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Re: [InetBib] "Vermarktung" von Diplomarbeiten



On Mon, 5 Sep 2005 19:51:00 +0200
 "HU" <h0228kdm@xxxxxxxxxxxxxxx> wrote:

> müsste in der Fachwelt eigentlich sehr viel genauer
> diskutiert werden.

Das ist richtig, aber ich frage mich: Wird das Thema denn
ueberhaupt diskutiert (ausser gelegentlich in dieser Liste
und in anderen Internetveroeffentlichungen)? Wer eine
bibliothekarische Veroeffentlichung benennen kann, die das
Thema im Rahmen einer konventionellen Monographie oder
eines Zeitschriftenaufsatzes auf mehreren Seiten
diskutiert, erhaelt von mir eine Flasche Winninger Wein.

Im "Bibliotheksdienst" wurde einmal die unzulaengliche Lage
bei der Ablieferung von Habilitationen thematisiert - aber
sonst??? 


> 3. In einer Diplom- bzw. Magisterarbeit muss, im
> Gegensatz zu einer
> Dissertation,
> nichts wirklich "Neues erforscht werden". Es könnte und
> sollte eigentlich
> der neuste Stand der Wissenschaft überprüft werden.

Das kann man so nicht verallgemeinern. Es gibt im
geisteswissenschaftlichen Bereich unzaehlige
Magisterarbeiten, die sich selten oder nie abgegrasten
wissenschaftlichen Themen erfolgreich widmen: einer alten
Handschrift, einem Kunstwerk in einem Museum usw.

In der Altgermanistik gibt es beispielsweise in den
Handschriften viele hunderte ungedruckter
spaetmittelalterlicher Texte, die man bearbeiten lassen
koennte. Sie muessen nicht laenger als 10 oder 20 Blatt
sein. Eine saubere Bearbeitung koennte binnen weniger
Monate  erfolgen. (Dissertationsthemen werden
ueblicherweise viel zu breit vergeben, daher naehern sich
viele Dissertationen im Umfang den frueheren Habilitationen
an und dauern auch viel zu lange. Wieso sollte das bei
Magisterarbeiten anders sein?)

Oder die Zeitschriften der Aufklaerung:
http://www.ub.uni-bielefeld.de/diglib/aufklaerung/

Als ob man nicht aus diesen 82.000 bislang kaum erforschten
Artikeln nicht dutzende historische oder
literaturgeschichtliche Magisterarbeitsthemen gewinnen
koennte!

Professoren, die bei Abschlussarbeiten Allerweltsthemen
vergeben, verschleudern indirekt Steuergelder und
ermoeglichen Plagiate.

Sie ermoeglichen Plagiate, weil sich der Kandidat bei
diversen Diplomarbeitsboersen Rat suchen kann. (Seit
neuestem weiss ich dank der Wikipedia, dass der
Fachausdruck fuer US-Essay-Seiten Paper mill lautet:
http://en.wikipedia.org/wiki/Paper_mill_%28essays%29 )

Sie verschleudern Steuergelder, da oeffentliche Gelder in
solche Abschlussarbeiten (indirekt) einfliessen und der
Gewinn durch weiterfuehrende Erkenntnisse verschenkt wird.

Sie frustrieren begabte Kandidaten, die sich auf
ausgetretenen Pfaden bewegen muessen, Massen von
Sekundaerliteratur verschlingen und keine Moeglichkeit
haben, Forschung spannend zu erleben (siehe auch Hermann
Heimpels Devise: "Ein sorgfältiges Literaturstudium schützt
vor Entdeckungen").

Nichts gegen Arbeiten, die neue Entwicklungen
zusammenfassen, Literatur komprimieren usw.

Aber alles gegen eine gedankenlose Themenvergabe, die das
Potential, das bei jedem Kandidaten gegeben ist,
verschenkt.   

Klaus Graf


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.