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Re: [InetBib] Langzeiterhalt von AV-Inhalten ungeloest



Lieber Herr Fenn,
das Thema ist eben sehr subtil und nicht einfach.
Trotzdem:
Und auch für die Physik wäre ich skeptisch, denn der Original-Aufsatz
von Einstein ist auch heute noch von wissenschaftlichem Interesse.
Irgendwelche Lehrbücher können solche Quellen nicht ersetzen.
Das ist eben das Missverstaendnis: 
- in der Physik und fuer die aktuelle physikalische Forschung sind die
Einstein Gleichungen von Interess,- moeglichst in der aktuell fuer
sinnvoll gehaltenen mathematischen Darstellung.
Wer die Gleichungen gefunden hat, wann, wo, wie sprachlich und textuell
wann wo wie erlaeutert, niedergelegt, pp. spielt ueberhaupt keine Rolle.
(Ich kenne nur wenige Physiker, die die Originalarbeiten ihrer 
aktuellen Forschung gelesen haben,- man zitiert sie aus Fairness und 
Respekt, ok.).
- anders sieht es in den  Fachgebieten Geschichte der Physik, 
Wissenschaftsgeschichte etc. aus. Diese Kollegen haben die 
Originalarbeiten als Forschungsgegenstand, man will lernen, wer hat wann 
wo wie.



Zudem: so pessimistisch bzgl. der Langzeitarchivierung digitaler Daten bin 
ich nicht: so haben etwa alle in ASCII (z.B. latex, html, ..) 
niedergelegten Texte muehelos alle technischen Umbrueche, neuer Browser, 
neuer Speichertechniken und Formatierungen,  der letzten 
Jahrzehnte ueberlebt, die Pyramiden aber zerfallen langsam...

Ich wäre skeptischer. Gerade, was LaTeX angeht, hat sich zwar LaTeX2e
langfristig als Standard etabliert, ich bezweifle aber nach allem, was
ich auf den verschiedenen Kanälen in den letzten Jahren so mitgelesen
habe, ob es bei LaTeX3 weiterhin einen Kompatibilitätsmodus zur
Version 2e geben wird. Konvertieren ist bekanntlich Glückssache, also
wird da wahrscheinlich auch vieles verlorengehen. LaTeX-Dokumente
liegen auch nicht immer in ASCII vor, sondern mittlerweile in einer
ganzen Reihe von verschiedenen Kodierungen.
Das ist nicht der Punkt: gemeint ist: Texte, die in LaTeX,html  
geschrieben wurden, und in ASCII niedergelegt, sind immer rekonstruierbar. 
Alle! (wirklich alle der 395.265) Dokumente in www.ArXiv.org werden
zweimal im Jahr geprueft und nur dynamisch in das jeweils aktuelle pdf 
verwandelt. Der Trick ist, das ArXiv nur Ascii nimmt, also einen strengen 
Eingangsfilter hat.

 
Ich würde nicht darauf wetten, daß zB die vielen Dissertationen, die
heute digital oder jedenfalls nicht in Buchform veröffentlicht werden,
in 30 Jahren noch greifbar sind, während das Typoskript einer Diss aus
den frühen 70ern auch dann noch lesbar sein wird. Es verschwindet also
ganz sicherlich schon mittelfristig sehr viel Wissen durch die
Digitalisierung. 
Genau das ist der Punkt. Die Expertise erlaeutert eben, dass sowas nur
verhindert werden kann, - und es kann verhindert werden, wenn es 
eine strenge nationale Langzeitarchivierungspolicy gibt fuer die 
verteilten LZA-Archive, die auch festlegt, dass die Eingangsfilter
fuer die Aufnahme entsprechend streng sind. 
Viele der pdf-Dissertationen werden natuerlich nicht mehr lesbar sein.
Man muss eben den Quellcode mit archivieren.

Ausserdem: Gedruckte Dissertationen sind zwar (z.T. sehr muehsam)
im Prinzip erhaeltlich, aber nicht digital nachnutzbar.
Digitale Dokumente sind weltweit muehelos einsehbar, auffindbar, 
nachnutzbar. Vergleichen Sie doch z.B. die Zitationsraten 
Ausleihzahlen/downloadzahlen von digitalen vs. gedruckten Dissertationen.
Zu Recht sind daher an vielen amerikanischen Universitaeten das Einreichen 
von gedruckten Dissertationen verboten...
Eberhard Hilf

Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.