[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Pruefungsarbeiten und Bibliotheken



Liebe Liste,

das Thema Diplomarbeiten in Bibliotheken ist sehr vielschichtig. Nicht jeder
geschriebene Text ist per se Bibliotheksgut, sondern nur solche Texte, die
veröffentlicht sind. Das ist bei Diplomarbeiten regelmäßig nicht der Fall, wie
übrigens auch nicht bei universitären Seminararbeiten oder
Staatsexamensarbeiten. 

Diplomarbeiten sind Bestandteil einer Hochschulprüfung und gehören als
solche zu den Prüfungsakten. Ihre Aufbewahrung und die Regelung der Modalitäten
der Einsichtnahme sind Aufgabe der (Universitäts)Archive. Der Tatbestand des
"Veröffentlichtseins" grenzt Archiv- von Bibliotheksgut ab. Ich darf den
"Schwarzen Peter" der Zugänglichkeit von Diplomarbeiten an Herrn Graf als Archivar
zurückschieben.

Wenn Diplomarbeiten in Bibliothene "abgelagert" werden, so gehören sie hier
nicht hin. Da sie nicht publiziert sind, dürfen sie ohne Zustimmung des
Autors gar nicht in die Benutzung gegeben werden. Das hat nichts mit "Mauern" der
Bibliothkare, sondern mit Urheberrecht zu tun.

Hier kommen wir aber zum entscheidenden Punkt. Wie kann man die
Veröffentlichung von Diplomarbeiten "erzwingen". Das geht natürlich durch das
hochschuleigene Satzungsrecht. Hier wird es in der Regel aber keine entsprechende
Mehrheit geben. Ich sitze mir einer Stimme für die Bibliothek im Studienausschuß
meiner Universität. Die Mehrheit müßte vor allem von den Professoren kommen,
und die werden vor allem aus Gründen der Qualität eine solche Zustimmung für
die Veröffentlichung ALLER Arbeiten nicht geben. 

Tatsache ist nämlich, daß Diplomarbeiten nicht nur aus fachlichen, sondern
auch aus "sozialen" Gründen für bestanden gewertet werden. Das hat es immer
schon gegeben und nichts mit dem Verfall universitärer Sitten zu tun. 

Für eine Veröffentlichung sollte daher eine bestimmte Form der
Qualitätssicherung vorgesehen werden. Darüber ließe sich reden. Aber jetzt kommt ein
anderer Punkt ins Spiel. Gerade in technischen Fächern geht es auch um Fragen der
Patentverwertung. Hier werden im Vorfeld rechtlich verbindliche Absprachen
zwischen Institut, Diplomand und u.U. einer externen Firma getroffen. Es wird
letztlich bei der Eigeninititative der Diplomanden bleiben, eine
Veröffentlichung vorzunehmen.

Jetzt kommen wieder die Bibliotheken ins Spiel. Sie können mit ihren
Dokumentenservern hier eine gute Basis zur Publikation liefern. In der Praxis wird
aber aus Gründen der Qualitätssicherung die Zustimmung des betreuenden
Hochschullehrers für die Veröffentlichung zu fordern sein. 

Ein Wort zu kommerziellen Angeboten im Netz. Ich würde sie nicht als
Dienstleister für Literaturversorgung werten, sondern als Ghostwriting-Agentur für
die studentische Klientel. 

Die Bibliotheken sind keine Einrichtungen für Information überhaupt, sondern
nur für publizierte Information. In diesem Rahmen können sie handeln.
Diplomarbeiten gehören als nichtpublizierte Prüfungsarbeiten hier aber nur zu einem
kleinen Teil hinein. 

Da Bibliotheken aber Spezialisten für Verzeichung und Vermittlung von
Information sind, sollten sie duraus ihre Aufgabe darin sehen, eine verstärkte
Publikation von Hochschularbeiten unterhalb der Promotion zu stimulieren. Ihr
Dokumentenserver stellen dafür eine hervorragende Infrastruktur dar. Hier stimme
ich Herrn Graf zu: Hier könnte in der Tat mehr getan werden.

Grüße aus Thüringen
Eric Steinhauer
http://www.steinhauer-home.de

-- 
Diese Mail wurde versendet durch www.faz.net


Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.