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Re: Urheberrecht 2. Korb
On Fri, 10 Sep 2004 13:44:45 +0200
Roland Bertelmann <rab@xxxxxxxxxxxxxx> wrote:
> Lieber Herr Müller,
>
> > Deshalb ist es auch jetzt noch zu früh, um abschließend
> beurteilen zu können, ob die angekündigten Änderungen den
> Beifall der Bibliotheken finden können oder nicht.
> >
> >
> abschliessend sicher nicht, aber wenn ich als Rechtslaie
> den Satz
>
> >soweit die Verlage kein eigenes elektronisches Angebot
> machen".
> >
> richtig interpretiere, muss ich mir doch angesichts der
> Pay-per-View-Systeme der Verlage schon Sorgen machen. Ich
> lese da eine klare Tendenz, die unsere tägliche Praxis
> der Dokumentlieferung beim Service für unsere
> Wissenschaftler komplett in Frage stellt.
Es ist damit zu rechnen, dass bald alle wichtigen Verlage
auf den Zug aufspringen. Das Problem sind die
Monopolgewinne, denn fuer einen bestimmten Aufsatz gibt es
anders als etwa bei Karteikarten keine Alternative. Ich
finde alle Pay-per-view-Angebote extrem ueberteuert. Als
Geisteswissenschaftler muss ich auch eine Menge von
Literatur sichten, die ich dann letztlich nicht zitiere -
wenn ich da jedesmal mindestens 5 Euro (STM-Zss. auch schon
mal 30 Euro) fuer einen Aufsatz aus eigener Tasche berappen
muesste, koennte ich mir Forschung nicht mehr leisten. Ich
kann aber nicht finden, dass sich schon irgendein
Bibliothekar schon einmal konkret ueber diese ganz
elementaren Beduerfnisse und Arbeitsablaeufe eines
Wissenschaftlers den Kopf zerbrochen hat.
Natuerlich kann man Wissenschaftlern auch den Tipp geben,
sich vom Autor per Mail eine Kopie zu erbitten (dabei kann
man ihm auch mitteilen, dass es doch schoen waere, wenn er
seinen Artikel auch in einem Open-Access-Archiv zugaenglich
machen wuerde, aber das erlauben ja bekanntlich nicht alle
Verlage). Ich habe damit nur ganz wenig Erfahrung und die
sind nicht uebermaessig ermutigend: manche Autoren
reagieren gar nicht, andere kramen nach einer Endversion
auf ihren diversen Computern und mailen Zwischenbescheide
von diversen weltweiten Konferenzen usw. Und ob man dann
eine zitierfaehige Version erhaelt (mit exakten
Seitenumbruechen, also etwa das Verlags-PDF) ist dann auch
die Frage. Es ist auch nicht so, dass man als Autor
automatisch Zugriff auf das Verlags-PDF hat (so habe ich
neulich erst gesehen, dass der de Gruyter-Verlag ohne mich
zu fragen einen Aufsatz von mir von 1988 ueber PCI Fulltext
zugaenglich gemacht hat).
> Sollten wir da nicht frühzeitig Stellung beziehen und
> Iniativen wie
> http://www.urheberrechtsbuendnis.de/index.html
> verstärkt in unsere Institutionen tragen?
Wenn ich es recht sehe, dann habe ich als einziger zuvor
auf diese wichtige Initiative, bei der jeder auch
persoenlich unterschreiben kann, hier hingewiesen. Ich kann
nicht begreifen, dass man nicht mehr Werbung dafuer macht,
auch bei den wissenschaftlichen Benutzern!
>
> Wenn ich Sie recht verstehe, plädieren Sie eher für ein
> Abwarten bis der Gesetzgebungsprozess weiter gediehen
> ist?
Die Bibliotheken duerfen gern wie bisher lemminghaft dem
angeblich so grossen Verhandlungsgeschick von Leuten wie
Dr. Beger oder Dr. Mueller vertrauen und so Geschlossenheit
demonstrieren (waehrend ihre Faelle den Bach hinabschwimmen
und die der Benutzer gleich mit). Benutzern ist es aber
unbenommen, die staendige Rede von den Bibliotheken als
Freunden der Benutzer kritisch zu hinterfragen.
Klaus Graf
Listeninformationen unter http://www.inetbib.de.