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Re: [InetBib] Kulturinsel Halle in Gefahr?



Liebe Frau Todt-Wolff, liebe InetBibmitglieder,

sicher ist es schwierig, aus der Ferne Dinge zu beurteilen.
Das gebe ich gerne zu.

Aber in diesem Fall von einer "Wissenschaftlichen Spezialbibliothek" zu 
sprechen, ist einfach unangemessen. Es handelt sich um eine willkürliche 
Sammlung von Büchern, die in der Nachwendezeit von Bürgern der Stadt Halle
aus den eigenen Bücherschränken aussortiert und abgegeben worden 
sind. Zum Teil wurden die Bücher auch zum Stückpreis von 1 € 
weiterverkauft.
Aber lässt sich aus dem Bestand, wenn er denn fachgerecht betreut wird, nicht 
im Laufe der Zeit
etwas entsprechendes formen? Das ist meine Intention.
Wieviele Sondersammlungen haben als anscheinend willkürliches Sammelsurium 
ihren Anfang genommen,
wobei es dann doch oftmals irgendeinen gemeinsamen Punkt gab: hier die in der 
DDR von zeitgenössischen
Schriftstellern erstellte Belletristik, die auf ihre eigene Art ein Zeugnis vom 
Leben in der DDR abgibt.

Eine qualitative bibliothekarische Erschließung hat nicht stattgefunden und 
eine Benutzung war
lediglich im Lesesaal der Kulturinsel möglich.
Die Sperrung für die Heimausleihe ist eine durchaus richtige bestandserhaltende 
Massnahme,
auch wenn die Gründer dieser Sammlung vielleicht diesen Aspekt nicht vor Augen 
hatten, da sie auch Werke wiederverkauft haben.
Die Erschliessung des Bestandes kann auch im Laufe der Zeit nachgeholt werden 
und muss doch auch nicht zwingend
innert der kommenden zwei-drei Monaten erfolgt sein.

Da die Sammlung keinerlei wissenschaftlichen Wert hat, erübrigt sich 
auch die von Ihnen vorgeschlagene Übernahme in den Bestand der 
Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt.
Ich finde es schwierig, vom heutigen wissenschaftlichen Wert auf einen 
möglichen späteren zu schliessen,
aber die Möglichkeit einer Wertsteigerung sollte meineserachtens nicht ausser 
Acht gelassen werden.
Ich kenne ein wenig durch die Rekatalogisierung die Bibliothek der ehemaligen 
Lesegesellschaft Bern. Da schüttelt man manchmal den Kopf,
was für die an dieser Lesegellschaft beteiligten Leute so gesammelten worden 
ist. Es finden sich aber immer wieder einzelne Werke dort,
die nicht noch in anderen Signaturengruppen auch schon vorhanden sind, damals 
wohl eher leichtere Kost waren und aus den Allgemein-Öffentlichen
Bibliotheken schon lange rausgeflogen sind, aber wo sowohl diverse Einzelwerke 
aber auch die Sammlung an sich einen Wert hat (sonst würde nicht
ausgerechnet dieser Bestand zuerst für die Massenentsäuerung in Frage kommen!).

Sämtliche für die Forschung relevante und zum Sammelauftrag der 
Universitätsbibliothek 
gehörende DDR-Literatur wird ja hier bereits vorgehalten und ist nicht 
ausgesondert worden.
Als eigenständige (Sonder-)Sammlung, oder irgendwo mittendrin in allem anderem, 
mal hier was und mal dort was aus diesem Bereich?

Eine Sammlung der kompletten DDR-Literatur befindet sich außerdem in der 
Deutschen Bibliothek,
Standort Leipzig (ehem. Deutsche Bücherei), die zu DDR-Zeiten 
Pflichtexemplarbibliothek gewesen ist.
Und wenn ich mich richtig entsinne, gab es auch entsprechende deutsch-deutsche 
Abkommen,
so dass man vieles auch in Frankfurt finden wird.
Das sind aber einzelne Werke innerhalb einer grösseren Sammlung, die unter 
einem ganz anderen Aspekt besteht,
die Deutsche Bücherei ist nicht als Forschungsbibliothek für DDR-Belletristik 
konzipiert.

Wie schon zugegeben ist eine Beurteilung von ausserhalb recht schwierig, aber 
einen Impuls,
der eine vielleicht etwas andere Sichtweise hineinbringt in die Frage, was mit 
dieser Sammlung geschehen könnte,
an die man vor Ort evt. nicht gedacht hat, möchte ich gerne geben.

Letzlich ist es natürlich auch nicht meine Aufgabe, zu entscheiden, was mit 
diesem kulturellen Zeugnis
des Lebens in der DDR zu geschehen hat...

Gruss von der Aareschlaufe an der Saale hellem Strande (und woanders hin)
Bernd Martin Rohde
__________

Bernd Martin Rohde, Dipl.-Bibl. (FH)
Sportweg 15, CH 3097 Liebefeld
Tel.: (+41) (0)31 9719674, mailto:b.m.rohde@xxxxxxx
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