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Re: Referentenentwurf zweiter Korb UrhG
- Date: Thu, 30 Sep 2004 10:58:20 +0200
- From: "Heinrich C. Kuhn" <hck@xxxxxxxxxxxxxxxxxxx>
- Subject: Re: Referentenentwurf zweiter Korb UrhG
Klaus Doehmer schrieb:
> Im Übrigen: Es sind ja nicht eigentlich die Bibliotheken, die
> hier zur Schlachtbank geführt werden. Sie könnten sich
> zurücklehnen und bräsig auf die jeweilige Rechtslage verweisen.
> Opfer ist die Wissenschaftsgemeinschaft
Ich fuerchte das ist zunaechst voellig richtig. Und ich
fuerchte nur recht wenige der "Endverbraucher" der wissenschaft-
lichen Literatur sind sich des Problems bewusst. Aber: der
Entwurf ist derart stark an den kurz- und mittelfristigen
Interessen der elektonische Veroeffentlichungen anbietenden
Verlage orientiert, dass ich es fuer nicht ausgeschlossen
halte, dass derlei zu einer Situation fuehrt, wo sich die
entsprechenden Verlage noch nach den goldnen alten Zeiten
vor dieser Regelung zuruecksehnen werden:
<UEBERLEGUNGEN UND SZENARIO>
1. Statt Subito etc. gibts nur noch Ingenta etc. Aber
die Preise dort sind derart hoch, dass zumindest ich
mir's ernsthaft ueberlege bevor ich da was bestelle.
2. D.h.: Es werden weniger Artikel aus der Ferne be-
stellt, und man ist staerker auf das zurueckgeworfen,
was es auch lokal gibt.
3. Was es auch lokal gibt wird immer weniger, weil die
Preise weiterhin schneller steigen als die Menge des
zurverfuegungstehenden Geldes.
4. Die wird teilweise abgefangen dadurch, dass man einen
Kollegen aus einer anderen Einrichtung anmailt "Ihr
habt doch bei Euch XYZ in Eurem Paket elektronischer
Zeitschriften; koenntest Du mir mal bitte aus dem 2004er
Jahrgang Aufsatz A rueberschicken". Dies geschieht de facto
heute schon, wird aber zunehmen, aber nicht so zunehmen
koennen, das es einen Ersatz fuer Subito etc. darstellen
kann (denn sonst inkommodiert man die Kollegen zu sehr).
Es ist nicht im Interesse der Verlage, aber es wird keine
deren Einkuenfte wesentlich bedrohende Groessenordnung
annehmen.
5. Die Ergaenzug des lokal vorhandenen durch das was man
kostenlos ueber's Netz bekommen kann wird wichtiger.
D.h.: Die frei verfuegbar veroefftlichten Preprints,
Postprints, Parallelveroeffentlchungen und Veroefftlichungen
in kostenfreien Zeitschriften werden an Gewicht und
Einfluss zunehmen.
6. Das Interesse der Autoren (die ja wollen dass das was sie
veroeffentlichen "Einfluss" hat) daran frei verfuegbar zu
veroeffentlichen wird zunehmen.
7. Relatives Gewicht und relativer Einfluss des nicht-frei-
Verfuegbaren nehmen ab. Damit ist's aber auch weniger Geld
wert.
8. Ich habe schon jetzt keine Aktien der entsprechenden Ver-
lage; aber wenn ich welche haette wuerde ich ueber einen
Verkauf nachdenken ... [:-)] ... .
</UEBERLEGUNGEN UND SZENARIO>
Vermutlich ist das alles zu sehr von Wunschdenken gepraegt.
Aber wenn der Referentenentwurf wirklich so Gesetz werden sollte,
waere die Alternative wie das obige, aber nur bis Punkt 4.
Und das ist deutliche und fuehlbare Einschraenkung des
wissenschaftlichen Arbeitens, und tut den "Endverbrauchern" weh.
Und wenn ich mir angucke wieviele unserer Studierenden (die ja die
Autorinnen und Autoren und Anschaffungsbeschlussfasser von
morgen sind) jetzt schon selbst bei geringerer Qualitaet
elektrobnische verfuegbare Texte Texten vorziehen, die sie mit
einem einfachen Gang zur Bibliothek finden koennten (was
weniger Zeit bis zur Verfuegbarkeit des Textes braucht als
*jede* Art von Besrtellung aus der Ferne), denke ich, dass
zumindest Punkt 5 unvermeidlich ist.
Mit freundlichen Gruessen von unter niedrigen grauen Wolken
her
Heinrich C. Kuhn
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| Dr. Heinrich C. Kuhn
| Seminar fuer Geistesgeschichte der Renaissance
| Ludwig-Maximilians-Universitaet Muenchen
| D-80539 Muenchen / Ludwigstr. 31/IV
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