
ein Vertreter von ISI angedroht, dass mich E. Garfield dann verklagen würde
(obwohl Garfield die Idee ja eigentlich selbst vom Shepard Index hatte ;-).
Als ich dann ab 1994 in Berlin war, kam mir der Gedanke, das automatisch mit
SGML zu erreichen. Eine Anfrage bei Dr. Bunzel, in einem Projekt,
Dissertationen in SGML zu erfassen, führte zunächst zu wenig Verständnis,
da er der Meinung war, Dissertationen seien nicht besonders wichtig bzw.
fördernswert. Später hat sich gerade das als Vorteil erwiesen,
weil einige Bibliothekare in der Diskussion der Meinung waren,
die seien so unwichtig, dass das eine schöne Spielwiese zur Digitalisierung
sei.
Außerdem erkannte man auch, dass Dissertationen nicht den Verlagen gehörten.
Als wir unter meinem Vorsitz, dann einen entsprechenden Antrag bei der DFG
stellten, sah man die Notwendigkeit, von damals noch SGML,
nicht ein und lehnte ab.
Der von Ihnen erwähnte Neuantrag 1997 ging ja nur durch, weil die aus meiner
Sicht entscheidende Innovation gestrichen war. Pragmatisch war das dann
trotzdem der richtige Weg, nur ich konnte und wollte es nicht verantworten.
Dass man mit DissOnline im XML-Format automatisch
einen deutschen SCI erzeugen kann, in dem man mit einer XML-Nativen
Datenbank erkennt, in welchem Dokument, welche Referenzen
enthalten sind, wird nun natürlich immer deutlicher, und glücklicherweise
war ja damals der Kollege Schirmbacher einer der wenigen, die die Idee
in ihren grundsätzlichen Voraussetzungen, in dem erneuten Projektantrag,
DissOnline trotzdem noch realisierte.
Es hat damals allein zwei Jahre (1994-1996) gedauert, in denen Dr. Palme und
ich in der HU die Grundidee von SGML bekannt machen mussten
(u.a. auch dem Kollegen Diepold, der ja bei diesem Projekt auch nicht ganz
unwichtig war.
Nun kann man ausrechnen: Garfield hat den SCI zur Zeit des Weinberg Reports
begonnen, die Chinesen haben auch schon einen eigenen, und bei uns könnte
er in den nächsten Jahren ja auf der Basis von DissOnline auch entstehen.
Von 1963 - 2007 = 44 J., und von 1994 bis heute sind auch schon
13 Jahre vergangen, und noch ist der SCI, der die deutschen
Publikationen erfasst, nicht da, was übrigens unsere Zusammenarbeit mit den
Chinesen auf diesem Gebiet etwas behindert.
Übrigens, was den von Ihnen angesprochenen "Defaitismus" betrifft, so ist es
klar, dass Deutsche, Ideen von Deutschen, kritischer hinterfragen.
Das hat auch etwas mit Höflichkeit zu tun.
Ich kenne sogar Aufsätze, in denen man deutlich erkennt, dass sich Ausländer
freuen, wenn sie merken, dass deutsche Publikationen inhaltlich veraltet
sind.
Ich kenne sogar Nachschlagewerke über das deutsche Bibliothekswesen,
die den USA zeigen, wie weit wir hinterherhinken.
Das ist eben ein internationaler Wettbewerb. Dass bedeutet aber auch,
dass wir bei Besuchen von Chinesen beispielsweise sehr deutlich spüren, wenn
diese an unseren Ideen besonders interessiert sind,
so wie es Ihnen anscheinend in den USA gegangen ist. Wissenschaftler sind,
wie Sie wissen, sehr lernbegierig, und die Japaner waren mal besonders
bekannt dafür Werkspionage zu betreiben ;-).
