Lieber Herr Brintzinger,
mit Ihrer Überlegung rühren Sie nach meiner Ansicht an ein sehr delikates Problem, über das wir in Konstanz auch schon diskutiert haben. Dabei sah unser "Modell" etwas anders aus, nämlich: Die Literaturmittel für ein bestimmtes Fach werden dem Fachbereich zur freien Verfügung zugewiesen und er kann daraus Zeitschriften, Monografien, Dienstreisen oder Hiwis bezahlen. Soweit er sich für Literatur entscheidet, wird diese von der Bibliothek für die Bibliothek und damit alle Benutzer beschafft.
Dann passiert wohl folgendes: Die Fachbereiche müssen zwischen konkurrierenden Bedürfnissen abwägen. Dann wird, so unsere Prognose, deutlich mehr abbestellt bzw. weniger Literatur gekauft als derzeit - auch bei knappen Mitteln - , weil die Fachbereiche das Geld für andere Dinge lieber haben wollen. Damit führen sie aber den Nachweis, dass sie soviel Literatur, wie sie kaufen könnten gar nicht so dringend brauchen.
Die Probleme, die wir sehen, sind folgende:
a) Bei einem solchen Verfahren bleiben womöglich die Bedürfnisse der Studierenden auf der Strecke.
b) Wer kauft die Grundlagenliteratur aller Fächer, die zugleich eine Investition in die Zukunft darstellt? Wir befürchten, dass bei künftigen Berufungen mit etwas anderen Forschungsschwerpunkten als den derzeitigen noch nicht einmal die grundlegenden Werke vorhanden sind.
c) Ein Fachbereich beschafft vermutlich immer nur das, was er gerade aktuell braucht. Ein bibliothekarischer Bestandsaufbau, der in längeren Zeiträumen denkt, ist damit hinfällig, woraus sich die weitere Frage ergibt, ob und ggf. was das bedeutet und zwar für die Nutzer und auch für die Bibliothek.
Ungeachtet dessen wäre es natürlich betrüblich, wenn der Literaturetat nicht mehr der Bibliothek "gehört", aber das ist noch ein ganz anderer Aspekt.
Mit freundlichem Gruß und der Bitte, diese Antwort in InetBib einzubringen.
Gruß Klaus Franken
At 20:49 21.01.2004 +0100, you wrote:
Lieber Herr Franken, liebe Liste,
besten Dank für diese illustrative Geschichte, die den Kern der Zeitschriftenkrise deutlich offenlegt. Ökonomen nennen dies das Allmende-Problem, das immer dann entsteht, wenn Eigentumsrechte (wie hier bei einem zentralen Etat der UB) nicht definiert sind. Ökonomen empfehlen dagegen, Eigentumsrechte zu definieren. Also warum überlassen wir die Last der steigenden Preise für STM-Zeitschriften nicht den Wissenschaftlern bzw. ihren Lehrstühlen und Instituten? Denn wie Harold Moneymaker schreibt: "Kein Wissenschaftler würde soviel Geld ausgegeben."
Also warum nicht STM-Zeitschriften abbestellen und das ersparte Geld den Fakultäten überlassen, die dann selbst überlegen dürften, wie lange sie das mitmachen.
Nur weil wir am Produktionsprozess unbeteiligte Bibliothekare uns am Absatz beteiligen, funktioniert das Spiel so gut, wie Moneymaker schreibt.
Beste Grüße und schönen Abend Klaus-Rainer Brintzinger
-- ******************************************** Dr. Klaus-Rainer Brintzinger Universitaet Tuebingen, Juristisches Seminar Wilhelmstr. 7, 72074 Tuebingen Tel. 07071/29-72550, Fax: 07071/29-3304 ********************************************