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Tragik der Technik (E-Mail-Clients)



Liebe Liste,

gerade wieder lese ich mit moderatem Bekümmern Folgendes:

>[...] leider haben Sie keine persönliche Mailadresse angegeben, deswegen an die Liste (Entschuldigung!)

Warum bekümmert mich das? Weil es die ganze Tragik der heutigen Softwareentwicklung offenbart (nun gut, übertrieben, aber zumindest die halbe :-)
Denn die ständige Wiedererfindung der Programme zum Lesen von E-Mail (eine Technik, welche sich in mehr als 20 Jahren so gut wie nicht verändert hat!) sorgt in vielerlei Hinsicht dafür, dass die einfachsten Funktionen dieses Protokolls von gutgemeinten Gimmicks verdeckt werden.
Dabei kann man den Benutzern gar keinen Vorwurf machen -- denn was ist schon schlechtes dabei, alles möglichst einfach vorgesetzt zu bekommen? Schließlich soll die Technik unser Leben vereinfachen.
Nur: warum eigentlich lässt so ziemlich jeder aktuelle E-Mail-Client schon von Haus aus die grundlegenden Funktionalitäten den Bach runtergehen, nur um jedem zu gefallen?
Natürlich weiß die Maschine, wenn ich den "Antworten"-Knopf drücke, wohin die Mail geht, aber der Benutzer weiß es vielfach nicht mehr (und daher auch die privaten Irrläufer).
Warum muss ich (in diesem Fall) erst auf eine Header-Ansicht umschalten, um des Absenders E-Mail-Adresse herauszufinden? Und immer mehr Leute scheinen es tatsächlich nicht (mehr) zu wissen, dass es so etwas außerhalb der angefügten Signaturen überhaupt gibt (wie obiges Zitat belegen könnte)!

Eigentlich steckt die Tragik schon darin, dass überhaupt E-Mail-Clients in neuen Versionen erscheinen müssen (für die Neuerungen wie Verschlüsselung etc. ist schnell ein Plugin geschrieben).

Dabei ist die Email nur ein Beispiel. Um den Zusammenhang mit dem Bibliothekarischen nicht zu verlieren:

Wie meint es KerLeone neulich in seinem Weblog so treffend: "Wenn Leute in der Bücherei ihren Laptops beim Starten Pullover aufpressen, damit der Windows-Start-Sound nicht zu laut ist und die anderen nicht stört, dann kann man nicht unbedingt von einer Unfähigkeit bei der Beherrschung der Technologie auf Anwenderseite reden [...] Ich glaube nicht, dass diese Leute nicht herausfinden würden, wie man den Start-Sound abstellt, ich glaube eher, dass sie von vornherein nicht daran glauben, dass es ihnen möglich wäre. Sie vertrauen der Wirkung ihres Pullovers einfach mehr als der Software." [1]

Und da ichs gerade zur Hand habe, noch ein passendes aktuelles Blog-Zitat, um die Bibliothekszunft zu mehr Technikgelüsten zu animieren:

"If a scatterbrained non-librarian like me can string together 117 lines of Perl code to make an RSS feed of the books I have checked out of the library, just think of what a organized technology strikeforce of frustrated librarians could do! Vendors wouldn't stand a chance." [2]

Nicht nur Bibliothekare sollten immer mal wieder vorsichtig schauen, was wir eigentlich für unser Geld bekommen und welche klugen Köpfe uns vielleicht Alternativen geben könnten. Vieles davon ist  frei und steht in unserer Wissens-/Softwareallmende zum freien Ausprobieren zur Verfügung. Wie zum Beispiel ein ordentlicher Mail-Client.

In diesem Sinne noch eine laue Sommernacht wünscht:

    Daniel Zimmel

[1] http://mosaikum.org/log-09-04.shtml#9
[2] http://www.reinvented.net/article/2305

--
Daniel Zimmel                                     Tel. +49 228 91416-17

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