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AW: [InetBib] Stellungnahme Börsenverein DBV
- Date: Thu, 08 Feb 2007 11:54:47 +0100
- From: Löw Luise von <loew@xxxxxxxxx>
- Subject: AW: [InetBib] Stellungnahme Börsenverein DBV
Siehe dazu auch die Meldungen heute (8.2.2007 in der Süddeutschen Zeitung und
der FAZ (8.2.2007): Gesicherte Versorgung. Bibliotheken und Verlage (FAZ)
einigen sich.
Luise von Löw,
München
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx
[mailto:inetbib-bounces@xxxxxxxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von Eric Steinhauer
Gesendet: Donnerstag, 8. Februar 2007 09:10
An: Internet in Bibliotheken
Betreff: AW: [InetBib] Stellungnahme Börsenverein DBV
Liebe Liste,
die "Stellungnahme von DBV und Börsenverein zum Urheberrecht in Bildung und
Wissenschaft" vom 11. Januar 2007 enthält sinnvolle Regelungen für einen
Burgfrieden zwischen Bibliotheken und Verlagen.
http://www.boersenverein.de/global/php/force_dl.php?file=%2Fsixcms%2Fmedia.php%2F686%2FSchrankenpapier%2520070110%2520endg.pdf
Wer aber eine Perspektive für eine zukunftsweisende Entwicklung in der
wissenschaftlichen Informationsversorgung erwartet, wird enttäuscht. Das Papier
ist ein Versuch, überkommende Marktstrukturen in das digitale Zeitalter zu
retten.
Deutlich wird dies an solchen Formulierungen:
"Es darf sich aber auch die Absatzsituation der Verlage dadurch nicht
nachhaltig verändern, dass die Bibliotheken die Möglichkeiten elektronischer
Bereitstellung nutzen."
Die in dem Papier vorgeschlagenen Lizenzierungsmodelle sind im Grunde
systemwidrig. In der analogen Welt war es dem Urheberrecht fremd, die einzelne
Nutzung von Werken abzurechnen. Vergütet wurde pauschal durch
Verwertungsgesellschaften.
Das gesamte Papier ist von dem Versuch durchzogen, die Kontrolle über die
Verbreitung digitaler Inhalte durch die kommerziellen Verwerter zu bewahren.
Damit werden die Verwerter mittelfristig scheitern. Der Grund dafür liegt in
der Logik wissenschaftlichen Publizierens.
Die Publikation von Wissenschaftlern zielt einzig und allein auf Sichtbarkeit
und Rezeption. Jedes Modell, was dieses behindert, wird scheitern, sobald
gleichwertige oder bessere Alternativen von Sichtbarkeit geboten werden. Die
mittlerweile schon weit etablierten Open Access-Strukturen sind eine solche
Alternative.
Die traditionellen Publikationswege profitieren derzeit noch von einer über
lange Zeit aufgebauten Gatekeeper-Funktion. Gerade im Bereich von STM kann dies
aber sehr schnell umschlagen. Es liegt in der Natur wissenschaftlicher
Erkenntnisse, das sie sich meist in Paradigmenwechseln vollziehen.
Wissenschaftssoziologisch stellen sich neue Ansichten zunächst als marginale
Positionen dar, die von etablierten Wissenschaftlern und den gängigen
Publikationsmedien meist ignoriert werden. Werden diese neuen Positionen dann
aber über Open Access weitgehend bekannt, dürfte kaum zu erwarten sein, daß sie
nach ihrer Etablierung in Verlagspublikationen weiterentwickelt werden, die ein
Weniger an Sichtbarkeit gewährleisten.
Die Zukunft gehört innovativen Verlagen, die Wissenschaftler bei der
professionellen Publikation ihrer Ergebnisse unterstützen und ihnen dabei die
weitestmögliche Sichtbarkeit ermöglichen. Die Unterstützung kann in Form von
Layout-Service, Metadaten- und Distributionmanagement oder der Organisierung
von Review-Prozessen geschehen. Es ist denkbar, daß dadurch die
Publikationskosten für die Autoren steigen. Es ist auch denkbar, daß
Zeitschriften in der Form, wie wir sie heute kennen, nicht mehr existieren
werden. Das bleibt abzuwarten.
Sicher ist aber, daß Lizenzmodelle, die zu einem Sichtbarkeitshindernis für
Wissenschaftler werden, keine Zukunft haben.
Es scheint wahrscheinlich, daß der parlamentarische Gesetzgeber den Vorschlägen
des Papiers folgen wird. Als Konsens wichtiger Interessenverbände entfaltet es
eine enorme politische Wirkung. Das ist problematisch. Es ist Sache des
Gesetzgebers, wesentliche Strukturentscheidungen für die Zukunft der
Wissensgesellschaft zu treffen. Hierbei sollte er sich vor Augen halten, daß
ihn aus Art. 5 Abs. 3 GG (Wissenschaftfreiheit) eine besondere Pflicht trifft,
den wissenschaftlichen Publikationsprozess wissenschaftsadäquat zu gestalten.
Ob markkonservierende Lizenzmodelle hier ein sinnvoller Weg sind, darf mit
guten Gründen (siehe oben) bezweifelt werden.
Eric Steinhauer
http://www.steinhauer-home.de
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.