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[InetBib] Instant Digitalisierung und Urheberrecht
- Date: Tue, 27 Sep 2005 11:23:28 +0200
- From: Erik Senst <erik.senst@xxxxxxxxxxxxxxxx>
- Subject: [InetBib] Instant Digitalisierung und Urheberrecht
Liebe Liste,
da hier ja zur Zeit über die urheberrechtlichen Restriktionen einer
universalen Digitalisierungspraxis (a la Google) gesprochen wird, möchte
ich an dieser Stelle gerne die Grundzüge einer Idee zur Diskussion
stellen, die zum Ziel hat, Bibliotheken zu ermöglichen, den gedruckten
Bestand generell auch vollständig digital anbieten zu können. Hierbei
handelt es sich um die Idee einer videovermittelten Buchsicht (VMBV:
Video-Mediated Book View). Grundgedanke dieses etwas ungewöhnlichen
Ansatzes ist es, den gedruckten Gesamtbestand vollständig digital bzw.
online anbieten zu können, ohne dabei jedoch den gesamten Bestand zuvor
digitalisiert haben zu müssen und ohne dabei durch rechtliche
Bestimmungen eingeschränkt zu werden.
Technisch und praktisch sieht das dahinter stehende Konzept dann
folgendermaßen aus:
Über den Katalog könnten gegen geringe Gebühr Bücher ausgewählt werden,
die man dann online einsehen und lesen kann. Nach Bestätigung der
Bestellung wird das Buch sofort manuell durch Bibliothekare beschafft
und in eine spezielle Maschine eingelegt. In dieser kann das Buch nach
Freigabe und Benachrichtigung online über hochauflösendes Video
eingesehen werden. Da es zum Lesen nur eines statischen Bildes bedarf,
sind nur wenige Bilder pro Sekunde und damit nur eine mittlere
Bandbreite auf Nutzerseite erforderlich - selbst ein altes Modem sollte
also genügen. Das Umblättern erfolgt auf der Webseite, auf der das
Videobild gezeigt wird, über zwei spezielle Buttons. Über diese
Webschnittstelle wird ein Roboter angesteuert, der die Seiten sanft
umblättert. Da keine Kopien des Buches angefertigt, sondern die Inhalte
live per Video ‚gestreamt’ werden, entspricht dieser Ansatz der
Instant-Digitalisierung vermutlich grundsätzlich den Bedingungen des
§52a UrhG:
- Das Buch kann zwar auf Entfernung (Fernglasseffekt) gelesen werden wie
vor Ort, wird jedoch bei Anbieter und Nutzer weder kopiert noch
gespeichert. Es ist also keine Vervielfältigung gegeben, da ein
Live-Videostream nur für den Moment existiert und nicht speicherbar ist.
- Ein abgegrenzter Personenkreis (wie nach §52a gefordert) ist ebenfalls
gegeben, da nur eine Person das Werk real oder virtuell lesen darf. So
ist zur selben Zeit entweder nur das Original oder nur das Digitalisat
einsehbar. Das Werk wird insofern nicht vervielfältigt, sondern ändert
nur temporär für die Zeit, die es im Digitalisierungskasten eingelegt
ist, sein Medienformat.
- Das Werk darf ggf. nur in Teilen eingesehen werden, so dass ggf. eine
Autosperre bei 2/3 der Seiten geschaltet werden müsste
- Abgaben an VG Wort wären ggf. zu verhandeln und einzuhalten
Die Technik (zum schrittweisen Umblättern) ist seit kurzem auch für sehr
geringes Budget als sogenannter 'Bücherfuchs' vorhanden, müßte aber dann
noch für das Videobild und die Webschnittstelle durch die Entwickler
angepasst werden:
http://schlinge.uni-wuppertal.de/sachverstand/Buecherfuchs/Flyer.pdf
Ob sich das ganze tatsächlich für den gebührenfreien Masseneinsatz
eignet oder aber nur als eine alternative Lösung für Fernleihen
vorstellbar ist, bleibt auch für mich selbst fraglich. Sicher ist aber
zumindest, dass eine Nutzung unter dem Gesichtspunkt von
Barrierefreiheit Behinderten (zumindest hier wäre das UrhG mit dem §45a
nachsichtig mit den Digitalisierern) einen schnellen Zugriff von zu
Hause aus ermöglichen könnte. Schon aus diesem Grund halte ich
persönlich diese Idee für nicht ganz abwegig.
Wie sind die Meinungen hierzu? Könnte dies ein alternativer Ansatz sein?
Oder ist dieser Ansatz zu unpraktikabel oder gar generell unsinnig, da
Google in naher Zukunft eh bald alles digitalisiert haben wird?
Beste Grüße,
Erik Senst
PS: Mit der Bitte um Nachsicht bei den Paragraphen: Die Idee ist schon
etwas älter und berücksichtigt wohl nicht die neuesten Entwicklungen
--
Erik Senst - Projekt Conjoint-Analyse
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