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Re: Bildungscontrolling in Bibliotheken



Sehr geehrter Herr Depping,

wir meinen vermutlich das Gleiche, ich differenziere aber bewusst etwas widersprüchlich.
Über Begriffe kann man nur sinnvoll streiten, wenn sie klar definiert sind.
Das ist das eigentliche Prinzip der Wissenschaft,
und der Grund, warum unsere BID-Wissenschaft seit langer Zeit zwischen
Begriff und Benennung möglichst sauber unterscheidet.
Es ist die Aufgabe eines semiotischen Thesaurus (oder die von sog. Ontologien),
Benennungen, so in Relationen zu setzen, dass ihr Begrifflichkeit deutlich erkennbar wird.
Der Unterschied ist nur, dass sog. Ontologien ihre Bedeutung automatisiert aus vorhandenen Texten gewinnen,
während wir in semiotischen Thesauri auch fehlerhafte Texte in eine möglichst konsistente Terminologie einordnen.
So könnte eine Ontologie das Wort Herzensbildung dem wort Liebe zuordnen, während ein Indexer,
dem dieses Wort im Thesaurus fehlt, aus dem Text heraus die Nähe zum Deskriptor Psychosomatik erkennen könnte.


Mann muss klar definieren, was man unter Bildung versteht,
nur dann kann man es einem Controlling unterwerfen,
und im Sinne Galileis (das Unmessbare messbar machen) der Wissenschaft zuführen.
Der erste Schritt dazu ist eine korrekte Klassierung, bzw. Zuordnung von Benennungen,
auf der Basis einer möglichst sinnvoll konstruierten begrifflichen Klassifikation,
den Vorgang den man Klassifizierung nennen muss.
Dort ist klar, das der Begriff Bildung Unterbegriffe wie Geistes-, Herzens-, Körper- und Seelenbildung,
aber in einer anderen Hierarchie auch Aus-, Fort- und Weiterbildung, hat.


Gerade die Reaktion von Herrn Strzolka hat berechtigterweise sehr deutlich gemacht,
das Bildung meist laienhaft und unscharf, aber auch,
wie Sie indirekt korrekt andeuteten, polysem verwendet wird,
und da fehlt eben noch der "Homonymzusatz",
der ja nicht unbedingt im Titel stehen muss, aber dessen Klärung in einer solchen
Arbeit korrekterweise unvermeidbar ist.


Fazit: Man kann nicht nur über Begriffe streiten; um Missverständnisse zu vermeiden,
muss man es - und auf wissenschaftlichem Niveau auch wissenschaftlich fundiert.


MfG

W. Umstätter



depping@xxxxxxxxxxxxxxx wrote:

Lieber Herr Strzolka,
lieber Herr Umstaetter,
liebe Inetbib-Gemeinde,

zugegeben, ueber Begriffe kann man streiten – vielleicht ist es wirklich etwas “irrefuehrend”, wenn hier der allgemeine Begriff “Bildung” gewaehlt wurde, doch so ist nun einmal die betriebswirtschaftliche Fachterminologie.

Doch um was geht es? Der entscheidende Punkt wird im Titel meines Aufsatzes aus dem Jahre 1999 “Bildungscontrolling als Instrument der Personalentwicklung in Bibliotheken” (Prolibris 3/99 S. 162 – 166) angesprochen: es geht um Personalentwicklung. Wenn hier von Bildung die Rede ist, dann ist die Aus-, Fort- und Weiterbildung des eigenen Personals gemeint – der Begriff hat also ueberhaupt nichts mit dem Bildungsauftrag der Bibliotheken zu tun, hier versuchen Bibliotheken lediglich – wie andere Unternehmen und Behoerden auch – ihre eigenen MitarbeiterInnen fit fuer die (gestiegenen) Anforderungen des modernen Berufslebens zu machen.

Und das dieses Bemuehen auch einem Controlling unterworfen wird, das also evaluiert wird, ob die Personalentwicklung zielgerichtet, erfolgreich und kostenguenstig erfolgt, ist doch nur wuenschenswert.  Darum mein Appell: loesen wir uns von der Begriffsdiskussion (ueber Bildung laesst sich sicherlich wochenlang trefflich diskutieren, ohne dass es der Sache dient) und setzen uns mit der Sache auseinander. Wie Herr Umstaetter schon richtig schreibt:
“Wenn man aber eine klare Vorstellung von Bildung hat, kann man durchaus auch ein “Bildungscontrolling” anvisieren” - und wenn man in diesem Falle akzeptiert, dass der Begriff Bildung in einem sehr eingeschraenkten Sinne Verwendung findet, dann hat auch die Idee eines Bildungscontrolling keineswegs etwas abstruses.


Zur Anfrage von Frau Tanz kann ich leider jedoch auch keinen
substantiellen Beitrag leisten: auch wenn ich mich im Jahre 1999 theoretisch mit dem Instrumentarium auseinandergesetzt habe, ist mir leider immer noch keine Bibliothek bekannt, die dieses Mittel auch systematisch anwendet (meine eigene Einrichtung
eingeschlossen). Trotzdem hoffe ich fuer Frau Tanz – nicht nur mit Blick auf den Erfolg der Diplomarbeit – dass sich viele Gespraechspartner finden, die tatsaechlich ueber  praktische Erfahrungen verfuegen (vielleicht auch ohne dass sie dabei ihrem Tun das Etikette Bildungscontrolling verpasst haben).


Gruesse aus Koeln.

Ralf Depping




Ralf Depping Fachreferent BWL / Ausbildungsleiter Dezernent fuer Abteilungsbibliotheken und assoziierte Bibliotheken Universitaets- und Stadtbibliothek Koeln Universitaetsstr. 33 50931 Koeln
0 22 1 / 470 - 23 51




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