Ein Verlag muß notwendigerweise ein kommerzielles Interesse haben, um sein
eigenes Überleben zu sichern. Dies den Verlagen vorzuwerfen, geht an der
Sache vorbei. Allerdings ganz vertrauenserweckend sieht das Vorhaben nicht
aus, wenn man die Recherchen von Herrn Graf zugrundelegt. Auch hier mag es
hellgraue und dunkelgraue Schafe geben. Generell ist die Idee aber nicht
schlecht, denn an einer Digitalisierung wird man nicht vorbeikommen, wobei
es nicht allein um die langfristig Erhaltung, sondern auch und gerade um die
Verfügbarkeit geht.
Bei einer Realisierung mit Hilfe von 1-Euro-Jobs wäre allerdings die
grundsätzliche Frage, warum dies nicht ein Zusammenschluß der verschiedenen
kulturellen Einrichtungen selber auf die Beine und die Inhalte - sofern dies
rechtlich unstrittig ist - möglichst kostenfrei der Öffentlichkeit zur
Verfügung stellt? Hier einem Verlag eine "billige" Arbeitskraft - immerhin 1
Euro plus ALG I(I) und sonstige Leistungen - zukommen zu lassen, um diesem
dann die Verwertung der Digitalisate zu überlassen, ist nicht einzusehen.
Aber hier ist wieder die Grenze zwischen dem zielgerichten ökonomischen
Interesse eines Verlags und der staatlichen Einrichtung markiert, die andere
(und vor allem vielfältigere) Zielsetzungen zu verfolgen hat (und hieran
oftmals scheitert).
Wenn jemand die Digitalisierung wirklich qualitativ
hochwertig gestalten will, sollte derjenige schon Fachkräfte
anstellen, die wissen, wie man mit dem Material richtig
umgeht. Mir läuft es schon kalt den Rücken runter, wenn ich
vor mir sehen, wie ein ehemaliger Bauarbeiter eine 100 Jahre
alte Schriftrolle anfasst...
Den Standesdünkel kann ich allerdings höchstens aus Angst um den eigenen
Arbeitsplatz verstehen, wobei ich - ehrlich gesagt - eine tatsächliche
Fachkraft für deutlich unterfordert halte, den ganzen Tag am Scanner zu
stehen und fachgerecht (nach deutscher Bibliotheksnorm) Digitalisate zu
erstellen. Ein solches Projekt würde wieder 1000e Mannjahre Zeit und
BAT-Stellen kosten und nie verwirklicht werden. Eine Fachkraft kann aber
durchaus ein umfänglicheres Digitalisierungsprojekt führen und die
verschiedenen "Bauarbeiter" in der richtigen Weise der Digitalisierung
anleiten. So hoch heilig ist die Masse unserer deutschen Kulturgüter nun
auch wieder nicht.
Marc Houben, Aachen