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Re: Zeitschriftenkrise
Liebe Listenteilnehmer/innen,
eigentlich sind die Erkenntnisse in dem Briefwechsel von Klaus Franken
für Bibliothekarinnen nicht neu, sie bringen aber ein wichtiges Problem
auf den Punkt.
Verkürzt gesagt, können mächtige Verleger, deren Zeitschriften einen
hohen Impact Factor haben jeden beliebigen Preis verlangen und sie tun
es auch. Dass sie damit die kleinen Verlage ruinieren ist bekannt. Mit
Qualität oder Leistung hat das effektiv nichts zu tun. Im Gegenteil, am
härtesten diskutiert wird in der Wissenschaft nachweisbar das
Zweifelhafte, nicht das eindeutig Richtige. Das kann man eigentlich nur
akzeptieren, sobald man es verstanden hat.
Ein Nobelpreisträger kann publizieren was er will. Wenn sog. opinion
leader gutes und richtiges schreiben, muss man es ebenso lesen, wie wenn
es falsch ist, weil es dann dringend falsifiziert werden muss. Und
opinion leader werden von Verlegern, und Massenmedien gemacht. Unter dem
Stichwort Mischkalkulation brauchen sie auch kein schlechtes Gewissen zu
haben, weit überhöhte Preise zu verlangen. Sie tun ja per Sponsoring
Gutes. Ich habe allerdings noch nie verstanden, warum man das Sponsoring
allgemein so positiv bewertet, und warum sich Wissenschaftler immer mehr
um Sponsoring bemühen sollen. Seine verdächtige Nähe zu Bestechungen ist
weitgehend bekannt.
Verleger besitzen durch das internationale Copyright bzw. die
Verwertungsrechte ein Monopol, das ihnen keiner nehmen darf. Daran
ändert auch die Berliner Erklärung oder Open Access zunächst nichts, wie
der Briefwechsel richtig zeigt.
Wichtig ist aber, dass das nichts mit den Bibliotheken zu tun hat, die
jeden Preis zahlen, sondern damit, dass publiziertes Wissen eben keine
Ware wie jede andere ist. Bibliotheken werden immer stärker von ihren
Nutzern zu bestimmten Dingen gezwungen, weil nach etwa vierzig Jahren,
nun endlich immer mehr Wissenschaftler mitbekommen, dass es in Form des
Web of Science einen SCI gibt, über den sie aber bis jetzt mehr
Halbwissen als Wissen besitzen.
Bei unserer letzten Evaluation kam somit auch die Frage ob wir in
entsprechenden Zeitschriften publizieren. Unklarheiten darüber, dass
eigentlich die umstrittensten und bei weitem nicht die most evidence
based Publikationen am häufigsten zitiert werden, sind essentieller Teil
dieses Halbwissens.
Ich glaube nicht, dass die Eigentumsrechte in Bibliotheken nicht
definiert sind, wie Dr. Brintzinger meint. Im Gegenteil, weil die
letzten Jahrzehnte immer stärker dazu führten, dass die Verlage nur noch
Nutzungsrechte vergaben, wird die Situation immer brisanter. Daran
ändert sich auch nichts, wenn die Wissenschaftler selbst solche
Nutzungsrechte bezahlen.
Bibliotheken sind grundsätzlich das einzige Instrument, mit dem man
verhindern kann, dass publizierter Unsinn dadurch belohnt wird, dass er
die höchsten Auflagen erhält und somit den großen Verlagen am meisten
Geld bringt. Wir können das täglich am Verkauf der Bildzeitung und
ähnlicher Produkte beobachten. Für die Volkswirtschaft sind das
unglaubliche Kosten, weil es nicht nur dazu führt, dass täglich
Millionenbeträge die Besitzer wechseln, viel gravierender ist, wie viel
Zeit verschwendet wird Unsinn zu lesen und noch mehr, dadurch, dass
dieser Unsinn in den Köpfen wirksam wird.
Es soll hier nicht der Eindruck erweckt werden, dass Bibliotheken das
alles verhindern können, sie können es aber etwas abmildern. Und hier
sollte man nicht unterschätzen, wie viel Unsinn auch und gerade in viel
zitierten wissenschaftlichen Publikationen transportiert wird. Weil die
Wissenschaft unter der wachsenden Gefahr an Laienhaftigkeit leidet, hat
die National Library of Medicine vor zwanzig Jahren gezielt damit
begonnen, die evidence based medicine zu unterstützen.
Das ist das zentrale Problem der Nationalökonomie (Volkswirtschaft) des
Geistes. Bibliotheken und Dokumentationen haben die Aufgabe an der
Qualitätskontrolle der Wissenschaft mitzuarbeiten.
Aus meiner Sicht belegt der Briefwechsel sehr schön, dass die
herkömmliche Marktwirtschaft, deren Ziel es sein muss, dass Leistung
belohnt wird, in der Geisteswirtschaft immer weniger greift, weil man
Bibliotheken immer stärker entmachtet hat. Wie weit ihre Versuche, über
Konsortien wieder an Einfluss zu gewinnen, bisher erfolg hatten, wird in
dem Briefwechsel auch sehr schön deutlich.
Mit freundlichen Grüßen
Umstätter
Petra Haetscher schrieb:
Liebe Liste,
zum Thema "Zeitschriftenkrise" gibt es unter
http://www.ub.uni-konstanz.de/kops/volltexte/2004/1155/ einen von Klaus
Franken herausgegebenen aktuellen Briefwechsel zwischen zwei Verlegern.
In dieser Offenheit dürfte das wissenschaftliche Publizieren von
Verlegerseite bisher kaum erörtert worden sein.
Mit besten Grüßen
Petra Hätscher
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Petra Haetscher
Stellvertretende Bibliotheksdirektorin
Bibliothek der Universitaet Konstanz
D-78457 Konstanz
petra.haetscher _at__ uni-konstanz.de
Tel.: +49 7531 88-2802 Fax: -3082
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