MfG
W. Umstätter
----- Original Message -----
From: "Eberhard R. Hilf" <hilf@xxxxxxxxxxxxxxxx>
To: "Internet in Bibliotheken" <inetbib@xxxxxxxxxxxxxxxxxx>
Sent: Monday, March 12, 2007 11:09 AM
Subject: Re: [InetBib]Deutsche Bibliotheken 10, 15, 20, 25 und mehr Jahre
hinter den USA zurück?
diese Behauptung, wir wuerden der USA generell 20 Jahre hinterherhinken,
ist natuerlich weder zu belegen noch zu verteidigen.
Sondern man muss die einzelnen Felder besichtigen, hier also einige kleine
Beispiele, die Berufenere sicher leicht ergaenzen werden:
Dissertationen Online: hier ist Deutschland den USA weit voraus und war es
von Anfang an. Dissonline wurde bei der DFG 1996 durch die IuK beantragt
und 1997 genehmigt, die Metadaten wurden auf der DC-Konferenz in
Frankfurt 1999 international vereinbart. In der Folge fuehrte
dies dann zu dem jetzigen Dissonline System des Dissonline e.V. mit einem
fest vereinbarten Dokumentenflow-Systems vom Erzeuger ueber die lokale
Univ.-Bibliothek bis zur Deutschen National-Bibliothek.
Hierdurch wurde die sehr hohe Abdeckung von 50% erreicht.
In den USA startete NDLTD mit einem Proposal ebenfalls in 1996:
http://docs.ndltd.org:8080/dspace/handle/2340/44
Bis heute wurde aber in USA der hohe Abdeckungs-und nationale
Organisationsgrad nicht erreicht.
"Global Info" (beantragtes konzertiertes BMBF-Projekt 1998) oder
"DDD Multimedia scientific Distributed Document Database in Physics"
(beantragtes EU-Projekt) 1995
waeren, wenn genehmigt, den USA weit voraus gewesen.
Andere Beispiele sind die Aktivitaeten auf dem Gebiet der Metadaten.
Oder auf dem Gebiet der semantischen Kodierung von Wissen
(Content MarkUp Languages), wo die Europaer immer fuehrend und weit voraus
waren (MathML, ChemML, PhysML, OpenMath, OMODoc, ...).
Der in Deutschland verbreitete Defaitismus, Skeptizismus, oder wie auch
immer, beruht wohl eher auf einem in der Tat besorgniserregenden Fakt:
der im Vergleich zu den USA, England, Frankreich, Niederlanden
vergleichsweise geringen staatlichen Mittel zur Foerderung, den langen
Zeiten von der Antragstellung bis zur Bewilligung, dem geringen nationalen
Koordinierungsgrad internationaler Aktivitaeten,
und der allseitigen trueben Sicht der Dinge:
derselbe Vortrag (zu OA), in einem Kolloquium an einer deutschen
Hochschule gehalten, fuehrte in der Diskussion zum Einsatz der geballten
Intelligenz der Hoerer, um herauszufinden, warum Entwicklungen nicht
funktionieren koennten, welche Schwierigkeiten auftauchen koennten, ob die
Richtung richtig sei, usw. usf., -- derselbe Vortrag also, in USA an einer
vergleichbaren Hochschule gehalten fuehrte zum Einsatz der geballten
Intelligenz der Hoerer, um herauszufinden, was man aus den Entwicklungen
machen koenne, was man selbst einbringen koenne, wie man sich was zunutze
machen koenne, ..
In diesem Sinne wuensche ich der INETBIB einen amerikanischen Blick auf
die europaeische/deutsche Zukunft des Nutzens und der Aufgabengebiete der
Bibliotheken.
Eberhard R. Hilf
.................................................
Eberhard R. Hilf, Dr. Prof.
Geschaeftsfuehrer (CEO)
Institute for Science Networking Oldenburg GmbH
an der Carl von Ossietzky Universitaet
Ammerlaender Heerstr.121, D-26129 Oldenburg
ISN-Home: http://www.isn-oldenburg.de/
Homepage: http://isn-oldenburg.de/~hilf
E-Mail : hilf@xxxxxxxxxxxxxxxx
Tel : +49-441-798-2884
Fax : +49-441-798-5851
ISN ist unter HRB5017 im Handelsregister beim
Amtsgericht Oldenburg (Oldb.) eingetragen.
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